… entführt uns in die Sixties, die Sechzigerjahre – aber zuerst der Reihe nach …
Atelier Oblique ist – für diejenigen, die es noch nicht wissen – eine Duftmarke aus der Hauptstadt, die uns seit ein paar Jahren mit ihren Kreationen erfreut. Der Mann dahinter – Mario Lombardo, seines Zeichens von Haus aus Kommunikationsdesigner sowie Gestalter und als solcher alles andere als ein Unbekannter, um es bescheiden zu formulieren … Lest Euch ruhig mal die Markenvorstellung samt Porträt durch, Lombardos Lebenslauf, sein Werken und Wirken ist mehr als beeindruckend. Sein Portfolio ergänzt er seit 2018 mit einer eigenen Duftmarke, mit Atelier Oblique, mit der er uns bisher folgende Düfte beschert hat:
- Atelier Oblique – Markenvorstellung inklusive Porträt von Mario Lombardo
- Rezension von Marble Sea und White Light
- Intim werden mit Atelier Oblique – Rezension zu Closer
- Von Hipstern und Heiligen – Rezension zu Saint
- Seinen Weg gehen – Bohemian Woods
- Von Emotionen, Purismus & Authentizität – Beton Brut
Swinging Sixties in a Bottle – Voodoo Flowers
„Lord knows I‘m a Voodoo Child“ – das Eau de Parfum Voodoo Flowers schöpft seine rohe Kraft aus dem Blues Rock der späten 60er und frühen 70er und katapultiert sie ins Heute. Dieser Duft ist charakterstark, hinterlässt einen markanten Eindruck und will auch genauso selbstbewusst getragen werden. Das Duftbild breitet sich aus wie der vibrierende Sound eines auf Anschlag gedrehten Verstärkers, der bei den rhythmischen Saitenanschlägen förmlich glüht und schreit. Ein Klang voller Energie, der verruchte Kellerklubs zum Kochen bringt. Ein verführender Dämon, der weder angepasst ist noch gefallen will und gerade deswegen begehrt ist.
Das Eau de Parfum Voodoo Flowers ist einnehmend holzig-blumig und betört die Sinne mit seinem unverkennbaren, rauchigen Duftbild. Wie eine geheimnisvolle Kraft, die uns magisch umhüllt. In der Kopfnote dominiert eine aromatische Komposition aus Gin, Salbei, Champagner und Limette. Im Herzen entfaltet sich ein üppiges Blumenbouquet aus Iris, Veilchen und rosa Pfeffer, während balsamig-rauchige Basisnoten aus Styrax, Leder und Zeder schwer und dominant den Charakter festigen. Schwarze Magie.
Inspiration
Wummernder Gitarrensound, verführerische Gesten und eine Präsenz, die fast unwirklich scheint. Das Eau de Parfum Voodoo Flowers nimmt seine Kraft aus dem Blues Rock der späten 60er und frühen 70er Jahren. Wie ein Zauber verlockt uns diese schillernde und gleichzeitig unnahbare Gemeinschaft, die sich zwischen rock-chic und verruchter Dunkelheit bewegt. Von Keith Richards über Jimi Hendrix bis zu Alison Mosshart – damals wie heute ziehen sie uns mit wilder, ungezügelter Unangepasstheit in ihren Bann. Von faszinierender Intuition und virtuoser Magie geleitet. Dieses Parfum gibt uns das Gefühl von ungezügelter Freiheit, ist rauchig, blumig, schwer, geradezu einnehmend und birgt eine betörende Tiefe zugleich. Die Aura eines unangepassten Lifestyles.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Zitrische Noten, Champagner, Gin, Salbei
Herznote: Iris, Ingwer, Jasmin, Veilchen
Basisnote: Styraxharz, Wacholder, Leder, Vetiver
Parfumeur: Serge de Oliveira
