Gestern haben wir uns die ersten beiden Duftkompositionen des britischen Paradiesvogels Freddie Albrighton, seines Zeichens Tattookünstler und Parfumautodidakt, bereits genauer angesehen (nachzulesen hier), heute widmen wir uns Mabel’s Tooth und 11 Candles in Antwerpen. Ihr seht schon, nach Bernadette Margaret Evelyn Theresa und BOYS hören auch die heute rezensierten Kreationen auf durchaus unkonventionelle Namen.
Ersterer ist eine Hommage an die Frau Mama, zweiterer eine Reminiszenz an die Teenagerzeit. Ein Duft mit Zahnname ist mir bisher noch nicht begegnet und so bin ich gespannt, wer wohl die besagte Mabel ist, deren Gebissteil einen eigenen Duft bekommt. Und was hat es mit den elf Kerzen auf sich, die sich in der belgischen Hafenstadt Antwerpen befinden?
Mabel’s Tooth – Eine bittersüße Hommage
Tatsächlich handelt es sich bei Mabel, um den früheren Hund der Familie Albrighton. Dieser war ganz scharf auf das Christmas Toffee, welches Vater Albrighton zur Weihnachtszeit gerne schmauste. Die Hundeliebe zur süßen Nascherei ging so weit, dass die Familie dem Hund an seinem Todestag zur Beruhigung ein eben solches Toffeestück in den Mund legte. Daher der Name Mabel’s Tooth, der – so entzückend er klingt – doch schöne wie auch schmerzliche Facetten offenbart.
Das obige Bild mag in groben Zügen verraten, um welchen Hund es sich bei Mabel handelte. Sofern das abgebildete Tier tatsächlich Mabel ist, dürfte es ein Rottweiler oder -mischling gewesen sein. Ein imposanter Hund also, der im Falle der Familie Albrighton einen besonders „süßen Zahn“ besaß. Für die Duftkomposition Mabel’s Tooth wählte Albrighton die Ingredienzien Honig, Getreide, Kaffee, Haselnuss, Toffee, Tabak, Hölzer, Leder, Immortelle (Italienische Strohblume) und Trockenfrüchte.
Glück auf vier Pfoten – Mabel’s Tooth
Karamelliges Honigleder eröffnet Mabel’s Tooth mit einer behaglichen Wärme, untermalt von herb-süßem Tabak und den Noten von Geröstetem: Kaffee, Getreide und Haselnüsse müssen sich in direkter Nähe eines Feuers aus fein-balsamischen und dezent-rauchigen Hölzern befinden. Die Röstaromen sind schillernd, mal blitzt der Kaffee hervor, mal wirkt die Kreation vom Getreide geprägt, mal ist die duftende Nussnote dominierend. Wie ein tanzender Reigen drehen sich die Ingredienzien um das Zentrum, die behagliche Wärme, die im Mittelpunkt der Kreation steht.
Sahniges Toffee gesellt sich hinzu, akzentuiert von den likörig anmutenden Noten von Trockenfrüchten, von Datteln, Pflaumen und einem Hauch Feige. Sehr komplex, stimmig und würzig-warm evoziert Mabel’s Tooth aus dem Hause Freddie Albrighton eine wunderschöne und behagliche Atmosphäre, die ruhig, kontemplativ und verführerisch ist.
Mabel’s Tooth ist ein warmer und tröstlicher Duft, der in meinen Augen so wunderbar in die mitunter trübe Novemberstimmung passt, jene etwas düstere Phase des Jahres, bevor die Adventszeit die neblig-graue Dunkelheit mit zahlreichen Lichtern erhellt. Doch das Tragen dieses Eau de Parfums auf nur einen Monat zu beschränken, wäre selbstverständlich ein absoluter Frevel. Denn Mabel’s Tooth ist so bezaubernd und – sicherlich auch aufgrund der Geschichte, die dahinter steht – unglaublich rührend. Alle, die warme und würzig-holzige Düfte mit einer wunderschöner Leder-Tabak-Untermalung und einer – trotz Honig und Toffee in den Duftnoten – nicht allzu präsenten Süße bevorzugen, sollten sich diese Kreation unbedingt auf ihre Must-try-Liste setzen.
11 Candles In Antwerpen – Zur Erinnerung
Wirklich fröhlicher wird es auch bei unserem zweiten Duft heute thematisch nicht. Passend zum grauen und regnerischen Novemberwetter draußen vor meinem Fenster widme ich mich nun dem Duft 11 Candles In Antwerpen, der sich mit dem Gedenken an die Verstorbenen beschäftigt. Dabei bezieht sich Freddie Albrighton auf ein sehr persönliches Erlebnis.
Wie ich einem kurzen Video auf seiner Instagram-Seite entnehmen konnte, besuchten ihn seine Eltern vor ein paar Jahren in Antwerpen, wo er sich zu dieser Zeit aufhielt. Mit ihnen besuchte er eine Kathedrale – vermutlich die Liebfrauenkathedrale – und diese entzündeten dort, einer alten Gewohnheit folgend, eine Kerze für alle Familienmitglieder, die in den letzten Jahren verstorben waren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren es zehn Kerzen, die die Familie Albrighton zum Gedenken anzündete. Anfang dieses Jahres starb Freddie Albrightons Großmutter mütterlicherseits und so wurden aus zehn Kerzen elf: 11 Candles in Antwerpen.
11 Candles In Antwerpen vereint die Ingredienzien Orchidee, Rosa Pfeffer, Bienenwachs und Myrrhe, mit denen er das Bild brennender weißer Kerzen in einer Kathedrale olfaktorisch umsetzt.
Flackerndes Kerzenlicht und weiße Blüten
Cremige und kühl anmutende Blütennoten bestimmen den Auftakt von 11 Candles in Antwerpen, sehr sanft, fast schon pudrig bzw. kalkig und in hellem Weiß gehalten. Die Orchidee öffnet uns hier wohl die olfaktorische Pforte dieser Kreation mit dezent seifig-grünlichen und sehr sauberen Nuancen, untermalt von einer subtilen und fruchtigen Pfefferschärfe.
Das Bienenwachs nehme ich als solches nur dezent wahr. Vielmehr eine milchige Note, die zarte Kokosnussakzente in sich trägt, ohne dem Duft damit eine Art von Exotik einzuhauchen. Unterschwellig offenbart die Komposition eine sanfte Wärme und holzig-rauchige Süße, die ich der Myrrhe und einer Prise Weihrauch zuordnen würde. Wie bisher alle Kreationen von Freddie Albrighton ist auch 11 Candles In Antwerpen unglaublich dicht gewebt und besitzt – trotz aller floralen Helligkeit und pudrigem Strahlen – eine beachtliche Präsenz.
Wer – wie ich – einen düsteren Duft erwartet hat, der wird von 11 Candles in Antwerpen komplett überrascht sein. Der Duft ist hell, floral, pudrig, sauber und milchig und dazu mit einer guten Präsenz und Haltbarkeit versehen. Eine Kreation, die überraschend positiv erscheint, jedoch eine sehr erhabene und getragene Atmosphäre ausstrahlt. Sehr ruhig und meditativ. Ein faszinierender Duft, den ich keiner bestimmter Jahreszeit zuordnen würde und der Freunden sauberer-floraler Düfte absolut gefallen könnte.
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