Ende letzter Woche trudelte der jüngste Spross von Maison Crivelli bei mir ein – Hibiscus MahaJád –, was mich daran erinnerte, dass ich noch zwei weitere Pröbchen von unrezensierten Düften der Marke hier in meiner nahezu unerschöpflichen To-review-Kiste habe, nämlich Lys Sølaberg und Osmanthe Kōdoshān. Alle drei Kreationen des 2018 von Thibaud Crivelli gegründeten Nischenduftlabels wurden 2021 lanciert und stammen aus der kreativen Feder dreier begnadeter Parfümeure bzw. Parfümeurinnen: Quentin Bisch komponierte Hibiscus MahaJád, Nathalie Feisthauer Lys Sølaberg und Stéphanie Bakouche Osmanthe Kōdoshān.
Beginnen möchte ich mit der jüngsten Kreation, dem Extrait de Parfum Hibiscus MahaJád, welches – wie bereits erwähnt – erst vor ein paar Tagen auf meinem Schreibtisch landete. Herzlichen Dank an dieser Stelle einmal für die fleißigen und unermüdlichen Damen im Bruchsaler Stammhaus, die alle Pröbchen von Hand abfüllen – Eure im Shop bestellten Abfüllungen wie auch meine Rezensionsproben. 🙂
Hibiscus MahaJád – tiefroter Tee
Thibaut Crivelli, der Gründer der Marke Maison Crivelli, drückt mit seinen Kompositionen keine fiktiven Begebenheiten aus, sondern lässt uns an persönlichen Eindrücken, an individuell erfahrenen Momenten seines Lebens teilhaben. Augenblicke, die auf ihn einen besonderen Einfluss hatten, in denen ein bestimmter Duft, ein charakteristisches Aroma prägend waren. Als Vielreisender und jemand, der in seinem Leben schon an einigen verschiedenen Orten auf unterschiedlichen Kontinenten gelebt hat, scheint es Thibaut Crivelli auch mindestens einmal auf einen Basar verschlagen haben.
Umgeben von Edelsteinen, Mineralien und Schmuck, die hier von zahlreichen Händlern in der heißen, unbarmherzigen Nachmittagssonne feilgeboten wurden, genoss der junge Crivelli eine Tasse heißen und süßen Tees, eine Infusion aus getrockneten Hibiskus- und Rosenblüten. Sofort muss ich natürlich an den bekannten Karkadeh denken, den in Nordafrika beliebten tiefroten Aufguss aus getrockneter Hibiskusblüte, der in der Regel mit einer üppigen Süße aufwarten kann, jedoch meines Wissens ohne Rosenblüten serviert wird.
Der Genuss der Tasse Hibiskustee in dieser einzigartigen Atmosphäre eines Basars war Inspirationsquelle für Hibiscus MahaJád, die von dem Parfümeur Quentin Bisch olfaktorisch umgesetzt wurde. Als Duftnoten wurden Pfefferminze, Ebenholz, Rose, Vanille, Ambrettesamen, Leder und Zimt angegeben. Der direkte Bezug zum Hibiskus findet sich hier in den Ambrettesamen. Diese Samen werden vom einer Pflanze namens Bisameibisch gewonnen, der – wie auch der für Karkadeh und andere Früchtetees genutzte Hibiskus – zu der großen und weit verzweigten Familie der Malvengewächse gehört, genauer zur Unterfamilie der Malvoideae. Ich würde gerne genauer in die Systematik der Malvengewächse einsteigen, jedoch würde das vermutlich den Rahmen dieser Rezension sprengen …
Ein Tässchen Tee bei Maison Crivelli
Die leuchtende rote Farbe des Extrait de Parfum passt hervorragend zum vorgegebenen Thema. Der Auftakt des Dufts offenbart intensive fruchtig-säuerliche und florale Noten. Die Rose verleiht der Kreation eine berauschende Klarheit, die von der erfrischenden Kühle von Pfefferminze und der moschusartigen Cremigkeit der Ambrettesamen untermalt wird. Sanfte und weiche Ledernuancen geben im Hintergrund Halt, begleitet von tiefgründigem und dunkel anmutendem Ebenholz.
