Im zweiten und letzten Teil unserer Rezensionsreihe zu der niederländischen Marke Atelier Vesper widmen wir uns den drei Kompositionen Aestas, Esencia und Elea. Wie wir gestern bereits erfahren durften (nachzulesen hier), ist das Dufthaus um das Gründergeschwisterpaar Erik und Kristel van Dalen und den befreundeten Marco Ouwerkerk bemüht, seinen Kunden hochwertige und luxuriöse Kreationen zu einem fairen Preis anzubieten und lieber Gutes zu tun, als das Budget ausschließlich für Werbung auszugeben. Die eigens gegründete Vesper Foundation unterstützt zwischenzeitlich drei ausgewählte Projekte zur Wiederaufforstung, zum Schutz der Nordsee und zur Flüchtlingshilfe.
Drei Eaux de Parfum sind nun also noch unrezensiert von der fünfdüftigen Kollektion der Niederländer und diesen möchten wir uns auch gleich widmen. Der Parfümeur hinter den Kreationen möchte ungenannt bleiben, auch wenn er auf eine langjährige Karriere in der Parfümerie zurückblicken kann. Seine Hingabe und sein Talent, wunderschöne Duftkompositionen zu erschaffen, war bei Badawï und Ēdhen bereits deutlich wahrnehmbar und so freue ich mich ungemein auf drei weitere hoffentlich außergewöhnliche Parfums.
Aestas – sommerliche Stimmung
Es wird freundlich, hell und sonnig mit Aestas, denn der Duft dreht sich um den Sommer. Das lateinische Wort für eben jene warme Jahreszeit verspricht eine frische und sonnig anmutende Kreation, die sich um einen frühsommerlichen Morgen dreht, umgeben von wilden Blumen und Gräsern. Eine Wäscheleine scheint quer über die Wiese gespannt zu sein, denn der Duft frisch gewaschenen Textilien soll dem Duft auch innewohnen.
Duftnotentechnisch wird es durchaus sommerlich: Neroli, Veilchen, Minze, Geranium, Safran, Vetiver, Moschus, Kaschmirholz und Sandelholz sind die Zutaten dieses Eau de Parfums aus dem Hause Atelier Vesper.
And the living is easy
Stolz und prächtig erblüht der Neroli im Auftakt von Aestas. Sehr hell, betörend und von zart-würzigen Orangennoten unterlegt und von einer dezenten Minzkühle untermalt, ist Neroli ohne Zweifel der Star des Auftakts. Ein Protagonist, der nach Sommer duftet, der üppig, berauschend und strahlend ist. Das Veilchen sorgt für helle und liebliche Süße, die von einer Prise köstlichem Safran akzentuiert wird.
Ebenso hell und cremig anmutend ist der Vetiver, dessen zart-erdige Nuancen fast schon an eine pudrige Iris denken lassen. Auch wenn die exotische Gräserwurzel sonst gerne anders geartet ist, in Aestas sorgt sie für eine gewisse Saubernote, die von luzidem Moschus gestützt wird. Kaschmirholz und Sandelholz evozieren das olfaktorische Bild eines seidenweichen Stoffes, der von den Strahlen der Sonne erwärmt und getrocknet wird.
Aestas ist ein leuchtender und heller, ein sommerlicher und sonniger Blütenduft, in dem Neroli eindeutig die Hauptrolle spielt. Kein quietschfiedeler Geselle, aber ein optimistischer, positiver und ruhiger Duft, den ich persönlich eher als feminin einstufen würde, da die weißen Blütennoten doch sehr prägnant sind. Ideal für Frühling und Sommer und – für alle mit einem Faible für üppige florale Düfte durchaus auch in Freizeit und Alltag tragbar. Ich sehe mich mit dem Duft an einem lauen Sommernachmittag auf der Terrasse sitzen, ein kühles Getränk vor mir und ein gutes Buch in den Händen … Herrlich!
Esencia – Duft der Einkehr
Die Namensherkunft von Esencia ist schnell geklärt. Der Essenz ist der Duft gewidmet. Welcher genau, das lässt Atelier Vesper mehr oder weniger offen. Die Geburtsstunde des Nischenduftlabels lässt sich laut Pressetext auf einen Augenblick in Frankreich festlegen, umgeben von einer wunderschönen Landschaft, die majestätische Essenz der Natur in sich einsaugend. Auch die Kreation der Düfte findet in Frankreich statt, im Duftmekka Grasse im Herzen der Provence.
