Heute möchte ich mich mit einem alten Bekannten hier im Duft-Tagebuch beschäftigen: Marc-Antoine Barrois und seinen Düften Ganymede und Ganymede Extrait, denn der französische Couturier hat eine intensivierte Version seines unglaublich beliebten Dufts lanciert und ich möchte mir heute beide genauer ansehen und direkt vergleichen. Wie unterscheiden sich die beiden Kreationen, welche Gemeinsamkeiten gibt es und wie gefallen sie mir?
Denn Ganymede und sein Extrait kenne ich bisher noch nicht. Die anderen drei Kreationen von Marc-Antoine Barrois habe ich Euch hier bereits vorgestellt und war von allen wirklich begeistert. On top habe ich auch ein Interview mit Marc-Antoine geführt, das wirklich sehr inspirierend war. Ich verlinke Euch im Folgenden meine bisherigen Beiträge:
- Marc-Antoine Barrois im Interview – Maßgeschneiderte Duftkunstwerke
- B683 Extrait von Marc-Antoine Barrois – Im direkten Vergleich mit B683
- Encelade von Marc-Antoine Barrois – der Duft des Eismonds
Ganymede Extrait – der neuste Streich
Heute möchte ich nun also Ganymede und Ganymede Extrait vorstellen, miteinander vergleichen und auf mich wirken lassen. Die Inspiration zu beiden Kreationen ist selbstredend die gleiche: der Jupitermond Ganymed, ein felsiger Himmelskörper, von großer Strahlkraft und einer immensen, kilometerdicken Schicht gefrorenen Wassers bedeckt. Daher gehört Ganymed zu den Eismonden, ein Begriff, den wir bereits in meiner Rezension zu Encelade kennengelernt haben. Denn auch dessen Inspirationsquelle, der Saturnmond Enceladus, gehört zu jener frostigen Spezies an Gestirnen.
Namensgebend für den Jupitermond Ganymed ist übrigens der aus der griechischen Mythologie bekannte, wunderschöne Hirtenjunge Ganymed, der von Zeus vergöttert wurde. Er brachte ihn auf den Olymp und machte ihn zum unsterblichen Mundschenk, um ihn bis in alle Ewigkeit um sich zu haben. Parfümeur aller Kreationen aus dem Hause Marc-Antoine Barrois ist Quentin Bisch. Die beiden sind ein eingespieltes Team, wirken auf Bildern überaus harmonisch miteinander und unglaublich sympathisch. Mit den Ganymede-Düften haben sich Barrois und Bisch einmal mehr dem Thema Leder angenommen und dieses auf zweierlei Art und Weise interpretiert.
Ganymede Extrait besteht aus den Duftnoten Immortelle (Italienische Strohblume), Weihrauch, Myrrhe, Safraleine, Hölzer und Mandarine. Es soll „ein würziger und heißer Lederduft“ sein. „Eine Düne, bedeckt mit Immortellen, umspült von den Untiefen desselben Ozeans wie Ganymed“ so Marc-Antoine Barrois, Gründer und künstlerischer Leiter des Dufthauses.
Brennende Dünen
Opulent startet Ganymede Extrait in den Duftverlauf. Immortelle, Safraleine und Myrrhe geben sich ein olfaktorisches und intensives Stelldichein, mit üppigen, würzig-ledrigen, dunklen und kräuterig-harzigen Nuancen, die sehr präsent und dicht verwoben sind, denen aber trotz all ihrer Ausdrucksstärke eine gewisse Transparenz innewohnt. Der Weihrauch bringt eine mineralisch-rauchige Kühle in die Komposition, die mich tatsächlich an vom Wind aufgewirbelten Sand erinnert.
An ein eben erloschenes Lagerfeuer am Strand, dessen glimmende Holzreste. Rauch wird vom Wind weggetragen. Sand vermischt sich mit Asche. Die Kräuternoten der Immortelle offenbaren eine unglaubliche Haltbarkeit und bleiben lange im Duftverlauf dominierend, sorgen darüber hinaus für salzig-erdige Akzente, die die Kreation gekonnt abrunden.
