Im Interview: Baptiste Bouygues von Ormaie

Heute habe ich wieder einmal die große Ehre, virtuell einen Interview-Gast hier im Duft-Tagebuch willkommen zu heißen, und zwar Baptiste Bouygues von ORMAIE. Die Düfte von des jungen Duftlabels haben Harmen und ich Euch bereits im Frühjahr 2020 vorgestellt (nachzulesen hier). Sehr familiär geht es zu bei ORMAIE, einem Mutter-Sohn-Gespann, das neben vielem anderen auch die Leidenschaft für Düfte vereint. Doch lassen wir den sympathischen jungen Mann am besten selbst zu Wort kommen. 🙂

Baptiste Bouygues mit seiner Mutter Marie-Lise Jonak, Gründer von Ormaie
Baptiste Bouygues mit seiner Mutter Marie-Lise Jonak von Instagram

Lieber Baptiste, Du hast ORMAIE im Jahr 2018 zusammen mit Deiner Mutter gegründet. Kannst Du uns ein bisschen zu Deinem Hintergrund erzählen und wie Du in der Welt der Düfte gelandet bist?

Ich war schon immer von Düften umgeben. Der größte Teil meiner Familie hat mit Düften gearbeitet, sodass wir immer Parfüms und Rohstoffe zu Hause hatten und jeder immer neue Dinge gerochen hat.

Es gab eine richtige Duftkultur in meiner Familie. Meine Mutter und meine Großmutter hatten auch schöne Gärten und man konnte einfach durch sie hindurchgehen und immer wunderbare Dinge riechen. Mein Großvater war nachts als Bildhauer tätig. Ich konnte ihm stundenlang zusehen, als ich ein Kind war. Ich glaube, das war das Erste, was mich wirklich zu Kunst und dem Know-how dahinter hingezogen hat. Danach passierte alles ganz wie von selbst. Ich fing an, für Marken zu arbeiten, bei denen ich in dieser Hinsicht so viel wie möglich lernen konnte (Anm. d. Red.: z. B. Louis Vuitton, Givenchy). Es war immer ein Wunsch von mir, mein eigenes Dufthaus erschaffen.

Eines Tages ging ich zu meiner Mutter, sie ist eine der besten Kreativdirektoren in der Parfumbranche. Ich fragte sie, ob sie glaube, dass wir einen Duft machen könnten, der nur aus natürlichen Inhaltsstoffen besteht, der poetisch ist und eine echte Struktur hat. Sie kam nach einem Jahr mit einem Duft zu mir, der mich wirklich berührte. Ich glaube, am nächsten Tag gab ich meine Kündigung ab und begann mit der Entwicklung von ORMAIE.

Kannst Du Dich erinnern, welcher Duft oder welches Parfum Deine Duftleidenschaft entfacht hat?

Ich glaube, der erste Duft, der die Leidenschaft wirklich entfachte, war Pour un Homme von Caron. Dieser Duft hatte etwas wirklich Einzigartiges an sich mit diesem wunderschönen Lavendel. Es war der Duft, den mein Vater zu tragen pflegte, und ich habe ihn immer mit ihm in Verbindung gebracht.

Ormaie – 28° – Baptiste Bouygues
28° von ORMAIE

Was ist das Besondere an ORMAIE und seinen Düften?

Was uns bei ORMAIE wichtig war, war der Versuch mit unseren Düften Emotionen zu erschaffen. Das wollten wir dadurch erreichen, dass wir uns bezüglich der Kreativität und der Schönheit der von uns verwendeten natürlichen Inhaltsstoffe nicht einschränken wollten.

In all unseren Düften versuche ich, über sehr persönliche Dinge zu sprechen. Momente, die ich erlebt habe oder Menschen, an die ich mich erinnere. Ich glaube, wenn man über Dinge spricht, die so persönlich und ehrlich sind, spricht das mehr Menschen an und löst Dinge in anderen aus. Das schätze ich an dem, was wir tun. Wenn jemand einen Duft riecht und man sieht, wie er emotional und gedanklich an einen anderen Ort gebracht wird. Das sind die besten Momente. Ich finde, dass unsere Düfte etwas Poetisches haben. Ich hoffe, dass die Leute das sehen können.

