L’Heure Verte aus dem Hause Kilian liegt schon etwas länger in meiner Pröbchenbox und wartet sehnsüchtig darauf, endlich von mir rezensiert zu werden. Diesen Wunsch möchte ich dem Eau de Parfum nicht länger abschlagen, auch, weil ich es schon des Öfteren in den Händen hielt, um dann – sorgfältig abwägend – doch einer anderen Kreation den Vortritt zu lassen. Doch heute soll es so weit sein, L’Heure Verte bekommt seine olfaktorische Bühne hier im Duft-Tagebuch und wird mich und Euch hoffentlich verzücken
Das Dufthaus selbst sollte den meisten von Euch ein Begriff sein. Da wir aber auch immer wieder Neuleser hier begrüßen dürfen, möchte ich zumindest ganz kurz einen Überblick darüber geben, mit wem wir es hier zu tun haben. Die Marke Kilian wurde von Kilian Hennessy gegründet, dessen Großvater die berühmte LVMH-Gruppe gründete, die wie kaum etwas anderes für Luxus pur steht. Über siebzig Marken gehören zu besagter Gruppe, aus unterschiedlichsten Branchen und Bereichen, jedoch stets überaus exklusiv und elitär. Begonnen hat alles im 18. Jahrhundert mit dem Hennessy-Cognac. In den 1970ern und 1980er fusionierte Hennessy mit der Champagnermarke Moët & Chandon sowie dem Luxusmodelabel Louis Vuitton, was die Geburtsstunde der LVMH-Gruppe darstellte.
L’Heure Verte – The Liquors Collection
L’Heure Verte gehört zur Kollektion The Liquors, die sich – man könnte es bereits erraten – um Düfte rund um alkoholische Getränke der hochprozentigen Art handelt. Zwei der Hübschen habe ich Euch bereits vorgestellt, nämlich die beiden Eaux de Parfum Angels’ Share und Roses on Ice (nachzulesen hier). Die Nähe der Marke zu Schnappes ergibt sich bereits durch die Unternehmensgeschichte und auch Kilian Hennessy scheint eine Vorliebe für luxuriöse wie leckere Drinks zu haben, denn anders kann man sich diese Hommage an das Hochprozentige kaum erklären. 😉
Die Kreation L’Heure Verte – übersetzt „die grüne Stunde” – dreht sich um das In-Getränk der Intellektuellen und der Boheme des 19. Jahrhunderts: Absinth. Der Wermutschnaps wurde als Inspirationsquelle und Muse von Künstlern und Schriftstellern angesehen und so manches Glas zu Zwecken der Eingebung gehoben. Doch nicht nur in intellektuellen Zirkeln war der leuchtend grüne Schnaps beliebt.
In Paris und anderen Großstädten war es bereits Mitte des 19. Jahrhunderts en vogue, bereits am Nachmittag ein Gläschen Absinth in einem Café oder einem Bistro zu konsumieren. Die Zeit zwischen 17 Uhr und 19 Uhr war schnell als „grüne Stunde“, als „L’Heure Verte“ in aller Munde. Nachdem der übermäßige und regelmäßige Genuss der Spirituose aber zu merklichen Ausfallserscheinungen und körperlichen Beeinträchtigungen führte – was dem in Wermut enthaltenen Nervengift Thujon zugesprochen wurde –, wurde Absinth Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich verboten.
Die duftende Absinthinterpretation aus dem Hause Kilian wurde von dem Parfümeur Mathieu Nardin aus den Ingredienzien Patchouli, Hölzer, Vetiver und Sandelholz geschaffen. Bei der Kreation arbeiteten Nardin und Kilian zum ersten Male zusammen. Ich bin gespannt, wie das Ergebnis der Kollaboration duftet.
Eine Ode an den Absinth – L’Heure Verte
Direkt nach dem Aufsprühen nehme ich auf Haut und Papier einen zarten und kühlen Anisduft wahr, der leicht, luzide und transparent ist, aber doch präsent. Ich bin begeistert von der Feinheit und dem sanften Duft, der mich tatsächlich an eben jene hochprozentigen Getränke aus der Liga von Absinth, Pernod und Pastis erinnert, ohne dabei die Schärfe des Alkohols in sich zu tragen, der den Asinée trotz Verdünnung mit Wasser ja gerne innewohnt – meinem Empfinden nach jedenfalls.
Nein, L’Heure Verte aus dem Hause Kilian ist sanft, weich und rund wie ein edler Cognac – nur eben als Absinth. Krautig und grünlich, von würzigen Nuancen untermalt und mit einer holzig-warmen Süße unterlegt. Patchouli und Sandelholz zeigen sich hier, ebenso wie der besagte Vetiver. In Kombination mit der zarten und auch im weiteren Duftverlauf deutlich wahrnehmbaren kühlen Absinthnote, ergibt sich hier für mich eine edle und absolut stimmige Hommage an den inspririerenden Schnaps mit der grünen Fee.
Auch wenn ein Glas Absinth einen durchaus umhauen kann, L’Heure Verte tut dies nicht – zumindest nicht in Bezug auf seine Präsenz und Intensität. Denn das Eau de Parfum bietet wohldosierte Beduftung und ist eher fein und vornehm-zurückhaltend als allzu üppig. Eine Kreation mit würzig-grünen Kräuternoten, einer richtig schönen, nicht zu süßen Wärme und sanften Anisfacetten on top, die nicht nur bei Fans des Dufthauses Kilian gut ankommen dürfte. Ich für meinen Teil bin sehr angetan, weil es sich tatsächlich mal um etwas anderes handelt, als man es gemeinhin gewohnt ist. Trotz aller Außergewöhnlichkeit tritt L’Heure Verte aber stets so distinguiert, stilvoll und elegant auf, dass man den Duft guten Gewissens als jahres-, alters- und gelegenheitsunabhängigen Allrounder bezeichnen könnte. Mein Tipp – nicht nur für Absinth-Freunde: unbedingt testen! 🙂
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