Seit längerem schon liegen zwei Duftproben bei mir, die ich längst besprechen wollte, aber nicht dazu kam. Aus aktuellem Anlass darf die Rezension nun nicht mehr warten: zum 30. Jubiläum des Hauses Annick Goutal wurden Sondereditionen des Duftes „Eau d’Hadrien“ herausgegeben, von dem hier heute die Rede sein wird.
Übrigens haben wir bei diesem Duft wie gewohnt die Auswahl zwischen einem Damen- und einem Herrenfläschchen. Hinzukommt eine begrenzte Auflage des Duftes in einem schwarzen Schmuckkästchen und anlässlich des gerade erwähnten 30. Jubeljahres ein Sonderflakon, der von dem bekannten Juwelier Arthus-Bertrand gestaltet wurde, gewissermaßen das gläserne Abendkleid zur Feier des Tages. Hiervon ist nun ein Eau de Toilette und ein Eau de Parfum sowie ein ebenfalls zu diesem Anlass erschienenes Absolu erhältlich. Letzteres allerdings in der gewohnten Aufmachung.
Bei Hadrian handelt es sich um keinen Geringeren als den römischen Kaiser Hadrian, welcher im Jahr 76 geboren wurde und im Jahre 138 verstarb. Annick Goutal ließ sich aber viel mehr von der fiktiven Autobiographie der belgischen Schriftstellerin Marguerite Yourcenar „Mémoires d’Hadrien“ inspirieren als von der historischen Person. Der deutsche Titel heißt „Ich zähmte die Wölfin. Die Erinnerungen Hadrians“ – wer auch immer sich mit diesem Zusatz selbstverwirklichen wollte.
Das Buch ist aus der Sicht Hadrians als Lebensbeschreibung erzählt, welche er in Briefform an seinen Adoptivenkel, den späteren Kaiser Mark Aurel richtet. Als Sechzigjähriger, durch Krankheit am Ende seines Lebens stehend, lässt Hadrian in seiner Villa in Tibur sein Leben Revue passieren. Die Geburt in Spanien, seine politische Laufbahn in Rom bis hin zur Kaiserherrschaft, seine Beziehung zu Trajans Frau Plotina, Kriege und auch der frühe Tod seines Geliebten Antinous spielen dabei eine Rolle. Die Briefe sind von Erinnerungen und Sinnfragen durchwoben und umfassen auch die Überlegung, ob er sich durch den Freitod seiner Schmerzen entledigen dürfe. Letztlich stirbt er im Kreis seiner Vertrauten, im Einklang mit sich selbst. – Übrigens soll das Buch von John Boorman verfilmt werden und befindet sich seit 2010 in Produktion.
Ich bin nun gespannt, wie viel Kaiser und Geschichte in „Eau d’Hadrien“ steckt oder ob sich Frau Goutal eher vom Sinnieren und der Nachdenklichkeit einer erinnerungsträchtigen Lebensbeschreibung inspirieren ließ. Die Duftnoten sind wie folgt angegeben: Kopfnote: Zitrone, Cedrat (Citrus Medica), Grapefruit, Mandarine; Herznote: Ylang-Ylang, Aldehyde; Basisnote: Zypresse.
Eine echte Zitrone wie sie im Buche steht, ist mein erster Gedanke als ich am Teststreifen schnuppere. Ein frisch aufgeschnittene Zitrone würde nicht anders riechen! Mit Zitrone, Citrus Medica, Grapefruit und Mandarine in der Kopfnote ist Marschrichtung ganz klar vorgegeben und ich werde nicht enttäuscht. Nach einer Weile klingt der Duft in eine Richtung aus, die ich nicht ganz einordnen kann und erhoffe mir Klarheit durch einen direkten Versuch auf der Haut: hier erweist sich der Duft als etwas weniger zitronig und auch die anderen Darsteller bekommen ihren Auftritt. Ylang-Ylang und vor allem die zu Recht als kokosnussartig beschriebenen Aldehyde kommen nun zum Vorschein. Die leichte Nussigkeit letzterer geht in den holzig-frischen Noten der Zypresse auf, die auf meiner Haut zumindest daraufhin am deutlichsten hervortritt.
Welch ein gelungenes Duftbild. Der alte Kaiser sitzt in seiner Villa zwischen Zitronenbäumen, hängt den Erinnerungen eines erfüllten Lebens nach, hin und wieder mischt sich eine herbe Note hinein, wenn er an die Kämpfe und Enttäuschungen denkt. Die Duftkomposition bleibt aber stets kopflastig, so spiegelt sich die Erinnerungsarbeit auch hierin wider. Eau d’Hadrien ist meines Erachtens eine Hommage an den Süden, an die große Vergangenheit des römischen Reiches, aber auch an die wohlgesetzte Prosa einer Marguerite Yourcenar. Auf dem Duftstreifen kommen die süßen Erinnerungen besser zum Tragen als auf meiner Haut – vielleicht wird der eine oder andere dies auch beobachten.
Ein absolut männer- und frauentauglicher Duft für den Sommer, der schon die ersten Züge des Herbstes erahnen lässt. Keine völlige Unbeschwertheit, aber mit einer optimistischen Frische, die große Leistungen zu würdigen weiß.
Habt Ihr schon mit Hadrian Bekanntschaft gemacht? Morgen erfahrt Ihr mehr von ihm. 🙂
Liebe Grüße von
Harmen
Da das Buch: Die Frucht der Verheißung – Zitrusfrüchte in Kunst und Kultur von Christiane Lauterbach – auf meinem Bücherwunschzettel steht – bekenne ich mich als zur Zitrone – von daher war es nur ein Katzensprung zu den Nächten des Hadrian – der Duft an Annick Goutal ist toll – gerade weil es egal ist ob Mann oder Frau – die Zitrone auf der Haut ist phantastisch !
Ich mag die Hesperidenklassiker von Goutal, die Hadrien-Düfte sowie Eau du Sud, auch wirklich überaus gerne! Überhaupt – im Sommer kommt man um vernünftige Zitrusfrüchte ohnehin nicht drumherum finde ich.