Auch wenn der Hibiskustee in der Regel stark gesüßt serviert wird, empfinde ich Hibiscus MahaJád als nicht allzu süß. Die Pfefferminze sorgt für Leichtigkeit und die Rose erblüht zwar üppig, jedoch eher fruchtig und klar, denn überbordend lieblich. Natürlich bringt die Blüte eine gewisse Süße mit ins Spiel, die ich aber nicht übertrieben oder als besonders erwähnenswert empfinde. Ein Hauch von Vanille und Zimt rundet die Komposition von Maison Crivelli wunderschön ab und sorgt so im Ausklang für fast schon gourmandige Anklänge.
Eines kann ich gleich sagen: Hibiscus MahaJád legt die Latte in diesem Trio echt hoch an. Es ist ein sanfter und ruhiger Blütenduft, der mit Gewürzen, Hölzern und Leder akzentuiert wurde. Erfrischend und transparent, samtig und fein ausbalanciert, eher kühl als warm, präsent und subtil zugleich. In meinen Augen ganzjährig und zu nahezu jeder Gelegenheit tragbar. Ich bin begeistert und freue mich auf die nächsten beiden Blütendüfte, die ich gleich testen darf.
Lys Sølaberg – skandinavische Lilie
Ich bin ja durchaus ein Skandinavienfreund, das dürften einige spätestens seit meiner Rezensionsreihe zu Pana Dora Sweden (nachzulesen hier) wissen. Das durchgestrichene O in Lys Sølaberg offenbart mir, dass wir es hier mit keiner schwedischen Lilie zu tun haben dürften. Dieser Buchstabe, der nichts anderes als unser Ö ist und auch ebenso ausgesprochen wird, wird tatsächlich in Norwegen und Dänemark verwendet. Ich tippe auf Norwegen, denn der Pressetext erzählt von einem spätabendlichen Spaziergang im Sommer, die Sonne geht auch zur Geisterstunde nicht unter, von Wasserfällen „vor dunklen Granitwänden“ ist die Rede, von Klippen am Meer, auch das Wort Fjord taucht auf … Indizien dafür, dass wir es hier mit einem Duft zu tun haben, der von der einzigartigen Flora Norwegens inspiriert ist, die Thibaud Crivelli unter der Mitternachtssonne genießen durfte.
Eine kurze Recherche bringt mich zur Ähren- oder Moorlilie, die auf – der Name lässt es erahnen – den moorigen Böden Norwegens im Hochsommer in Hülle und Fülle wächst und deren gelbe Blüten einen bezaubernden Duft von sich geben sollen. Die Duftnote Lilie kombiniert die Parfümeurin Nathalie Feisthauer in Lys Sølaberg mit Quitte, Kalmus, Guajakholz, Ambroxan, Eichenmoos, Zedernholz, Eiche, Whisky, Tabak und Labdanum (Zistrose).
Ut på tur aldri sur
Frei übersetzt: „Wer draußen unterwegs ist, ist niemals mürrisch.“ Von diesem Sprichwort scheinen meine beiden Söhne noch nichts gehört zu haben, denn die gehören (leider) eher zu den Stubenhockern und sind draußen sehr schnell und gerne mürrisch. Sind halt auch keine Norweger, die Zwei. 😉 Doch zurück zum Duft: Wer bei Lys Sølaberg an einen betörend-süßen Lilienduft denkt, liegt ein wenig daneben. Mit feinpudriger Iris – überaus hell und transparent – startet die Kreation in den Duftverlauf.
