Weiter geht es mit dem Interview mit dem wundervollen Mario Lombardo von Atelier Oblique, das wir gestern bereits begonnen hatten (nachzulesen hier). Ich wünsche Euch viel Freude beim Schmökern! 🙂
Du hast ja bereits mit mehreren Parfümeuren zusammengearbeitet. Wie findest Du immer den passenden Parfümeur für Deine Kreationen? Hast Du bereits einen bestimmten im Kopf oder werden mehrere gebrieft und danach entschieden, wer am besten zu der jeweiligen Kreation passt?
Ich arbeite vor allem mit Robertet (Anm. d. Red.: französischer Duftstoffhersteller aus Grasse) zusammen, da sie mir garantieren, dass die Rohstoffe von höchster Qualität sind. Was wir zuallererst gemacht haben, war, die Fabrik von Robertet und die Felder in Grasse zu besuchen. Die Fabrik wurde 1893 von Gustave Eiffel gebaut. Der Besuch dort war sehr imposant.
Die ersten vier Parfüms habe ich dann mit verschiedenen Haus-Parfümeuren von Robertet gemacht. Bei dem fünften Duft, Bohemian Woods, bin ich mit Serge de Oliveira zusammengekommen. Da hat es gleich geklickt. Seine Übersetzungen und Interpretationen meiner Ideen sind einfach genial. Seitdem arbeite ich nur noch mit ihm. Beton Brut, Voodoo Flowers und Lightfalls stammen von ihm. Wir haben aber auch schon vier weitere fertig machen können, die jetzt der Reihe nach lanciert werden. Was soll ich sagen, die Pandemie hat uns viel Zeit geschenkt. Und da ich nicht gerne herumsitze und warte, haben wir schon mal ein bisschen vorgearbeitet. Im September kommt ein unglaublich vielversprechendes Eau de Parfum. Lass dich überraschen.
Das klingt spannend. Ich freue mich schon! 🙂 Und bei der Kreation neuer Düfte, hast Du da bereits eine bestimmte Duftnote bzw. ein Thema im Kopf, die bzw. das im Zentrum stehen soll? Oder wie läuft die Duftentwicklung bei Euch ab?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Manche Ingredienzien sind klar gesetzt. Zum Beispiel kommen jetzt verschiedene Sandelholz-Parfums. Aber natürlich genießt Serge großes Vertrauen und überzeugt uns oft genug. Das ist das Schöne und der eigentliche Zauber bei dem Prozess der Entwicklung. Manchmal ändert sich nur ein Hauch und treibt die Grundidee in eine andere Richtung.
Du bist als Designer ja vermutlich ein sehr visueller Mensch. Wie war es für Dich, sich mit der Gründung des Labels „plötzlich“ olfaktorisch auszudrücken? Welche Besonderheiten liegen für Dich in der olfaktorischen Art der Kommunikation?
Ich habe mich als Designer immer als Übersetzer gesehen und hab mich nie auf ein Medium beschränkt. Deswegen bin ich sehr häufig über das Wort zum Bild gekommen. Texte, Titel und Worte sind immer ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Allein schon, um sie Kunden zu erklären. Wenn ich es früher gekonnt hätte, hätte ich vor Jahren schon Düfte in meine Arbeit einbezogen – vor allem im Identity-Bereich. Leider hat mir damals niemand dahingehend vertraut, dass ich das hinbekomme. Klar, es ist ja auch neben der Sensibilität noch mit besonderen Mehrkosten verbunden.
Ich habe das dann einfach für mich ausprobiert. Mein erstes Parfüm habe ich 2006 im Zuge einer Ausstellung im Rahmen des c/o Pop Festivals in Köln kreiert. Das Thema war damals Fantum und mein Duft war eine Mischung aus zitrischen Noten, Weihrauch, Amber und Vetiver – alles aus lokalen Ressourcen selbst zusammengemischt. Es trug den Namen PLEASE. Ich habe noch eine Flasche in meinem Archiv.