Eine weitere Besonderheit von ORMAIE ist, dass wir die Düfte ausschließlich mit natürlichen Inhaltsstoffen herstellen. Das war für mich wichtig. Ich finde, das Natürliche hat etwas Besonderes an sich. Es hat eine gewisse Eleganz. Es ist anders. Wir wollten sicherstellen, dass die Qualität unserer Inhaltsstoffe außergewöhnlich ist und dass sie aus sozial verantwortlichen und nachhaltigen Quellen stammen. Im Französischen liegen „bon“ (schön) und „beau“ (gut) sehr nahe beieinander. Wenn wir etwas Schönes machen wollten, musste es auch gut sein.

Die Düfte von ORMAIE basieren ausschließlich auf natürlichen Inhaltsstoffen. Gab es Schwierigkeiten bei der Entwicklung dieser natürlichen Düfte?

Alle sagten uns am Anfang, dass es unmöglich sei. Zum Glück hatte ich meine Mutter, die in der Lage war, die Geschichten, die wir erzählen wollten, in natürliche Inhaltsstoffe zu übersetzen.

Der erste Schritt war, die richtigen Partner mit den besten Rohstoffen der Welt zu finden. Danach mussten wir ein neues Know-how erlernen. Das hat eine Menge Zeit in Anspruch genommen. Wir arbeiteten mit verschiedenen Parfümeuren zusammen – einige mehr technisch, andere mehr kreativ –, um genau das auszudrücken, was wir erzählen wollten. Die Arbeit mit Naturstoffen ist sehr speziell.

Man braucht viel mehr Zeit. Wenn man mit synthetischen Inhaltsstoffen arbeitet, kann man sofort riechen, was man testet. Bei natürlichen muss man manchmal Tage warten, bis sich die Moleküle wirklich zusammenfinden und ihre ganze Kraft entfalten. Die Zeit, die man dafür braucht, hat für mich etwas Romantisches.

Ormaie – Papier Carbone
Papier Carbone von Facebook

Es gibt sieben Düfte in der Kollektion von ORMAIE. Kannst Du uns jeden Duft kurz vorstellen? Was sind die Merkmale der Parfums?

28°
Die Idee zu 28° hatte ich in Südfrankreich. Wenn man in Südfrankreich spazieren geht, kann man manchmal nur Jasmin oder Orangenblüten riechen.

Les brumes
Les brumes skizziert einen Spaziergang in einem Zitrusfeld am Morgen. Es sind diese schönen Zitrusfrüchte und man kann den Morgentau riechen, der von den Früchten auf das Holz fällt. Für mich ist es ein außergewöhnlich komplexer Duft, der einfach erscheint. Er ist sehr „rive gauche“. (Anm. d. Red.: Das linke Ufer der Pariser Seine, wo sich die Sorbonne befindet und das als Viertel der Künstler und Intellektuellen angesehen wird).

Papier carbone
Papier carbone ist eine Arbeit über das Gedächtnis. Papier carbone bedeutet Kohlepapier. Das Papier, das ein Gedächtnis hat. Ich ging auf dieselbe Schule wie meine Mutter. Und ich wollte einen Duft, der mich an diese Schule erinnert. Es ist diese Idee vom Holz der Bibliothek, vom Papier der Bücher. Außerdem habe ich als Kind Lakritze geliebt. Es ist also Sternanis drin, der an Lakritze erinnert.

Yvonne
Alle unsere Düfte sind Unisex. Aber meine Mutter hatte wunderschöne feminine Düfte entwickelt. Ich wollte, dass sie an einem klassisch-femininen Duft arbeitet, dem sie aber Modernität hinzufügt. Yvonne ist der Name meiner Großmutter. Und sie liebt Düfte, sie trägt sehr oft Parfum. Bei Yvonne ging es darum, der schönen Struktur der klassisch-femininen Parfums mit Patchouli und Rose durch rote Früchte und Schwarze Johannisbeere Modernität einzuhauchen. Es ist wirklich ein zeitloser Duft.

