Aldebaran von Marc-Antoine Barrois – Kosmische Eleganz

Aldebaran … Das klingt nach fernem Wüstenwind, nach alter Sternenkunde und Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Tatsächlich stammt das Wort Aldebaran aus dem Arabischen und bedeutet „der Folgende“. Denn am Himmel folgt der gleichnamige Stern dem funkelnden Sternhaufen der Plejaden. Doch Aldebaran ist mehr als das. Mit seinem rötlich-orangenen Glanz ist er der strahlende Hauptdarsteller im Sternbild Stier und einer der hellsten Sterne überhaupt. Rund 65 Lichtjahre von uns entfernt und etwa 45-mal so groß wie unsere Sonne, thront dieser Riesenstern majestätisch am Nachthimmel – wie ein kosmisches Auge, dessen Licht so hell und faszinierend ist.

Marc-Antoine Barrois - Aldebaran

Schon die alten Perser verehrten ihn als „königlichen Stern“ und Wächter des Ostens. Ganz in seiner Nähe blitzen die Hyaden auf – ein offener Sternhaufen, der dem Stier seine charakteristische V-Form verleiht. Und mittendrin: Aldebaran, kraftvoll, leuchtend, zeitlos – „ein weißes Licht in der Dunkelheit.“ Wer in einer klaren Winternacht den Blick nach oben richtet, kann ihn kaum übersehen, so hell und klar strahlt er am schwarzen Firmament. Kein Wunder, dass dieser Stern immer wieder Künstler, Philosophen und – ganz aktuell – auch Parfümeure inspiriert.

Aldebaran – Sternenduft mit Strahlkraft

Kein Geringerer als Marc-Antoine Barrois nahm sich dem Leuchtestern Aldebaran an und erschuf in seinem Namen einen Duft. Natürlich war auch Quentin Bisch mit an Bord und für die olfaktorische Umsetzung der Vision Barrois’ verantwortlich. Die Zusammenarbeit der beiden ist seit Jahren fruchtbar und unglaublich erfolgreich. Glücklicherweise lassen sie uns an ihren guten Ideen und Entwicklungen teilhaben, denn was wäre unsere Nischenduftwelt ohne einen B683, ohne einen Ganymede, einen Encelade oder die bezaubernde Lindenblüte Tilia?

Das kreative Gespann Barrois und Bisch hat sich mit Aldebaran einmal mehr den Blüten zugewandt. Dass das Eau de Parfum zur zweiten, floralen Kollektion des Dufthauses gehört, erkennt man am roten Hals des Flakons, der auch bei Tilia zu finden ist. Diesmal haben wir es mit einer echten Grande Dame der Duftnoten zu tun, der Blüten überhaupt, möchte ich sagen: Die Tuberose steht im Zentrum von Aldebaran. Eine Diva durch und durch, die betörend und verführerisch, mitunter aber auch unberechenbar, launisch und widerspenstig sein kann.

Die einen sind ihr komplett verfallen, andere wenden sich verschreckt ab ob ihrer Präsenz und Ausdrucksstärke. Auch ich bin kein Tuberosen-Fan per se, stehe dem majestätischen Gewächs meist skeptisch gegenüber. Aber, das habe ich bereits mehrfach gesagt, im Laufe der letzten Jahre habe ich einige Kreationen rund um die Tuberose kennengelernt, die wirklich wunderschön sind. In Anbetracht der Tatsache, dass das Eau de Parfum von Quentin Bisch komponiert wurde, weiß ich eigentlich jetzt schon, dass Aldebaran genau nach meinem Geschmack sein wird, denn seine Kreationen sind einfach herrlich.

Quentin Bisch und Marc-Antoine Barrois – Ein starkes Duo

Er ist aktuell einer der spannendsten und gefragtesten Parfümeure unserer Zeit – ein kreativer Freigeist, der ursprünglich aus der Musik- und Theaterwelt kommt. Erst auf Umwegen fand er zur Parfümerie. Ein Glück, muss man sagen, denn er komponiert seine Kreationen mit einer solchen Emotionalität und Ausdruckskraft, dass man einfach nur dahinschmelzen möchte. Seine Werke sind meisterlich, ob für Amouage, Parfums de Marly, Penhaligon’s, Bon Parfumeur, L’Artisan Parfumeur oder Marc-Antoine Barrois. Sie erzählen Geschichten und entführen uns – mal leise und vertraut, mal dramatisch und kraftvoll – in ihre ganz eigene, wunderschöne Duftwelt.

Für Aldebaran vereinte Quentin Bisch die Ingredienzien Tuberose, Paprika, Mate und Tonkabohne. Nachdem uns Marc-Antoine Barrois mit dem ersten Blütenduft Tilia in seine Kindheit entführte und einen Hauch von Nostalgie aufkommen ließ (meine Review darüber findet Ihr hier), greift er mit dem jüngsten Eau de Parfum das bewährte Sternenthema wieder auf, das seine ersten Kreationen ja bereits bestimmte. Die Inspiration von B683 war eine im literarischen Sinne astronomische, nämlich der Heimatplanet des kleinen Prinzen aus der bekannten Geschichte von Antoine Saint-Exupéry. Mit Ganymede widmete er sich einem Mond des Jupiters, mit Encelade dem Eismond des Saturns. Nun also Aldebaran, das leuchtende Auge des Sternbilds Stier.

Marc-Antoine Barrois - Aldebaran

Aldebaran eröffnet mit cremigen, weichen und wunderschönen Noten. Die Tuberose vereint sich vom ersten Moment an mit den heuartigen, vanillig-grünlichen Nuancen der Tonkabohne, die wiederum die grünlichen Tendenzen der Tuberose gekonnt unterstreichen. So ergibt sich ein sehr rundes, harmonisches und dichtes Duftgefüge, das von dezent scharfer, leicht-herber und gemüsig-knarziger Paprika nuanciert wird. Diese setzt spannende Akzente, sorgt für olfaktorische Abwechselung und verhindert, dass die beiden Protagonisten mit dem Anfangsbuchstaben T zu kompakt und eng miteinander verwachsen. Auch der Mate tut sein Übriges hierfür und verleiht der Kreation sanfte, fließende Facetten, die Leichtigkeit und Transparenz in die Komposition bringen.

Mit Aldebaran hat das Duo Marc-Antoine Barrois und Quentin Bisch einmal mehr ein zeitloses, modernes und überaus elegantes Duftkunstwerk geschaffen, in dessen Mitte sich Tuberose und Tonkabohne so genüsslich miteinander austoben, dass man sich einfach nur darüber freuen kann. Eine schimmernde Tuberose, weich eingebettet in cremige Tonkabohne, mit einem Hauch von fließend-grünlichem Mate. Die Paprika? Ein leiser Akzent, der Spannung verleiht, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Aldebaran zeigt wieder einmal, wie hervorragend der Modedesigner Barrois und der Parfümeur Bisch harmonieren. Es ist eine Kreation, die sich nahtlos in die bisherige Kollektion einfügt und diese um eine weitere, wunderschöne Facette ergänzt. Bitte mehr davon! ❤️

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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