… widmet sich vorrangig einer, von der man getrost sagen kann, dass sie wie keine ist: Der Iris oder auch Schwertlilie und somit einem echten Schwergewicht – nicht nur im Hinblick auf die Parfumeurskunst.
Über ihre jahrhundertealte Verwendung als Heilkunst ist vieles bekannt. Weniger schmeichelhaft hierbei ist, dass vor allem die Wurzel der Veilcheniris, die in der Parfumherstellung früher wie heute gerne verwendet wird und aufgrund ihres veilchenartigen Duftes in den meisten frühen Veilchendüften Verwendung fand, gerne als Brechmittel eingesetzt wurde – das nur ganz nebenbei. Gemeinhin blickt die Iris auf eine lange Kulturhistorik zurück, vor allem in der Kunst: Im Mittelalter war sie aufgrund der ihr allgemein zugeschriebenen Reinheit und Unschuld, Sittsamkeit und ihrer Leidensfähigkeit, was aus ihren schwertförmigen Blättern abgeleitet wurde, häufig in der Mariensymbolik vorzufinden. Darüber hinaus ist sie Vorbild für das Lilienzepter, jene stilisierte heraldische Lilie, welche in ihrer vereinfachten Form ebenfalls eine metaphysische Anspielung ist – auf die heilige Dreifaltigkeit. In Frankreich hat sie seit je her in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, da man die Fleur-de-Lys (Lilienblüte) schon immer mit der französischen Monarchie verbindet. In Japan galt die Lilie als Blume des Siegers oder vielmehr des Sieges, was sie zu einem begehrten Motiv für den Jugendstil werden ließ mit seiner Nipponverehrung. In Ägypten war sie die Blume der Gottheiten Osiris und Horus und ihren Namen verdankt sie ebenfalls einer edlen Abstammung: Der gleichnamigen griechischen Gottheit und Götterbotin, jener Mittlerin zwischen Himmel und Erde, die für den Regenbogen steht (was im Griechischen, na was wohl, Iris heißt).
Und, um wieder in den Bereich des Olfaktorischen zu wechseln: In diesem nimmt sie ebenfalls eine bedeutsame Stellung ein. Nur eine Handvoll der über dreihundert verschiedenen Sorten werden für die Parfumherstellung verwendet – die oben genannte Veilcheniris, Iris Florentina oder Florentiner Schwertlilie, Iris Germanica, die deutsche Schwertlilie und natürlich die Königin Iris Pallida, die bleiche Schwertlilie. Ob Odins 04 Petrana nun nur eine Hommage an die schwarze Iris, die Iris Nigricans war oder diese auch wirklich verwendet wurde konnte ich noch nicht herausfinden – das war nämlich noch einer der Gedanken, der mir zum Thema durch den Kopf huschte. Die Destillation der Wurzel ist nicht einfach und braucht Zeit – somit ist Iris teuer und kostbar, einer der eher kostspieligeren Rohstoffe.
Und einer, der, adäquat umgesetzt einen wahrlich göttlichen Duft entwickeln kann, obgleich Iris so viele Facetten haben kann: Erdig kann sie wirken und samtig, hell, luzide, metallisch und kalt oder warm, pudrig und an Make-up erinnernd, sie kann papiern wirken, trocken, seltsam karottig-süß oder auch staubig. Manchmal weist sie Gourmandanleihen vor, kann bisweilen grün oder grau wirken und zum Teil milchig-cremig oder auch ledrig. Und an Beispielen exzellenter Düfte mangelt es auch nicht: Guerlains Klassiker L’Heure Bleue oder Chanels No. 19, Hermes Hiris, Serge Lutens Iris Silver Mist, Iris Gris von Fath, Iris Pallida von L’Artisan Parfumeur, bei Maître Parfumeur et Gantier findet sich Iris Bleu Gris und Fleur d’Iris sowie bei Heeley die Iris de Nuit, ein Duft namens Bois d’Iris findet sich sowohl bei The Different Company als auch bei Van Cleef & Arpels. Und da wären dann noch die ausgefallenen Interpretationen wie Andy Tauers leider vergriffener Duft Orris und LeLabos Iris 39.
Amouage nun wenden sich mit Opus V ebenfalls der Iris zu, auch wenn vordergründig vielleicht bei einem Blick auf die Ingredienzen Oud zuerst ins Auge stechen mag: Kopfnote: Iris, Rum; Herznote: Iris, Rose, Jasmin; Basisnote: Adlerholz (Oud), Zibet, Hölzer.
