Dritter und letzter Teil des Interviews mit Jean-Pierre Marois, dem Gründer von Les Bains Guerbois, in welchem wir uns der jüngsten Kollektion der Marke und ihrer Neulancierungen widmen dürfen. Teil I und Teil II könnt Ihr hier und hier nachlesen. Viel Spaß beim Schmökern!
Magst Du uns von Deiner neusten Kollektion erzählen?
Die neueste Kollektion heißt Formes et Matières, was so viel bedeutet wie „Formen und Materialien“. In unseren Kollektionen dreht sich alles um das Haus und sein 140-jähriges Bestehen. Es gibt zwei Möglichkeiten, es zu betreten. Der eine ist durch die Zeit. Wie eine Zeitkapsel, aber ich möchte betonen, dass wir keine Vintage-Marke sind, denn unsere Düfte sind sehr modern und greifen eine Art Proust’scher Emotionen und Erinnerungen auf. Es sind Reisen durch die Zeit, aber auf eine sehr zeitgenössische Art und Weise.
Wir haben beispielsweise mit Jérôme Epinette zusammengearbeitet, der 1900 L’heure de Proust kreiert hat und ein Superstar unter den Parfümeuren ist. Seine Interpretation von 1900 L’heure de Proust ist kein Belle-Epoque-Duft, sondern ein sehr moderner Duft. Wenn wir dem Kunden sagen, dass es sich um einen Duft über das Jahr 1900 handelt, über die Belle Epoque in Paris, dann haben sie eine bestimmte Vorstellung, aber andererseits ist der Duft so modern, dass sie völlig fasziniert sind. Die erste Kollektion Une date, une histoire ist also eine Zeitreise mit einer zeitgenössischen Note.
Und Formes et Matières?
In der zweiten Kollektion geht es darum, denselben Ort zu besuchen, der jetzt ein spektakuläres, wunderschönes, 3.500 m2 großes Gebäude und 5-Sterne-Hotel im Herzen von Paris ist. Die Besichtigung erfolgt hier durch die Stoffe, die Muster und die Materialien, die dort vorhanden sind. Einige Materialien sind 140 Jahre alt, andere sind 5 Jahre alt. So wie einige unserer Düfte von Musik inspiriert wurden, wie zum Beispiel 1979 New Wave, oder von einem Cocktail wie 2018 Roxo Tonic, der von unserer preisgekrönten Cocktailbar im Hotel handelt, wurden die Düfte von Formes et Matières von Stoffen inspiriert. Kann ein Muster oder ein Stoff eine Emotion hervorrufen und in einen Duft verwandelt werden? Das war unsere Herausforderung.
Damier heißt einer der Düfte …
Genau. Bei Damier haben wir zum Beispiel mit Fanny Bal zusammengearbeitet. Als Philippe Starck den Nachtclub entwarf, schuf er eine schwarz-weiß karierte Tanzfläche. Das ist so ikonisch. Jeder Superstar hat diese Tanzfläche betreten. Erst vor zwei Jahren kam Mick Jagger und tanzte dort bis 2 Uhr morgens auf dieser Tanzfläche, genau wie vor 30 Jahren im Les Bains Douches. Das Schachbrett ist so einzigartig, dass es sich auch auf der Verpackung der Parfums wiederfindet.
Doch wie setzt man das in einen Duft um? Ich verrate es: Wir haben nur schwarze und weiße Zutaten verwendet. Wenn man einem Kunden erzählt, dass ein Meisterparfümeur diesen legendären Boden an diesem legendären Ort nur mit schwarzen und weißen Zutaten eingefangen hat, kann man sehen, wie das Gesicht des Kunden aufleuchtet und er sehr neugierig wird. Und dann riecht man den schwarzen Pfeffer, der natürlich gerade sehr in Mode is. Aber wir waren der Zeit voraus, denn die Verwendung des Schwarzen Pfeffers wurde bei uns vom Konzept diktiert und nicht vom Trend. Wir lagen also genau richtig mit einem unglaublichen Duft, mit Pfeffer, Iris, weißen Blumen und einem milchigen Duft.
Und die zweite Kreation?
