David Frossard war hier im Duft-Tagebuch schon in mit mehreren Nischenduftmarken zu Gast. Er gründete das Dufthaus Frapin und später dann Les Liquides Imaginaires mit Philippe di Méo. Düfte beider Labels haben wir hier bereits rezensiert, ich verlinke Euch die Beiträge mal hier und hier. Im letzten Jahr durfte ich Euch die Kollektion von Obvious Parfums vorstellen (nachzulesen hier), eine Marke, der sich David Frossard momentan voll und ganz widmet.
Passend zum heutigen Interview möchte ich Euch morgen die neuste Kreation von Obvious Parfums vorstellen, der auf den überaus verlockenden Namen Une Figue hört. Ihr wisst sicher, dass ich ein großer Fan von Feigendüften bin und jeder Neuzugang in dieser Duftfamilie wird von mir mit großer Spannung und hohen Erwartungen empfangen. Heute allerdings soll es zuerst einmal um das Label und dessen Gründer gehen.
Herzlich willkommen im Duft-Tagebuch: David Frossard! 🙂
Lieber David, kannst Du uns ein bisschen zu Deinem Hintergrund erzählen und wie Du in die Welt der Parfums kamst?
Ich habe fünf Jahre lang Philosophie an einer französischen Universität studiert und wollte Philosophielehrer werden. Dann begann ich einen Studentenjob, ein paar Stunden am Tag, in einem Lager für Parfums und nach sechs Monaten bot man mir eine Stelle als Parfumverkäufer in Afrika an. Diesen Job lehnte ich wegen meines Philosophiestudiums zunächst ab. Aber nachdem ich nochmal darüber geschlafen hatte, nahm ich dann doch an, um mich auf das Abenteuer einzulassen und ein pragmatisches Leben statt eines theoretischen zu führen. Das war mein erster Schritt in die Welt der Parfums.
Du hast bereits die Dufthäuser Frapin und – zusammen mit Philippe di Méo – Les Liquides Imaginaires gegründet. Was hat Dich schließlich dazu bewogen, Obvious Parfums zu gründen?
Nun, ich denke, es ist eine Frage des Egos. Als ich vor mehr als zehn Jahren Frapin gründete, sah ich mich selbst nicht als „Schöpfer“. Also habe ich die „art de vivre”, die Kunst zu Leben, von Frapin angenommen und meine Kreativität in den Dienst der DNA von Frapin gestellt. Als ich Philippe traf und wir beschlossen, gemeinsam Liquides Imaginaires zu gründen, stellte ich mein Wissen in den Dienst seiner Kreativität.
Vor kurzem habe ich die Mehrheitsbeteiligung an Liquides Imaginaires verkauft und fühlte mich frei, ohne die Grenzen von Liquides oder Frapin etwas Eigenes zu schaffen. Nach 25 Jahren Arbeit für Penhaligon’s, L’Artisan Parfumeur, Byredo, Juliette has a Gun, Atelier Cologne, Memo, Parfums de Marly und BDK fühle ich mich nun legitimiert, meine eigene Vision einer Parfummarke zum Ausdruck zu bringen; eine Vision einer Marke, die weniger prätentiös ist, die näher am Kunden ist, die keine komplexen Geschichten erzählt und die sich um den Planeten kümmert … Ich dachte, es wäre offensichtlich, das zu tun, und so entstand der Name Obvious (Anm. d. Red.: Englisch für „offensichtlich“) …
Was sind die Werte der Marke und der Düfte?
Meine Zielsetzungen für Obvious sind sehr gering und gleichzeitig sehr hoch. Gering, weil wir Parfümeure keine Lebensretter sind, wir sind keine Ärzte oder Wissenschaftler, und wir sollten nicht so tun, als wären wir so wichtig. Aber gleichzeitig haben wir selbst während dieser Pandemie gesehen, dass unsere Kreationen den Kunden Freude bringen können.
