Passend zur Lancierung des neuen Dufts Click Song durfte ich die beiden Gründer von Une Nuit Nomade interviewen – Alexandra Cubizolles und Philippe Solas –, was mir einmal wieder eine riesengroße Freude war. Une Nuit Nomade war hier im Duft-Tagebuch bereits häufig zu Gast (Wer schmökern möchte, wird hier und hier fündig). Zuletzt durfte ich im März dieses Jahres den Duft Sun Bleached rezensieren, einen wunderschönen und orientalisch angehauchten Moschusduft, den ich den Sommer über gerne und häufig getragen habe. Heute kommen nur also die Gründer des Nischenduftlabels selbst zu Wort und geben uns einen Einblick in ihre kreative Arbeit für und mit Une Nuit Nomade.
Herzlich willkommen im Duft-Tagebuch: Alexandra Cubizolles und Philippe Solas! 🙂
Liebe Alexandra, lieber Philippe, könnt Ihr uns ein bisschen was zu Eurem Background erzählen?
Philippe: Wir haben beide an der Wirtschaftshochschule einen allgemeinen Kurs belegt. Ich habe außerdem einen Marketing- und Kommunikationskursus belegt. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mich zum Shiatsu-Therapeuten ausbilden zu lassen – mit einer speziellen Ausrichtung auf die traditionelle chinesische Medizin.
Alexandra, ich habe gelesen, dass Du wie ich Biologie studiert hast! 🙂
Alexandra: Du auch? Das ist ja großartig! Ja, ich habe Biologie studiert. Ich habe ein Faible für Wissenschaft und ich liebe es zu verstehen, wie Dinge funktionieren und finde, der menschliche Körper und die Natur im Allgemeinen sind unglaublich. Ich habe aber auch eine starke künstlerische Seite. Daher habe ich in der Musikindustrie als A&R gearbeitet (Anm. d. Red.: Artists and Repertoire). Nach ein paar Jahren war ich aber von den großen Konzernen frustriert und die Idee, meine eigene Firma zu gründen, wurde immer reizvoller.
Philippe: Als wir uns kennenlernten, trugen wir beide einen bestimmten Duft. Ich trug Jaïpur von Boucheron. Die Marke konnte den Duft eine Zeit lang nicht mehr vertreiben, da es Probleme mit der Formulierung gab. Ich fühlte mich deshalb ein wenig hilflos. Alexandra und ich haben einen Artikel über das erste Jovoy-Geschäft in Paris in der Rue Daniele Casanova gelesen, bevor sich Jovoy in der Rue de Castiglione niederließen.
Wir fuhren dorthin. Das Geschäft war klein und François Hénin, der Gründer des Ladens, hatte viele kleine und unabhängige Nischenmarken zusammengetragen – darunter auch seine eigene Marke Jovoy. Ich verliebte mich in Ambre Premier und kaufte es. Als Alexandra und ich den Laden verließen, sagten wir uns, dass es keinen Sinn ergibt, sein ganzes Leben lang an einem einzigen Duft festzuhalten – vor allem dann, wenn man den Duft nicht mehr findet … und so begann die Idee, ein eigenes Duftlabel zu gründen, Gestalt anzunehmen.
Alexandra: Düfte sind so kreativ und ästhetisch. Das spricht mich wirklich an. Als wir uns kennenlernten, trug ich Serge Lutens und liebte die Idee, einzigartige Parfums zu tragen. Ich bin immer noch ein großer Fan von Christopher Sheldrakes Arbeit (Anm. d. Red.: Parfümeur u. a. für Serge Lutens). Der Einstieg in die Welt der Nischendüfte war für mich eine ganz natürliche Erweiterung meiner Arbeit in der Musikindustrie.