Le passant
Le passant bedeutet der Mann, der vorbeigeht. Es ist der Duft, an den ich mich von meinem Vater erinnere. Mein Vater trug immer einen wunderschönen Lavendelduft. Auch ich habe schon immer Lavendel getragen. Ich wollte, dass ORMAIE auch einen Lavendelduft hat. Mein Vater hatte stets Armenisches Papier in seinen Taschen, das nach Benzoeharz riecht.
Le passant ist wirklich ein schöner Lavendel, der mit Vanille, Tonkabohne, Benzoeharz und Ambrette verfeinert wurde. Es ist für mich eine gewisse Vorstellung von Männlichkeit.

L’Ivrée Bleue
L’Ivrée Bleue ist ein sehr narkotischer Duft. Es ist der Duft des Dschungels. Ich habe früher in Minen in Südamerika gearbeitet. L’Ivrée Bleue ist die Idee einer Verrücktheit, die nur im Dschungel geboren werden kann. Es hat etwas Animalisches und Süchtigmachendes an sich. Mit Rum, dunkler Vanille, Kakao. Aber es gibt auch einen Hauch von Farbe und erinnert an ein Gemälde von Le Douanier Rousseau (Anm. d. Red.: Henri Rousseau) mit Iris und Lilien.

Toï Toï Toï
Toï Toï Toï bedeutet auf Deutsch bekanntlich „Glück“. Es entspringt der Idee, die Garnier Opéra (Anm. d. Red.: Pariser Opernhaus) olfaktorisch umzusetzen – mit schönen Hölzern, Weihrauch und Wachs.

Les brumes von Facebook

Du hast bereits erwähnt, dass Ihr mit Parfümeuren zusammengearbeitet habt. Wie sehr wart Ihr in den kreativen Prozess eingebunden?

Der kreative Prozess ist immer derselbe. Am Anfang steht immer etwas, das ich olfaktorisch ausdrücken möchte. Ein Duft, an den ich mich erinnere. Ich bespreche es dann mit meiner Mutter. Es ist erstaunlich, denn wenn man mit seiner Mutter arbeitet, hat man das gleiche olfaktorische Gedächtnis. Ich kann ihr einfach sagen, dass etwas zu sehr nach der Seife in der Küche meiner Großmutter riecht und sie weiß genau, wovon ich rede.
Meine Mutter arbeitet dann mit verschiedenen Parfümeuren als Kreativdirektorin zusammen. Es kann Jahre dauern bis wir den gewünschten Duft kreiert haben.

Wenn Du an Deine Kindheit denkst, gibt es da einen besonderen Duft, der Dir in den Sinn kommt?

Der Geruch eines aufkommenden Sturms in Thailand. Dieser Geruch hat etwas so Einzigartiges an sich. Etwas sehr Instinktives, das einem sagt, dass man hineingehen soll. Es gibt diese einzigartigen Gerüche aus der Natur, die uns alle berühren. Es geht auf etwas sehr Ursprüngliches zurück, glaube ich.

Was war Dein Lieblings- bzw. Signature-Duft, bevor Du Deine eigene Duftkollektion lanciert hast?

Pour un homme von Caron, ein wunderschöner Lavendelduft.

Ormaie – Le Passant
Le Passant von Facebook

Und welchen der ORMAIE-Düfte würdest Du als Deinen Signature-Duft bezeichnen?

Le Passant wahrscheinlich.

Was können wir in der Zukunft von ORMAIE erwarten?

Sehr viel, hoffe ich. Wir haben einen neuen Duft, der bald herauskommt, und im September lancieren wir sehr schöne Kerzen.

Lieber Baptiste, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast.

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Julia Biró Verfasst von:

Bereits 2010 gingen so einige Blogbeiträge auf mein Konto. Dann war ich „kurz“ weg – sechs Jahre. Umso mehr freut es mich, dass ich nun wieder die Chance bekomme, mein Näschen im Dienste der Duftrezension schnuppern zu lassen und eifrig in die Tasten zu hauen. Was Nischendüfte angeht, habe ich damals übrigens schnell Feuer gefangen. Meine Ausbildung tat dazu ihr Übriges: Als diplomierte Biologin kenne ich mich nicht nur mit Fauna und Flora, sondern auch recht gut mit der Herstellung von Ölen und Extrakten aus, was den Reiz der Parfumwelt natürlich noch größer macht.

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