Ich hatte damals keinen blassen Schimmer, wie man Parfumkunst professionalisieren kann. Jahre später haben Freunde von mir dann ein „echtes“ Nischenduftlabel gegründet: Humiecki & Graef. Erst das hat mir bewiesen, das es doch realisierbar sein kann. Als ich mich dann später ernsthaft dem Thema Düfte widmete, wollte ich erst nur Raumdüfte machen. Um mit den Parfümeuren zu arbeiten, habe ich mich verschiedener Medien bedient. Neben einer Präsentation, Bildern, Objekten und erzählten Momenten habe ich zu jedem Duft ein Gedicht geschrieben. Das hat die Perspektive – für uns alle – verändert.
Was macht das Duftlabel Atelier Oblique für Dich aus? Welche Werte möchte es vermitteln?
Atelier Oblique ist meine Werkstatt. Es geht immer um einen kreativen Ausdruck. Wir vereinen in unseren Kreationen sehr viele kreative Disziplinen, Emotionen und Qualität mit einer achtsamen Produktion. Wir bieten verantwortungsvolle Luxusprodukte. Dabei achten wir auf jede einzelne Komponente. Das geht bis zu den Schriften, die ich selber gezeichnet habe. Alle Düfte, Materialien und Komponenten sind – so weit wie wir können – aus verantwortlichen und nachhaltigen Ressourcen. Wir verwenden feinste Papiere, die emissionsfrei produziert werden. Jedes Produkt von Atelier Oblique ist clean, cruelty free und vegan. Der Alkohol ist in Bio-Qualität. Das Zellophan besteht aus Mais und ist kompostierbar. Zusätzlich pflanzen wir bei jedem Kauf einen Baum. Wir wissen um unsere Verantwortung für unseren Planeten und handeln dementsprechend. Wir wollen einen Teil dazu beitragen, dass die Natur erhalten bleibt. Nur der Deckel und das Pumpenröhrchen sind aus Plastik, aber daran arbeiten wir.
Gibt es einen Duft aus Deinem Portfolio, der Dir besonders am Herzen liegt?
Ich mag alle, aber ich trage vor allem die Duftproben, die ich gerade neu entwickle.
Gibt es etwas, was Du besonders liebst, was Dich künstlerisch antreibt?
Musik, Kunst, Mode, Essen und jegliche Art von Komposition inspirieren mich tief. Aber ich liebe auch Perfektion und Logik. Ich liebe die Natur. Kraft. Ruhe. Kontraste. Dürre und Überfluss. Wenn alles natürlich fließt, fühle ich mich am besten und verliere die Angst vor dem vermeintlich Negativen. Trauer, Wut und Angst haben mich mehr gelehrt als die pure Freude. Radikales zuzulassen, hat mich viel entspannter gemacht, als die ganze Gier nach Freude, die gemeinhin als Ziel verkauft wird, die mich aber ausgebrannt hat.
Meine Lehrer waren und sind da ganz klar meine Familie – vor allem meine Kinder. Unsere kleine Tochter Suvi ist zum Beispiel eine reine Gefühlsexplosion. Glück, Wut, Angst und Freudensprünge können sich bei ihr im Sekundentakt abwechseln und das immer zu 100 %. Dem Raum zu geben, lässt mich mitwachsen und mitfließen.
Was sind Deine weiteren Pläne?
Mein Plan ist es gerade, mit der Marke „schwimmen“ zu lernen. Die verschiedenen Märkte kennenzulernen. Mal reinzuschnuppern und vielleicht zu verstehen. Ich kenne mich dort noch nicht wirklich aus. Mein Fokus lag klar auf dem Produkt, den Düften und der Marke. Das alles ist jetzt eigenständig und auf einem wirklich guten Stand. Nun würde ich mich freuen, wenn wir die Möglichkeit bekommen, sie national und international besser vertreiben zu können. Gleichzeitig arbeite ich natürlich an verschiedenen neuen Duftideen, aber auch an einer neuen Flaschenform, Deckeln, neuen Produkten. Aber das liegt alles in der Zukunft.
Lieber Mario, ich bedanke mich ganz herzlich dafür, dass Du Dir für meine Fragen Zeit genommen hast.
Seid Ihr neugierig geworden? Hier kommt Ihr direkt zu der Kollektion von Atelier Oblique:
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