Dann habt Ihr Euch in der Musikindustrie kennengelernt und dort den Grundstein für Une Nuit Nomade gelegt …
Philippe: Genau. Wir waren beide bei Universal. Alexandra war künstlerische Leiterin und ich war Marketingleiter. Wir liebten Musik und begeisterten uns für die Künstler. Wir beschlossen aber, diese Branche zu verlassen und unsere eigene Marke rund um die Themen Wohlbefinden, Luxus und Reisen zu gründen. Auf einer Reise nach Bali kamen wir auf die Idee, uns mit der Nacht, der Kunst des Reisens und den damit verbundenen Gerüchen und Empfindungen zu beschäftigen. Bali war der erste Zwischenstopp auf unserer Reise und unserem olfaktorischen Nomadentum.
Es war unsere Idee, eine Geschichte rund um unsere Lieblingsziele zu erzählen. Nach Bali folgte Montauk – in der Nähe von New York in den Hamptons gelegen – und schließlich der Oman. Es gibt einen gemeinsamen Faden zwischen all diesen Reisezielen und ein perfektes Gleichgewicht zwischen Luxus und Respekt vor der Natur.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir Une Nuit Nomade geschaffen haben, um auf elegante Weise unsere Lust zu wecken, von Kontinent zu Kontinent zu wandern, auf der Suche nach faszinierenden und atemberaubenden Zielen.
Wie unterscheidet Ihr Euch bei der Arbeit und wo ergänzt Ihr Euch?
Philippe: Was das große Ganze angeht, sind wir uns immer einig. Wir werden immer gemeinsam über neue Düfte, neue Konzepte und die künstlerische Ausrichtung der Marke entscheiden. Wir haben die gleiche Vision. Außerdem sind wir beide engagiert, geduldig und arbeitswütig.
Was das tägliche Markenmanagement betrifft, sind wir sehr unterschiedlich. Bei Alexandra ist die linke Gehirnhälfte sehr aktiv, während es bei mir eher die rechte Gehirnhälfte ist. Sie kümmert sich deshalb um alles, was mit Zahlen zu tun hat, und ich bin für alles zuständig, was mit Buchstaben zu tun hat. In diesem Punkt können wir sagen, dass wir uns sehr gut ergänzen!
Was ist in Euren Augen so besonders an Une Nuit Nomade und Euren Düften?
Alexandra: Wir hoffen, dass wir unsere Liebe zum Reisen und zu schönen Materialien mit Eleganz, Einzigartigkeit und Authentizität umsetzen können. Jedes Reiseziel ist anders als das nächste, aber die Essenz unserer Düfte ist immer gleich. Sie sind kraftvoll, haben einen langen Nachklang und besitzen von ihrem Design her eine französische Eleganz. Sie haben einen einfachen Ansatz, aber mit einer originellen Formulierung. Wir glauben, dass alle unsere Kollektionen ein sehr großes Publikum erreichen können, unabhängig von der Region der Welt. Wir richten uns auch nicht an einen bestimmten Markt.
Eure neuste Kreation heißt Click Song. Könnt Ihr uns ein bisschen was zu der Geschichte hinter dem Duft erzählen?
Philippe: Click Song ist der erste Duft aus unserer neuen Kollektion mit dem Reiseziel Südafrika: Une Nuit au Cap.
Qonggothwane ist ein Wort der Xhosa, einer Sprache des südafrikanischen Volkes. Wörtlich übersetzt bedeutet es „Kakerlake, die tick-tock macht“ wegen der klopfenden Geräusche, die die Tiere machen, wenn sie über den Boden laufen. Qonggothwane ist auch ein Lied, das im Englischen als (The) Click Song bekannt geworden ist, weil in der Xhosa-Sprache Konsonanten als Klicklaute ausgesprochen werden. Es ist in erster Linie ein Lied, das geteilt wird, eine Tradition, die weitergegeben wird und gerne bei Hochzeiten gesungen wird, weil man dort das Glück einatmet.
Dieses Lied wurde von der großartigen Miriam Makeba in die ganze Welt getragen. Auch bekannt als Mama Afrika, war sie ein wesentlicher Bestandteil Südafrikas, ja Afrikas selbst. Ihr Werdegang und ihr Schicksal waren fast unvorstellbar: Ein Kind der Townships, das fast zufällig Sängerin wurde. Sie avancierte in ihrem Land zu einem Star, der wegen seines entschiedenen Auftretens gegen die Apartheid ins Exil gehen musste. Während der einunddreißig Jahre, die sie von ihrem Heimatland und ihren Verwandten getrennt war, reiste sie durch die Welt, um ihren Kampf gegen die Apartheid öffentlich zu machen, ihre Musik zu spielen und mit Leichtigkeit in einer Mischung aus Zulu, Xhosa, Tswana, Swahili, Arabisch und Englisch zu singen. Miriam Makeba gilt als die Mutter Afrikas.