Der andere ist Oud Laqué. Ich habe für den Umbau des Hotels einen bekannten Innenarchitekten eingestellt, mittlerweile ist er ein Superstar. Sein Name ist Tristan Auer und er hat die privaten Inneneinrichtungen für Mick Jagger oder François-Henri Pinault gemacht, der Besitzer von Gucci und Saint-Laurent, dessen Pariser Haus Auer eingerichtet hat.
Wir haben im Hotel eine Menge wertvoller Hölzer verwendet, die auf einzigartige Weise lackiert sind. Es ist eine Lackschicht, die das Holz fast in einen Spiegel verwandelt. Jeder, der in unserem Hotel wohnt, sagt: „Oh mein Gott, dieses lackierte Holz ist unglaublich!“ Also haben wir einen Oud-Duft kreiert und ihn Oud Laqué genannt. Inspiriert wurde er von all den lackierten Holzpaneelen im Hotel. Es war Mathieu Nardin, der den Duft kreiert hat, und er hat wirklich eine andere Art von Oud gemacht, glauben wir. Er ist langanhaltend und kraftvoll, aber viel subtiler als das, was sonst auf dem Markt ist.
Und bald kommt noch ein dritter Duft auf den Markt.
Ja, wir freuen uns sehr im Oktober den dritten Duft der Kollektion auf den Markt zu bringen, er heißt Raku. Raku ist eine Art von Keramik, die in Japan hergestellt wird. Wenn man sich die Bilder des Nachtclub Les Bains Douches und die Prominenten ansieht, sieht man im Hintergrund meistens weiße Kacheln, die mit blauen umrandet sind. Wir haben Bilder von David Bowie oder Mick Jagger oder Karl Lagerfeld vor diesen weißen und blauen Fliesen. Und die Fliesen sind immer rissig. Damals war es in Frankreich sehr beliebt, die Kacheln in den Ofen zu schieben, wo sie so heiß wurden, dass sie Risse bekamen. Das gibt den Fliesen eine sehr schöne und besondere Textur. Wir dachten also, dass diese rissigen Kacheln sehr charakteristisch für den Ort sind.
Und Tristan Auber sagte, dass es in Japan diese Technik gibt, die eigentlich die gleiche ist, aber mit viel dramatischerem Ergebnis. Mit Rissen in verschiedenen Kontrasten. Er schlug vor, die Bar im Nachtclub und die Tische mit diesen Fliesen zu gestalten. Also entwarf er die Tische und die Bar, und wir ließen Raku-Kacheln extra nach Maß anfertigen. Der Duft hat damit zu tun und Du wirst sehen, es ist eine unglaubliche Feigenkomponente, irgendwie milchig und weich. Ich glaube, es wird ein großer Erfolg werden.
Gab es einen Duft, der für Dich besonders herausfordernd war?
Die Geschichte des Hauses ist so mächtig, dass wir noch zehn weitere Düfte herausbringen können, mit zehn Jahreszahlen und zehn unglaublichen Geschichten, und das werden wir auch. Aber ich war wirklich daran interessiert, den Ansatz und den Blickwinkel zu ändern, weg von der zeitlichen Ebene hin zu der materiellen. Formes et Matières war eine große Herausforderung. Das ganze Konzept, der Ansatz. Für mich ergab es einen Sinn, weil es eine gegenwärtige Erfahrung des Jetzt ist, ein Erleben des Ortes, so wie er jetzt da ist. Ich hielt das für einen interessanten Ansatz, aber es ist eine Sache, darüber nachzudenken, und eine andere, es in die Tat umzusetzen. Das war also eine große Herausforderung und ich hatte echt Angst.
Aber es hat funktioniert.
Ja, wir mussten etwas mit diesem unglaublichen Schachbrett machen, das wir auf den Schachteln und auf dem Logo unter Bacchus haben. Es war es von Anfang an Teil von uns und ich wollte, dass es Teil unserer Identität wird. Also sagte ich: „Okay, wir müssen einen Duft mit diesem Schachbrettmuster kreieren, und wir schufen Damier. Das war eine große, eine unglaubliche Herausforderung. Als wir beim Brainstorming auf die Idee kamen, nur weiße und schwarze Zutaten zu verwenden, wusste ich sofort, das war es. Dann wurde es für Fanny eine Aufgabe, diese Duftnoten zu kombinieren und die richtigen auszuwählen, da es nur zwei Farben gibt. Das war aufregend.
Lieber Jean-Pierre, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast.
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