Wie schon sein gestriger Duftvorgänger Beton Brut entstammt Voodoo Flowers den Phiolen von Serge de Oliveira, dessen Namen einigen von Euch vielleicht (noch?) nicht so geläufig ist. De Oliveira hat bisher einige (jüngere) Kreationen für Parfums de Rosine geschaffen, darüber hinaus unter anderem White Stones für Exuma, Tonka & Amande Absolue sowie (bisher) drei weitere Düfte für 100 Bon, 903 Baies du Népal Safran Oud für Bon Parfumeur, einige Parfums für Nino Amaddeo (2019) und für Æmium (2020). Schaut man auf die Daten der Lancierungen, ahnt man es bereits – de Oliveira ist selbst quasi noch ein Jungspund, er ist Mitte 30 und Parfumeur bei Robertet, wie man nebst anderen interessanten Details aus seinem Leben und Wirken beispielsweise in diesem Interview lesen kann, klick. Beton Brut hat mich neugierig gemacht auf de Oliveiras weiteres Wirken, das zukünftige, allerdings auch auf einen Duft, den ich bisher noch nicht kenne, auf Remember Me von Masterpiece. Noch nie gehört, weder Duft noch Marke, dennoch liest er sich äußerst deliziös, obschon nicht unbedingt so, als ob er meinem Beuteschema gerecht wird: Sauerkirsche und Bergamotte, Mandel, Lakritze, Schokolade und Vanille, Sandelholz und Moschus … könnte das vielleicht, vielleicht ein Nachfolger für meinen schmerzlich vermissten Hiroshima Mon Amour von Nez à Nez sein?
Aber kommen wir zum Duft – oder besser der Zeit, in der er verortet ist: die Swinging Sixties. Lombardo hat sie genauso wenig wie ich live miterlebt, vermutlich geht das einigen, vielleicht sogar vielen von Euch ähnlich? Dass Lombardo allerdings in diesem Kontext auf Musik anspielt, wundert mich wenig, hatte ich ihn doch bereits früher „ertappt“ (oder meinte, das getan zu haben) und als Joy Division- und Velvet Underground-Fan „geoutet“, zumindest bin ich mir diesbezüglich recht sicher 😉 Heute kommt nun also noch im Speziellen Jimi Hendrix dazu oder zumindest dessen (einer) Song Voodoo Child, auf den die Duftbeschreibung zu Voodoo Flowers anspielt (und der, nebenbei bemerkt, zu den berühmtesten von Hendrix zählt, darüber hinaus immer wieder in die Listen der besten Songs aller Zeiten gewählt wird)
„Well, I stand up next to a mountain – And I chop it down with the edge of my hand – Yeah – Well I pick up all pieces and make an island – Might even raise a little sand
Yeah – Cause I’m a Voodoo Child – Lord knows I’m a Voodoo Child baby – I want to say one more last thing – I didn’t mean to take up all your sweet time – I’ll give it right back to ya one of this days“
Auch, wenn die Lyrics zu Voodoo Child vielseitig zu interpretieren sind – sie strotzen vor Selbstbewusstsein, oder nicht? 😉 Im Allgemeinen liest sich der Text zum Duft Voodoo Flowers wie eine generelle Hommage an die Swinging Sixties, deren Musik und selbstredend deren (Zeit)Geist. Vietnamkrieg und Studentenbewegung, Beatniks, sexuelle Revolution und Grundsteinlegung, wenn man so will, für die Hippiegeneration (ehrlicherweise ist keine ganze Generation dazwischen, eigentlich geht es nahtlos ineinander über …). Und natürlich – Musik. Viel Musik. Rolling Stones und Beatles, Jimi Hendrix und Janis Joplin, ganz klar, The Doors und The Who und wie sie alle heißen …
Bluesrock, Rock … welche Düfte gibt es hier, die diesen Tribut zollen? Mir fallen spontan eine Handvoll ein, die mehr oder weniger in diese Richtung tendieren … Zuallererst natürlich an das Label 19-69, das mit einigen derartigen Zeitbezügen aufwartet, gerne auch in Kombination mit musikalischen Bezügen. Und dann denke ich an Les Bains Guerbois, eine meiner Lieblingsneulancierungen des letzten Jahres: die Duftkollektionen zum legendären Pariser (Jahrhundertwende)Badehaus, das in Folge zum Kultclub avancierte und heute ein Luxushotel beherbergt. Darüber hinaus kommt mir noch Room 1015 in den Sinn, selbstredend. Spontan verließen sie ihn oder vielmehr mich dann aber auch wieder … fällt Euch noch etwas ein?