Wir wollen Schönheit und Freude bringen, und um das zu tun, sind unsere Werte Einfachheit, Ehrlichkeit, Sorge für den Planeten und die Kunden, indem wir eine zu 98 % recycelbare Verpackung, einen „Saft“ aus den besten natürlichen Zutaten und synthetischen Molekülen aus „grüner Chemie“ (die recycelbar ist) herstellen, und das alles verdünnt in einem organischen Alkohol. Die Zutaten von Obvious sind zu 100 % europäisch und werden zu 100 % in Frankreich hergestellt.
Was macht Obvious Parfums in Deinen Augen besonders und was macht die Düfte einzigartig?
Ich habe die Düfte mit dem einzigen Ziel entwickelt, dem Träger oder der Trägerin Freude zu bereiten. Die Düfte sind einfach und elegant; ich glaube, dass Luxus mehr mit großer Einfachheit als mit falscher Komplexität zu tun hat.
Was genau ist für Dich der Luxus in der Einfachheit und umgekehrt?
Einfachheit ist Ehrlichkeit. Man kann nichts verbergen oder vortäuschen, wenn man direkt ist. Mit Obvious hat man ein großartiges Parfüm zu einem fairen Preis, das die eigene Persönlichkeit und den Planeten respektiert.
Woher nimmst Du die Inspirationen für neue Düfte?
Die schönsten Momente meines Lebens verbringe ich in der Natur, beispielsweise beim Baden im Meer oder beim Schlafen unter den Sternen am Lagerfeuer. Diese privilegierten Momente sind meine Inspiration für die Kreationen von Obvious.
Deine neueste Kreation Une Figue ist eine Hommage an die Feige. Kannst Du uns etwas über den Duft und seine Entstehung erzählen? Wie hebt er sich von anderen Feigendüften ab?
Die Feige ist die Lieblingsfrucht meines Vaters. Ich wollte einen Feigenduft kreieren, aber nach L’Artisan Parfumeur (Anm. d. Red.: Premier Figuier) und Diptyque (Anm. d. Red.: Philosykos) oder Colette 34 (Anm. d. Red.: von Le Labo) war es nicht so einfach, anders zu sein. Ich besuchte einen Freund auf Korsika, der ein Weingut betreibt, und er hatte einen erstaunlichen Feigenbaum in seinem Weinfeld.
Er erklärte mir, dass es auf Korsika eine alte Tradition ist, einen Feigenbaum in die Weinfelder zu setzen, um das überschüssige Wasser loszuwerden. Denn, wie er sagte: „Der Feigenbaum mag es, seinen Fuß im Wasser und seinen Kopf in der Sonne zu haben“. Ich liebte diesen Satz und beschloss, einen Feigenduft mit salzigem Wasser zu kreieren und wenn er trocknet, hinterlässt er einen Sonnenschutzeffekt dank korsischer Immortelle, die wir in dieser Kreation verwendet haben. Dieser Duft ist grün, angenehm, frisch und warm wie ein langer sonniger Tag im Frühling.
Bist Du auf eine Deiner Kreationen besonders stolz?
Ich liebe Un Musc. Es ist das perfekte Beispiel für einen Obvious-Duft: einfach, anders, elegant und schlicht! Aber ich liebe auch die Tatsache, dass man alle Obvious-Düfte miteinander kombinieren kann, um seine eigene Signatur zu kreieren!
Wie hat sich die Welt der Nischendüfte in Deinen Augen in den letzten Jahren verändert?
Nun, nicht so gut … die Preise sind auf über 200 Euro gestiegen und das Marketing hat sich verlagert, um den Märkten im Nahen Osten und in den USA zu gefallen. Das Storytelling wird immer komplexer und inhaltsloser, die Marke hat immer weniger zu sagen und es gibt immer mehr Verpackungen – wie etwa riesige Schachteln, Beutel oder sogar Matrjoschka-Schachteln –, die nicht ökologisch sind. Die Düfte sind extrem mächtig, weil sie verstanden haben, dass man Kraft zeigen muss, um teure Düfte zu verkaufen. Aber ich denke, es ist das Gegenteil von Eleganz, die raffiniert und zugleich einfach ist … Obvious ist meine Antwort auf diese Trends, die ich nicht mag, und verkörpert das genau Gegenteil derer.
Lieber David, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast.
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