Rubini reist mit Hyperion ins Unendliche

Hyperion – endlich wieder ein neuer Duft von Rubini! Den lasse ich mir natürlich nicht nehmen und werde ihn Euch heute vorstellen. Eine Auflistung aller Artikel zu Rubini findet Ihr übrigens hier. Für Eilige gab es in meiner Rezension zu Odenaturae einen Schnelldurchlauf durchs Œu­v­re des italienischen Hauses. Ich kann mich nur wiederholen, für mich gehört Rubini zu den besten und glaubwürdigsten Nischenduftmarken. Es werden wenige Düfte nach längerer Entwicklungszeit veröffentlicht, was der Qualität zugutekommt. Verpackungsdesign, Konzepte, Geschichten sind stimmig und man bekommt noch vom Markeninhaber Andrea Rubini selbst freundliche Auskünfte. Vielen Dank dafür.

Hyperion ist ein Name mit vielen Verweisen in die Kulturgeschichte. Im Altgriechischen bedeutet er etwa „der Höhere“ und bezeichnet u. a. einen Titanen. Literaturinteressierte kennen einen gleichnamigen Roman von Hölderlin.

Hyperion – der Film

Dem Duft Hyperion ging ein großartiger Begleitfilm voran, den ich Euch vorstellen möchte. Regisseur ist Andrei Purcărea, der auch schon für andere Duftmarken aktiv war.

Die Szene: Bilder eines Feuerstrahls und eines zerbrochenen Spiegels tauchen auf. Szenenwechsel Wald. Wir sehen einen jungen Mann durch diesen Wald laufen. Wovor er davonrennt, ist unbekannt. Plötzlich stoppt er, denn vor ihm steht eine andere Person in einem altertümlich anmutenden Pilotenanzug mit Helm. Interessiert betrachtet er ihn. Der Pilot winkt ihn zu sich heran. Der Mann reibt sich die Augen. Im nächsten Augenblick ist er Pilot verschwunden, nur sein Anzug liegt noch auf dem Waldboden.

Der Mann erwacht aus diesem, nun wissen wir es, Traum. Er denkt nach und geht in einen Nebenraum, wo er eine Lampe anknipst. Darunter liegt der Helm aus einem Traum. Er setzt ihn auf. Man hört einen Countdown im Hintergrund. Bilder von Flammen und Körperzellen erscheinen. Die Rakete startet, der Mann ist sichtbar angegriffen vom Druck des Starts, atmet schwer. Rückblenden in Schwarzweiß. Der Mann greift nach dem Umriss des Flakons. Rückblende in den Wald, wo er sich im zerbrochenen Spiegel betrachtet, auf einer Scherbe in „zivil“, auf der anderen als Astronaut. Immer wieder Perspektivwechsel von der Rakete in den Wald. Schließlich nickt er erleichtert, als wäre ihm etwas klar geworden. Dann die Einblendungen „The journey becomes the search itself, a path of change and self-discovery. HYPERION. RUBINI“

Rubini Hyperion

Interpretation des Films

Die Interpretation liefert Rubini zum großen Teil im Produkttext selbst:

Ein Weltraumforscher begibt sich auf eine lange und abenteuerliche Reise auf der Suche nach unerforschten Orten. Die Dauer der Mission ist unbekannt, und auch nicht, wohin sie ihn führen wird. In der Dunkelheit des tiefsten Weltraums und in Abwesenheit der Schwerkraft erhellt nur das Sternenlicht seinen Weg.

Hyperion führt ihn auf eine spirituelle Reise auf der Suche nach sich selbst, um das Unendliche zu entdecken. Die Reise wird zur Suche selbst, zu einem Weg der Veränderung und Selbstentdeckung, der Licht in die Dunkelheit des Unbekannten bringt.