In jedem Fall schwelge ich, schon bevor Voodoo Flowers auf meiner Haut gelandet ist, in einer Erinnerung, die gefühlt 100 Jahre her ist – Clubleben. Nicht, dass ich in meinem doch nicht mehr ganz taufrischen Alter noch ständig durch das Nachtleben taumele oder besser: taumelte … Aber hin und wieder ist es doch ganz nett, sich ins flirrende Leben zu werfen, tanzen, feiern zu gehen oder auf ein Konzert … Nach zumindest in meinem Fall Elfenbeinturmdasein seit März letzten Jahres fehlt mir das langsam doch ein wenig, obschon es sicherlich meckern auf einigermaßem hohem Niveau gleichkommt. Allerdings wird man ja wohl noch ein wenig Träumen dürfen – davon, dass sie mich dann noch in derartige Etablissements lassen, wenn Covid-19 Geschichte ist 😉
Voodoo Flowers werde ich dann ausführen, und zwar mit Freuden. Was für ein schöner, komplexer Duft. Unisex? Jein, ja, ein bisschen – ein Tick ins Feminine geht er, steht aber sicherlich einem Mann genauso gut zu Gesicht, wenn er den Duft zu tragen weiß. Auf den ersten Blick fast schon Understatement, auf den zweiten Schnupperer allerdings überaus überraschend, besonders und vielschichtig. Diverse Assoziationen fallen mir dazu ein, Reminiszenzen, aber kein vergleichbares Parfum. Eine Lederiris, erhaben, minimalistisch-schnörkellos und gleichwohl wild-ungezügelt und verspielt. Samtig-sandiges Wildleder (eines, das sich selten in dieser Ausgestaltung in Düften findet – vielleicht in Daim Blond von Serge Lutens, der allerdings ganz anderen Naturells ist) in hellen Braun- und Beigetönen, von sachtem, „trockenen“ Puder umfangen, retro in seiner Ausstrahlung und an jene skinnigen Bourlesque-Düfte erinnernd, die subtil-erotischen (siehe 1889 Moulin Rouge von Histoires de Parfums, Seven Veils von Byredo, Fifi Chachnil, wobei alle diese Beispiele nur in einzelnen Facetten vergleichbar sind, wenn überhaupt …). Eine gewisse grün-aromatische Herbheit, kontrastiert von einer „kinky“ anmutenden Süße zieht mich in ihren Bann. Exzessiv geht es hinter den Kulissen zu – Ingwerherbheit, trocken-würzig-holzig-fruchtig, flankiert von „bitzelnden“, zitrisch angehauchten Noten, die mich an Champagner aus gutem Haus als auch die legendären Gin-Cocktails in meiner favorisierten Bar erinnern, welche es hoffentlich noch geben wird nach der Pandemie, eignete sie sich doch ganz vorzüglich sowohl für Auftakt als auch Ausklang eines gelungenen Abends … Das ganze olfaktorische Vergnügen zeigt sich gehüllt in zivilisierte Rauchschwaden harziger Art – nicht zuviel, eher hintergründig, aber dennoch vorhanden und ausdrucksstark.
Hach ja … es kommt sicher der Tag oder besser die Tage, vermutlich handelt es sich nämlich um verschiedene, an denen Voodoo Flowers einzieht und ich mich dann, vermutlich ein Weilchen später, auch wieder einmal auf die Menschheit loslassen kann und sie auf mich, zusammen die Nacht zum Tag machend …
Ein schönes Wochenende meine Lieben –
herzlichst
Eure Ulrike
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