Die offizielle Beschreibung dazu lautet:
„This floral and woody neoclassical masterpiece is arresting, paying tribute to haute parfumerie while still remaining germane to modern day living. The raw and classical beauty of Orris and the seductive resonance of Agarwood strike a perfect balance that allows each to manifest symphonically in a trance-like aura while the juxtaposition of Rum and Rose in the top and heart notes expresses many nuances; fragmented yet unremitting in an ingenious composition. The fragrance is rounded off with an opulent leathery and woody base“
Ein floral-holziges neoklassizistisches Meisterwerk, dass sich um Iris und Oud/Adlerholz dreht und, wie man weiter lesen konnte – der modernen Zeit gewidmet ist: Einer Zeit des Internets, der Globalisierung und Globalität, der Vernetzung, der Kommunikation und so weiter… Erinnert mich an Heraklits Panta rhei, alles fließt, alles ist permanent im Fluss, in Bewegung. Ich finde es schon schwer, diese Ode (?) an jene Zeitphänomene mit einem Duft zusammenzubringen, rein gedanklich. Noch schwerer allerdings fällt es mir, den Zusammenhang mit beziehungsweise zu einem Amouage-Duft herzustellen, da dazu ein wesentlich, nun, avantgardistischerer, moderner, puristischer Hersteller mit einem anderen Image, auch einer anderen Bildsprache usw. gehören würde – zumindest für mich. Beim Testen des Duftes wird mir diese Inspirationsquelle auch nicht klarer, deshalb werde ich sie einfach geflissentlich ignorieren.
Im Auftakt weht mir eine luftige, leicht metallische Iris entgegen, perlend, mit dezenten erdigen Untertönen, welche alsbald Verstärkung bekommen von den typischen Oudanklängen. Eine seltsame Süße, gepaart mit Erde, ja, auch Schmutz. Likörige Anmutungen dringen hindurch, helle Rumnoten, ähnlich wie in Lubins Idole und by Kilians Straight to Heaven, weit weniger heftig aber als in Frapins 1697. Ich vermeine auch abstrakt fruchtige Akzente wahrzunehmen, weshalb mich der Duft kurzfristig an eine Melange aus Juliette has a Guns Midnight Oud (exklusive des Patchoulis) und den angesprochenen Odin 04 Petrana erinnert. Jener Eindruck verfliegt – was bleibt ist eine Melange aus einer feinen smoothen und femininen Iris, wie ich sie in Frédéric Malles Iris Poudre liebe, die sich allerdings hier in einem Luxusledermäntelchen mitsamt einem Gläschen Rum in der Hand präsentiert. Und jene lehnt nicht alleine an der Bar, sondern hat natürlich ein echtes Alphamännchen an ihrer Seite: Mächtiges Oud, holzig, balsamisch, seine eigenartige Süße charmant verströmend und geerdet. Die Schöne und das Biest – was will man mehr?
Ich bin sehr gespannt auf Eure Meinungen zu dem Duft.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende –
Eure Ulrike.
Bildquelle: Franz-Eugen Köhler (1897): Köhler’s Medizinal-Pflanzen / Blasse Schwertlilie, Johann Georg Sturm (1796): Deutschlands Fauna / Iris Pallida, Joseph Jacobs John Dickson Batten (1916): Europa’s Fairy Book, alles via Wiki Commons, some rights reserved – vielen lieben Dank!
Hier finden Sie Amouage V in unserem Shop.
Ich bin sehr gespannt auf diesen Duft. Ich liebe Iris, ich schätze Amouage sehr, für mich also die perfekte Kombination.
Danke für die tolle review! 🙂
Liebe Uli,
du sprichst mir aus der Seele mit dieser Beschreibung. Habe mich hier ja schon oft als bekennenden Iris-Fan geoutet und kann die vielen Facetten der Iris, die Du beschreibst ebenfalls nur bestätigen. Ich liebe die leichten pudrigen genauseo wie die heftig-erdigen. Deshalb (sparen hin oder her!) getestet wird er!
Schönes Wochenende und ganz liebe Grüsse,
Margot
Ich muss zwar gestehen, dass ich nicht so viel Ahnung habe von Düften, aber ich beschäftige mich hin und wieder schon ganz gerne mit dem Thema. Diese Seite ist wirklich toll, so ausführlich und einfach gut geschrieben. Danke dafür 🙂
Vielen Dank Ihr Lieben für die tollen Kommentare und das Lob, das läuft natürlich runter wie (Parfum)Öl 😉
Ich persönlich finde die ganze Opus-Serie ziemlich testenswert, da sie mir offen-experimenteller erscheint als die „normalen“ Düfte aus dem Haus. Unter denen finden sich zwar auch einige Lieblinge von mir, ich weiß aber solch einen Gegenpol bzw. ein „Sideproject“ durchaus zu schätzen. Vor allem sind eben jetzt auch schon mindestens zwei Düfte dabei, mit deren Kauf ich hadere: Die Nummer 2 und die 4…
Freue mich auf Eure Testergebnisse und Meinungen!
Liebe Grüße und ebenfalls ein schönes Wochenende Euch allen,
Ulrike.