In den 1960er Jahren wurde sie in den Vereinigten Staaten mit einem Grammy ausgezeichnet, sehr zum Stolz Südafrikas. Sie setzte ihren Kampf gegen die Rassendiskriminierung fort und wurde – aufgrund ihres politischen Nomadentums – sowohl in Guinea als auch in Algerien eingebürgert, bevor sie schließlich nach Belgien zog. Erst in den 1990er Jahren kehrte sie auf Drängen Nelson Mandelas nach Südafrika zurück.
Miriam Makeba wird für immer als Künstlerin, Ethno-Jazz-Sängerin, engagierte Bürgerrechtlerin und überzeugte Afrika-Liebhaberin in Erinnerung bleiben, die sich für die Verbreitung des Friedens einsetzte. „Ihre Musik weckte in uns allen ein starkes Gefühl der Hoffnung“, sagte Nelson Mandela über sie. Es gibt Menschen, die einen nicht gleichgültig lassen, die mit ihrer Charakterstärke und Entschlossenheit einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.
Click Song, der erste Duft unserer neuen Kollektion Une Nuit au Cap, ist eine brennende Hommage an diese außergewöhnliche Frau, an Mama Afrika. Wir haben ihn uns wie eine Rosenknospe vorgestellt, die von einem Patchouliblatt umhüllt ist und deren solide und tiefe Wurzeln aus Ambra und Zistrose in den heiligen Boden ihrer Ursprünge eindringen. Ein Parfüm, bei dem die Zunge schnalzt.
Woher nehmt Ihr Eure Inspirationen für neue Kreationen, abgesehen vom Reisen?
Philippe: Aus unserer Zeit in der Musikbranche haben wir mitgenommen, dass das Erzählen von Geschichten rund um einen Künstler neben seinem Schaffen sehr wichtig ist. Wir sind Geschichtenerzähler. Wir wählen ein Gebiet, ein Reiseziel und lassen uns von einer Anekdote, einer bestimmten Tatsache leiten. Wir lesen viel und oft genügt ein Artikel oder eine Kurzgeschichte, um den kreativen Prozess in Gang zu setzen.
Anfang 2020 hatten wir ein Gespräch mit unserer Agentin in Deutschland – Ulrike Müller von Collected Brands –, die uns auf Südafrika brachte. Uns gefiel die Idee, zumal Afrika ein Kontinent war, den wir sehr gerne erkunden wollten. Und außerdem interessierten wir uns sehr für das unglaubliche und tragische Schicksal von Miriam Makeba. So kam es zur Kreation dieses ersten Duftes.
Wie geht Ihr bei der Kreation neuer Düfte vor? Habt Ihr bereits eine bestimmte Duftnote im Kopf oder agiert Ihr da völlig frei?
Alexandra: Die meiste Zeit versuchen wir, uns gedanklich zu erneuern und uns aus unserer Komfortzone zu bewegen. Es kommt für uns nicht infrage, uns immer um die gleiche Typologie von Parfums zu drehen. Deshalb erkunden wir gerne Akkorde und Noten, die wir nicht unbedingt im Sinn hatten, auch wenn einige Reiseziele auf bestimmte Rohstoffe hinweisen. Als wir darüber sprachen, wie sehr uns Indonesien verblüfft hat, war es uns unmöglich, nicht mit Vetiver aus Java zu arbeiten. Die Herausforderung bestand für uns darin, weg von der klassischen Ausführung des Vetiver zu gehen und ihm einen Hauch von Modernität zu verleihen. Wie wir vorgehen, hängt wirklich von unserer Erzählung und unseren Zielen ab.
