Headspace gelingt der Spagat zwischen schlichtem, unauffälligem Design und kunstvollen, modernen und versiert gemachten Düften. Kein Wunder, denn hinter der Marke stecken bekannte Größen der Nischenparfümerie.
Die Marke erreichte unseren Shop vor einiger Zeit und fiel mir gleich wegen ihres minimalistischen Designs auf. Von wem es stammt, dazu gleich mehr. Der Text bleibt vage und spricht von einer französischen Marke, „die das Unfassbare einfängt und in Düfte übersetzt“. Düfte, die Emotionen und Momente festhalten; das ist die obligatorische Selbstbeschreibung fast jeder Parfummarke. Interessant wird es jedoch, als der Anspruch formuliert wird:
Das Leben neu erfinden. Die Welt in all ihren Facetten in einem Parfum festhalten. Der Traum eines jeden Parfümeurs.
Was ist mit Headspace gemeint?
- Eine spezielle Technik, die es ermöglicht auch den Äther um einen Stoff einzufangen, wie frischen Sommerregen oder Morgentau auf Rosenblättern – das olfaktorische Porträt einer Atmosphäre.
- Ein mentaler Ort, von dem die Fantasie entspringt.
Die Headspace-Technologie wird im Deutschen auch Dampfraumanalyse genannt. Zu ihren Pionieren gehörte der Schweizer Chemiker Roman Kaiser. Die Idee dahinter war, flüchtige Moleküle einzufangen, die mit den herkömmlichen Verfahren nicht zu fassen waren. Grob gesagt wird das Objekt der Begierde unter eine luftdichte Glaskuppel gesetzt, es werden Gase eingeleitet oder ein Vakuum erzeugt. Die dabei aufgefangenen Moleküle werden dann z. B. mittels Gaschromatografie oder Massenspektrometrie analysiert. Auf Basis dieser Ergebnisse kann dann der Duft nachgebaut werden.
Die Aromahersteller haben dieses und ähnliche Methoden unter folgenden Begriffen patentiert, die Parfüminteressierten immer wieder einmal unterkommen: Aromascope (Takasago), Jungle Essence (Mane), NaturePrint (Firmenich), ScentTrek (Givaudan) und Living Flower (IFF).
Ich bin gespannt, was Headspace aus diesen Möglichkeiten gemacht hat.
Die Köpfe hinter Headspace
Hinter der Marke steckt Nicolas Chabot, den wir vom Relaunch der historischen Marke Le Galion sowie von ÆTHER kennen. Teil des Teams ist der Designer Jules Dinand, Enkel des bekannten Flakondesigners Pierre Dinand, der sich bei den Headspace-Flakons von den unzähligen Fläschchen auf den Arbeitsplätzen der Parfümeure inspirieren ließ. Zu diesen gehören hier die Ropion-Schülerin Fanny Bal, Nicolas Beaulieu, Caroline Dumur, Julien Rasquinet und Miroslav Petkov. Der Filmemacher Thomas Vanz sorgt für das filmische Konzept.
Santal – der Schutzschild
Los geht es also. Die Namen lassen keine Zweifel offen, um welche Hauptingredienz es jeweils geht. Santal wird sich also aller Voraussicht nach um das Sandelholz drehen. Die Kreation von Julien Rasquinet beginnt überraschend süß mit fruchtigen, leicht likörigen Noten, die von herrlichem, feinem Safran begleitet werden. Sandelholz zeigt sich hier balsamisch weich und samtig holzig. Es sind nur behutsame Akzente, die die weiteren Noten Rose, Weihrauch, Patschuli und Vetiver setzen. Keine von ihnen drängt sich nach vorne. So wirkt Santal harmonisch, modern und wie aus einem Guss. Überraschend leicht und unbeschwert, ein Kokonduft für schwierige Tage.
Die Noten von Santal
Rote Früchte, Safran, Sandelholz, Rose, Weihrauch, Patschuli, Vetiver
Absinthe – die grüne Fee in Leder
Ein (noch) nicht ganz so klassisches Thema wie Sandelholz ist der Absinth. Auch wenn es bereits einige Kreationen gibt, die sich mit dieser berüchtigten Spirituose auseinandersetzen, wie etwa Nasomattos Absinth oder Fou d’Absinthe von L’Artisan Parfumeur. Nicolas Beaulieus Absinthe beginnt krautig und grün mit Wermut und Veilchenblättern. Daraufhin dreht das Grüne ins Wässrig-Grünstielige, wofür die Narzisse verantwortlich sein könnte. Wie bei Santal nimmt die Basis nicht so richtig Fahrt auf, ein wenig Leder, ein wenig Rauch setzt feine Nuancen, mehr aber nicht. Absinthe ist kein Abbild des Getränks, eher ein Veilchenblätterduft mit wässrigem Charakter und Lederfinish. Ein absolut tragbarer und alltagstauglicher Unisexduft. Gefällt mir sehr gut.
Die Noten von Absinthe
Wermut, Veilchenblätter, Narzisse, Patschuli, Vetiver, Leder, Styraxharz
Tubereuse – kühl, aber versöhnlich
Tubereuse, ebenfalls von Beaulieu, ist der nischigste der bisherigen Düfte. Eine echte weißblühende Tuberose, die dank grüner Noten von Galbanum und Schwarzer Johannisbeere auch an eine narkotische Lilie erinnert. Kühl, fast kalt ist sie, und erinnert mich an Nuit de Bakélite von Naomi Goodsir, die meines Erachtens aber ein ganzes Stück exzentrischer ist. Auf der Haut und im weiteren Duftverlauf lässt die Kühle nach und der Duft klingt cremig und holzig aus. Diese Tuberose ist keine Femme fatale wie andere ihrer Gattung, sondern zeigt sich geradezu versöhnlich.
Die Noten von Tubereuse
Galbanum, Tuberose, Schwarze Johannisbeere, Zedernholz, Tabak, Bourbon-Vanille
Headspace Teil I – Fazit für heute
Mein Favorit ist bisher Absinthe – die Kombination aus grünen Noten und Leder hat mich überzeugt. Die beiden anderen sind auf jeden Fall einen Riecher wert. Dank ihrer modernen und schlichten Komposition dürften sie auch bei vielen Gefallen finden. Ich freue mich in Teil II auf die restlichen vier Düfte Styrax, Myrrhe, Sauge und Genievre.
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