Kalmus und Guajakholz sorgen für eine dezent rauchige und torfig-erdige Atmosphäre. In großen dunklen Eichenfässern lagert Whisky, der die torfigen und rauen Aromen der nordischen Landschaft in sich trägt. Die Zistrose haucht Lys Sølaberg eine sanft-ledrige und ambrierte Wärme ein, die mit den nach wie vor deutlichen und an die Lippenstiftnuancen der Schwertlilie erinnernden Noten verschmilzt.
Lys Sølaberg ist ein Blütenduft, der erdige, torfige und holzige Nuancen in sich trägt. Eine Lilie mit Irisakzenten, die eher dunkel und medizinisch angehaucht ist. Dank Ambroxan wohnt der Kreation eine gewisse Synthie-Note, aber auch eine unnachahmliche Leichtigkeit inne. Ein kontemplativer und in sich ruhender Duft, den ich als Immergeher einstufen würde. 🙂
Osmanthe Kōdoshān – Maison Crivelli
Vom hohen Norden begeben wir uns wieder Richtung Süden oder besser Richtung Südosten. Denn Osmanthus, die namensgebende Blüte, findet sich natürlicherweise in Südostasien. Zu der Familie der Ölbaumgewächse gehörende Osmanthus ist immergrün und verzaubert mit gelblich-weißen, kleinen und betörend duftenden Blüten. In der Parfümerie wird Osmanthus fragrans eingesetzt – zu Deutsch „Süße Duftblüte“ – eine Art, mit der in Asien auch Tee und Spirituosen aromatisiert werden.
Aus der Duftfeder von Stéphanie Bakouche stammt Osmanthe Kōdoshān, die in der Komposition Sternanis, Szechuanpfeffer, Osmanthus, Patchouli, Schwarztee und Tabak vereinte. Übrigens habe ich zum Namen Kōdoshān noch eine Erläuterung. Das Wort „kodo“ besitzt im Japanischen mehrere Bedeutungen. Zum einen ist es der Name einer populären Trommelgruppe, es bedeutet „Kinder der Trommel“ oder auch „Herzschlag“. Dann gibt es noch Kōdō, eine traditionelle und überaus kunstvolle japanische Zeremonie aus dem 14. Jahrhundert, mit der Düfte und Räucherwerk geehrt werden. Die Endung „-shan“ dürfte sich auf das gleichnamige Volk der Shan beziehen, die in Myanmar beheimatet sind.
Meditative Duftstimmung
Herb und grünlich, mit einer pfeffrigen Frische startet Osmanthe Kōdoshān in den Duftverlauf, untermalt von der feinen Pfirsichsüße des Osmanthus’. Szechuanpfeffer sorgt für ein wacholderartig-prickelnde Akzente, die von den erdig-holzigen Nuancen des Patchoulis begleitet werden.
Schwarztee sorgt für dunkle und herbe Teeblattnoten, die mich mehr an den Duft der getrockneten Blätter als an den eigentlichen Aufguss erinnern. Eine sanft-holzige Rauchigkeit durchströmt die Kreation von Maison Crivelli, wie eine sich kringelnde Schwade, die von einem Räucherwerk aufsteigt. Im Zentrum des Dufts steht jedoch eben jene grünlich-würzige Osmanthusblüte mit ihren Aprikosen- und Pfirsichanklängen, die so samtig und fein wirken, in sich ruhend, gelassen und besinnlich.
Frisch, würzig und grünlich, von einer sanften, an saftige Pfirsiche erinnernden Blütennuance durchzogen, zeigt sich Osmanthe Kōdoshān aus dem Hause Maison Crivelli als nachdenklicher, entspannter und asiatisch anmutender Duftbegleiter, der mich einmal mehr begeistert und erfreut. Jahreszeitlich ungebunden würde ich diesen Unisex-Duft in Büro, Freizeit und Alltag jederzeit tragen. Eine tolle Komposition mit mittlerer bis leichter Präsenz voller Klarheit, Modernität und Eleganz.
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