Ihr habt bereits mit berühmten Parfümeuren wie z. B. Nathalie Feisthauer, Annick Ménardo, Jérôme di Marino, Karine Chevallier und Amélie Bourgeois zusammengearbeitet. Wie findet Ihr den passenden Parfümeur für Eure jeweilige Kreation?
Philippe: Oft durch Begegnungen. Menschen spielen eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung unserer Marke. Die Kollektion Une Nuit à Bali vereinte mehrere verschiedene Parfümeure. Für die folgenden Reiseziele wollten wir so viel wie möglich mit speziell für die jeweilige Kollektion ausgewählten Parfümeuren arbeiten, um jeder Kollektion eine eigene Handschrift zu verleihen. Wir träumten davon, mit Annick Ménardo zusammenzuarbeiten. Und als wir Une Nuit a Montauk in Angriff nahmen, dachten wir, dass unser Briefing sie interessieren könnte. Und so war es.
Wir riechen so viel wie möglich an Düften, die Parfümeure für andere Marken kreieren, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was und wer zu uns passen könnte – zu den zukünftigen Geschichten, die wir erzählen möchten. So war es auch bei unserem neusten Reiseziel Südafrika und dem Duft Click Song. Hierfür haben wir mit einem neuen Parfümeur – Serge de Oliveira von Robertet – zusammengearbeitet. Wir haben uns ausführlich mit ihm unterhalten und waren alle sehr daran interessiert, diesen Duft gemeinsam zu kreieren.
Habt Ihr selbst einen Signatur-Duft?
Philippe: Meistens trage ich unsere eigenen Düfte oder zukünftige, um diese zu testen. Es ist also nicht leicht für mich, Kreationen anderer Marken zu tragen. Ambre Khandjar ist mein Favorit zusammen mit Mr. Vetiver. Ambre Khandjar ist definitiv die Ambra-Note, von der ich immer geträumt habe. Es kommt auch vor, dass ich ihn im Sommer trage, auch wenn es ein starker Duft ist.
Alexandra: Was mich betrifft, liebe ich Nothing but Sea and Sky, Suma Oriental und Bohemian Soul. Ich trage viele verschiedene Parfums – entweder für die Arbeit oder zu meinem eigenen Vergnügen –, aber ich komme immer wieder auf diese drei zurück.
Gibt es einen Duft aus Eurer Kindheit, an den Ihr Euch im Speziellen erinnert?
Philippe: Ja, den Duft der französischen Riviera und der Mimose. Schon der visuelle „Schock“, diese Massen an kleinen gelben Kugeln, fast wie eine Explosion, und der träge, sanfte und süße Duft. Er weckt schöne Erinnerungen.
Alexandra: Ich habe drei. Der Erste ist Flieder. Ich erinnere mich stark daran, wie meine Mutter die Blütenrispen von einem Baum im Garten pflückte. Der Geruch im Raum war so stark. Dann Narzisse. Meine Großeltern lebten in einer Gegend, die für Narzissen berühmt war. Die Jahreszeit, in der die Narzissenfelder blühen, ist einfach unglaublich. Und schließlich der Geruch von gemähtem Heu, das ist mein „Madeleine von Proust“. Ich habe als Kind die meisten Sommer bei meinen Großeltern verbracht. Sie waren Landwirte und haben im Sommer Heu getrocknet. Das ist für mich ein so eindringlicher Duft.
Was können wir in Zukunft von Une Nuit Nomade erwarten?
Alexandra: Wir wollen uns weiterhin in der Welt des Reisens ausdrücken. Wir wollen unseren Kunden weiterhin Geschichten erzählen. Sicherlich werden wir weitere Kollektionen entwickeln – Parfums, aber vielleicht auch andere Arten von Produkten. Wir träumen auch davon, eines Tages unser eigenes Flaggschiff Une Nuit Nomade zu haben. Ein Ort, an dem man eine starke Erfahrung machen kann, die abseits der ausgetretenen Pfade liegt. Für uns jedenfalls ist die Welt der Düfte grenzenlos.
Liebe Alexandra, lieber Philippe, vielen Dank, dass Ihr Euch Zeit für meine Fragen genommen habt.
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