Erst vor wenigen Wochen trudelte De Los Santos von Byredo bei Aus Liebe zum Duft ein und seither scharre ich schon mit den Hufen vor lauter Vorfreude, was mich hier wohl rezensiontechnisch erwarten mag. Es ist noch gar nicht so lange her, da haben mich Mumbai Noise, Mixed Emotions und Lil Fleur verzaubert (nachzulesen hier), heute nun also der Duft mit dem klangvollen spanischen Namen De Los Santos.
Ein spanischer Name also. De Los Santos bedeutet auf Deutsch „von den Heiligen“ und spielt damit nicht nur auf den „Día de los Muertos“ an, den in Mexiko zelebrierten Tag der Toten, sondern auch auf Allerheiligen, dem christlichen Feiertag zu Ehren der Heiligen. Gleichzeitig huldigt das Eau de Parfum auch der Kultur der spanischsprachigen Einwanderer in die USA, den ganz eigenen Stil der Latinas, ihre Schönheit und Lässigkeit.
De Los Santos wurde nach einer Zeit des Verlustes entwickelt und ist ein Duft, der Erinnerungen beschwören, die Vergänglichkeit anerkennen und das Leben feiern soll. Als Hommage an die Traditionen des südamerikanischen „Día de los Muertos“ und Allerheiligen ehrt er die hilfreiche Kraft des Zusammenkommens in kollektiven Zeremonien und verwandelt den Duft in ein neues Ritual des Erinnerns.
Ben Gorham lässt sich für seine Duftkompositionen häufig von seinem eigenen Leben, seinen Erfahrungen, seiner Kindheit inspirieren. Inspirationsquelle für De Los Santos soll „eine Zeit des Verlustes“ sein, der Gorham darüber nachdenken ließ, wie unterschiedliche Kulturen mit dem Abschiednehmen zurechtkommen und es verarbeiten. Während Allerheiligen ja eher ein gediegen-sakrales Fest ist, leiser Feiertag ist, ist der Día de los Muertos das komplette Gegenteil.
Kurz und knapp: Día de los Muertos
Der Tag der Toten ist ein Festtag oder besser: Es sind Festtage, denn die Feierlichkeiten ziehen sich über mehrere Tage hinweg. Friedhöfe und Gräber werden ebenso aufwendig und bunt geschmückt, ebenso wie Straßen und Häuser. Üppig verzierte Skelette und Totenschädel sind klassische Deko-Elemente des Día de los Muertos, die nicht nur Räumlichkeiten, Grabstätten und Gesichter schmücken, sondern auch den Essensteller in Form von Marzipan, Zucker oder Schokolade und vielem mehr.
Die Tradition besagt, dass die Toten ihren Familien am Día de los Muertos einen Besuch abstatten. Das Volksfest beginnt am Abend des 31. Oktober und endet um Mitternacht am 2. November, wenn die Toten langsam wieder ihren Rückweg ins Jenseits antreten, wo sie bis zum kommenden Jahr bleiben.
Der Abschied wird auf den Friedhöfen an den Gräbern gebührend gefeiert, mit lauter Musik, mannigfaltigen Speisen, fröhlichem Tanz und guter Laune. Wie unterschiedlich doch der Umgang mit den Verstorbenen in verschiedenen Kulturen ist und umso verständlicher, dass Ben Gorham, der ja laut Pressetext selbst unter einem nicht näher benannten Verlust zu leiden scheint, von der divergierenden Herangehensweise an die Art des Abschiednehmens fasziniert war.
De Los Santos – Von den Heiligen
Den Parfümeur von De Los Santos kann ich Euch bisher noch nicht gesichert nennen. Bisher war ja gerne Jérôme Epinette kreativ am Werke für Byredo, doch mag sich das ja zwischenzeitlich geändert haben. Man weiß ja nie! Eine Anfrage läuft, daher hoffe ich, dass ich da bald mehr weiß. Aber die Duftnoten habe ich vorliegen, nämlich Muskatellersalbei, Mirabelle, Palo Santo, Labdanum (Zistrose), Iris, Ambroxan und Moschus.
Tanz um den Salbei
De Los Santos beginnt mit einer überraschend grün-herben und krautig-waldigen Salbeinote, dem eine aromatische Schärfe und eine zarte Süße innewohnt. Palo Santo bringt hell-holzige Rauchakzente mit in die Kreation, die von sanft-lieblicher Mirabellenfruchtigkeit untermalt wird. Im Zentrum des Dufts steht allerdings immer noch jenes kühle, erfrischende Grün des Muskatellersalbeis, das sich schließlich ganz allmählich besänftigt.
Die cremigen Nuancen feinster Iris und watteweichem Ambroxan puffern die würzig-aromatischen Kräuterfacetten ab und sorgen für Leichtigkeit und Transparenz. Im Ausklang erinnert mich De Los Santos an die herben Wassernoten von Grüntee, bevor das Eau de Parfum ganz langsam ausklingt.
Wer Salbei mag, könnte De Los Santos aus dem Hause Byredo lieben. Ein spannender Auftakt aus kühlen, frischen und grünen Kräutern, zu dem sich nach und nach holzig-rauchige und cremig-moschusartige Facetten gesellen. Ein sommerlich-ruhiger Duft, der ohne größere Süße und üppiges Blütenbouquet auskommt, der sich voll und ganz auf die entspannte, fast schon asiatisch anmutende Gelassenheit grüner Noten stützt. Mit Erfolg! Eine außergewöhnliche Unisex-Kreation, die aber dennoch absolut alltags- und bürotauglich ist. Ein Immergeher, der zu jeder Gelegenheit und jedem Alter passt. 🙂
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