Mit Kardamom, Bergamotte, Kumin, Muskatnuss, Rosa Pfeffer, Weihrauch, Labdanum (Zistrose), Heu, Iris, Vetiver, Sandelholz, Ambroxan, Leder und Zedernholz besitzt das Eau de Parfum eine illustre Runde an Duftnoten.
Die Essenz unseres Seins
Fast schon sakral mutet Esencia an und offenbart damit eine gewisse nachdenkliche und besinnliche Seite. Sanft seifige Nuancen treffen auf feine Gewürze. Kardamom ist nur subtil wahrnehmbar, Muskatnuss und Pfeffer zeigen sich deutlicher. Untermalt von einer dezenten Zitrusfrische, die der Kreation Leichtigkeit einhaucht. Weihrauch schwebt in hellgrauen Wölkchen durch den Duftverlauf, untermalt von den erdig-kühlen Wurzelakzenten des Vetivers und weichem Leder.
Nach und nach verliert Esencia von Atelier Vesper seine Kühle. Sanft-holzige und pudrig-cremige Noten breiten sich im Duftgeschehen aus. Ambroxan und Iris sorgen für eine fluffige, kuschelige und warme Wohlfühlatmosphäre, der nach wie vor feine ledrig-rauchige Momente innewohnen.
Esencia ist ein ruhiger, entspannter und gelassener Duft, der einen Hauch von Kontemplation, von Spiritualität in sich trägt. Dies ist sicherlich den sanften Weihrauchwölkchen geschuldet, die den Duftverlauf bestimmen. Im Gegensatz zu so manchem Vorgänger ein eher leiserer Vertreter aus dem Hause Atelier Vesper, dem ich – müsste ich mich auf eine festlegen – die Farbe Grau zuordnen würde. Kein dunkles Anthrazitgrau, sondern ein elegantes Hellgrau, ein Telegrau, um genau zu sein. Ein zeitloser und moderner, sehr eleganter Duft, der sich in nahezu jeder Situation und Jahreszeit wohlfühlt.
Elea – die Magie des Lichts
Elea soll laut Atelier Vesper „helles, strahlendes Licht“ bedeuten. Ich habe versucht, diese Bedeutung nachzuvollziehen, was mir nur bedingt gelungen ist. Zwar wird der Vorname Elea mit dem „Licht Gottes“ in Verbindung gebracht. Ansonsten konnte ich aber keinen näheren Lichtbezug feststellen, abgesehen von European Lighting Expert Association (ELEA), einer Organisation, die sich mit Licht und Beleuchtung beschäftigt. Laut Pressetext ist jedoch ein ganz besonderes Licht Inspirationsquelle für den Duft Elea: die Polarlichter im äußersten Norden, auf den norwegischen Lofoten.
Bergamotte, Grapefruit, Magnolie, Salbei, Geranium, Jasmin, Guajakholz, Szechuanpfeffer, Sandelholz, Zedernholz, Patchouli und Moschus sind die Ingredienzien, die den Polarlicht-Duft Elea ausmachen.
Faszinierendes Himmelsspiel
Wie eine kühle Winterbrise eröffnet Elea mit einer nicht näher bestimmbaren, ozonisch anmutenden Frische, der eine dezente Schärfe innewohnt. Leicht, transparent und überaus luftig wirkt die Kreation aus dem Hause Atelier Vesper – bislang ein Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Kollektion, in der sich sonst eher üppige und kraftvolle Duftkompositionen finden. Elea wirkt dagegen – und das soll überhaupt nicht negativ gemeint sein – wie ein kühler Wind, der über felsige Klippen weht, ein Wind, der den Duft von Eis und Schnee in sich trägt und zwischenzeitlich fast schon schneidend wirkt.
Doch nach und nach wird die Kreation sanfter und beruhigt sich. Die cremigen Nuancen von Jasmin und die Wärme des Sandelholzes vereinen sich mit holzig-sauberem Zedernholz und pudrigem Moschus und evozieren so ein Gefühl von Behaglichkeit, Reinheit und Vertrautheit, dem aber doch eine gewisse Kühle und Mineralität innewohnt.
Elea von Atelier Vesper ist ein Duft, der kühl, transparent und sanft ist. Eine wunderschöne Hommage an eine einzigartige Region nördlich des Polarkreises und das außergewöhnliche Himmelsschauspiel der Nordlichter. In der Kollektion der niederländischen Marke ist Elea die luftigste und leichteste Kreation, die unabhängig von Jahreszeiten oder Begebenheiten aufgetragen werden kann. 🙂
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