„Sich selbst finden“. Oftmals das Synonym für ichbezogene Wohlfühlspiritualität und naive Selbstbestätigung. Was gibt es Fauleres als zu sagen: „Ich bin, wie ich bin. Das müssen alle anderen so akzeptieren“? Der Film deutet es an. Selbsterkenntnis und Konfrontation mit dem eigenen Ich sind anstrengend, schmerzhaft, vielleicht sogar niederschmetternd. Eine riskante Reise ins Unbekannte, als würde man sich mit einer Rakete in den Weltraum schießen. Liebgewonnene Gewissheiten loslassen. Der Spiegel muss zerbrechen, damit man neue Perspektiven einnehmen kann. Was ist die Belohnung für dieses Risiko? Klarheit über sich selbst. Arbeiten können am eigenen Charakter, Frieden mit sich und vielleicht auch seiner Vergangenheit schließen, ein anderer, vielleicht besserer Mensch werden.

Hyperion – der Duft

Selbsterkenntnis gibt es (noch) nicht zum Aufsprühen. Aber sehen wir uns an, wie Rubini diese archetypische Reise in die Sprache der Düfte übersetzt hat. Verantwortlich war hierfür einmal mehr Hausparfümeur Cristiano Canali.

Rubini über Hyperion:

Das Raumschiff Hyperion fliegt mit Geschwindigkeit in die Unendlichkeit. Glitzernde Sterne, pulsierend vor Energie, eine Explosion schimmernder Blitze, hervorgerufen durch den Supernova-Akkord. Der Weihrauch leitet die Reise in unser inneres Universum, begleitet von Ylang-Ylang, Zedernholz aus dem Himalaya und Patschuli-Absolue, tief und dunkel wie der Weltraum. Einmal durch den Widerhall des kosmischen Ambers hindurch, öffnet sich das Universum bis zum Horizont. Jetzt liegt es an Ihnen, die Kontrolle über diese Odyssee zu übernehmen. Hyperion ist unser bisher ehrgeizigster Duft. Wir haben uns die Düfte des Universums vorgestellt: das Gefühl der Leere, des absoluten Friedens und des unendlichen Widerhalls eines unergründlichen Kosmos. Ein Spiel der Kontraste zwischen urzeitlichen Funken und siderischen Leerräumen. Das Spiegelbild unserer selbst.

Mein erster Eindruck auf dem Teststreifen. Merkwürdig bonbonartige Zitrusnoten und pfeffrige Würzigkeit trifft auf maritime, metallische Noten. Auf der Haut hingegen kommt ein zitrisch umrahmter Weihrauch deutlicher hervor. Wie Lichtblitze scheinen die Yuzunoten immer wieder auf, inmitten eines Dunkels aus schwarzem Pfeffer, erdigem Patschuli und undurchlässigem Holz. Kopf und Herz sind von Beginn an sehr präsent, die Basis lässt sich etwas Zeit und zeigt sich immer mehr. Tatsächlich ist sie hier die Ursuppe, maritim, nicht aquatisch, Algen und mineralisch-metallische, fast schon blutige Akzente, Ambra direkt aus dem Wal? Eingefangen von einem Weihrauch, der unerwartet lange anhält und das Heft durchgängig in der Hand behält.

Die Duftnoten von Hyperion

Kopfnote: Ylang-Ylang, Weihrauch, Patchouli, Zedernholz
Herznote: Yuzu, Ingwer, Schwarzer Pfeffer, Szechuanpfeffer, Pfeffer
Basisnote: Algen, Ambra

Fazit

Die Geschichte um den Raumfahrer auf dem Weg in den leeren Kosmos als Reise zum eigenen Ich oder als Individuation wurde olfaktorisch perfekt aufgegriffen. Ist der Duft einfach? Auf keinen Fall. Wo Fundamental oder Odenaturae durchaus gefällig daherkamen, setzt Hyperion eher bei Tambour Sacré an und zeigt uns einen herausfordernden Duft, der sich erst nach einiger Zeit erschließt. Widerständig, verkopft, dissonant, könnte man kritisieren. Ich sage; komplex, vielschichtig – und wenn man sich dann durchgearbeitet hat, ein höherer Genuss.

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Harmen Biró Verfasst von:

Hallo, ich heiße Harmen, war bis vor Kurzem irgendwas­unddreißig und habe immer die Nase im Wind, um Duftschätze für Euch zu finden und hier vorzustellen. Selbst bevorzuge ich feine Lederdüfte oder Gewürzkompositionen, ohne mich da aber festzulegen. Warum auch? Es gibt ständig so viel Neues in der Welt der Düfte zu entdecken. → BIRÓ

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