Ganymede Extrait ist ein markant-holziger, ledrig-rauchiger und würzig-krautiger Duft, der sehr trocken und in meinen Augen eher kühl ist. Erdig-sandige und mineralisch-salzige Akzente nehme ich außerdem wahr, was diese sehr dicht gewebte und komplexe Komposition absolut spannend macht. Die Haltbarkeit ist außergewöhnlich, selbst nach über 24 Stunden ist der Duft auf meiner Haut noch gut wahrnehmbar – nicht mehr ganz so präsent natürlich, aber doch in hautnaher Form durchaus erschnupperbar. Man muss die eigenwilligen Nuancen der Immortelle schon mögen, wenn man Ganymede Extrait ins Herz schließen möchte. Wenn diese Voraussetzungen stimmen, dann bekommt man einen wunderbar nischigen und toll komponierten Duft, der ein Statement setzt und die große Liebe werden könnte. 🤎
Ganymede – strahlender Jupitermond
Nach dem Extrait möchte ich mich auch noch kurz dem Eau de Parfum widmen, das – wie bereits mehrfach erwähnt – ebenfalls Ganymede heißt. Kreiert wurde der 2019 lancierte Duft natürlich von Quentin Bisch und auch die Duftnoten klingen doch sehr ähnlich, wenn auch die Reihenfolge ein wenig variiert: Mandarine, Safran, Veilchen, Osmanthus, Hölzer und Immortelle (Italienische Strohblume).
Als „weichen und mineralischen Lederduft“ bezeichnet Marc-Antoine Barrois den Ursprungs-Ganymede im EdP-Format und nach dem tollen und eigenwilligen Extrait bin ich gespannt, was mich wohl nun gleich erwartet.
Ganymede wurde vom Parfümeur Quentin Bisch komponiert und macht erneut Gebrauch von wildledrigen Noten, die schon B683 zu einem wunderbaren Klassiker machten. Dieses Mal jedoch, machten sich die Künstler frei von traditionellen Vorgaben, um uns an einen anderen Ort zu bringen, hin zu einer leuchtenden und fließenden Eleganz.
Zeitlos und fließend
Die spritzig-zitrische Herbe von Mandarinenschalen sorgt für ein erfrischendes Opening, in welches sich alsbald auch schon die samtigen Pfirsichnuancen von Osmanthus und pudrig-erdiges Veilchen schleichen. Der Safran steuert dunkle, ledrige Gewürznoten hinzu, die im Zusammenspiel mit den Blüten ein wunderschönes, sandfarbenes Wildleder ergeben, das unglaublich zart, weich und geschmeidig wirkt.
Elegant und anmutig gleitet die Kreation durch den Duftverlauf und wirkt dabei sehr stilvoll, stets distinguiert. Und auch wenn man meinen könnte, dass diese Eigenschaften für eine gewisse Distanziertheit sprechen, ist Ganymede doch das genau Gegenteil. Behaglich, vertraut und umhüllend ist diese Kreation genau das Richtige für mich an diesem herbstlich anmutenden Spätsommertag. Eine zarte Immortellenwürze schillert im Hintergrund, salzig akzentuiert, mit dezenten Sand-Tendenzen, gepaart mit clean-hellen Hölzern.
Ganymede ist der leise und kontemplative Bruder von Ganymede Extrait, ein wunderschöner, pudrig-samtiger und krautig-würziger Wildlederduft, der mir außerordentlich gut gefällt. So sehr ich die Ecken und Kanten, die Ausdruckskraft und Eigenwilligkeit des Extraits bewundere, so sehr liebe ich aber doch einfach Düfte mit tollen Wildledernoten. Beide Kreationen aus dem Hause Marc-Antoine Barrois sind einmal mehr ein Beweis für die meisterhaft-künstlerische Zusammenarbeit zwischen dem Couturier Barrois und dem Parfümeur Bisch, zwei, die sich gefunden zu haben scheinen und uns mit Düften verwöhnen, die zeitlos, modern und einzigartig sind. Absolute Testempfehlung für alle, die beiden Kompositionen von noch nicht kennen! ❤️
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