… ist der zweite Neuling des Hauses und somit deren fünfter Duft. Gestern hatte ich Euch bereits 46th Street vorgestellt, der mich umgehend für sich eingenommen hat. Leider, leider ist er wirklich glasklar ein „Mann“, will sagen – er passt meines Erachtens definitiv nur zu einem maskulinen Träger. Und wie verhält es sich mit Hudson River NY? Ich bin gespannt und stürze mich umgehend stellvertretend für Euch ins duftende Vergnügen 🙂
Flussfundstücke – Hudson River NY
„Gravel Hudson River NY ist eine der späteren Schöpfungen von Gravel Cologne und nimmt Bezug auf die Kiesel (engl. Gravel) die jeden Flakon einzigartig machen und seit jeher per Hand hinzugefügt werden. Der Name der Marke Gravel Cologne, entstand bei einem Spaziergang Michael Knudsen’s am Hudson River, bei dem er erstmalig Kiesel aus dem Hudson nahm und ihn einem Parfum beimengte. An diesem Tag entstand das Konzept für Gravel.
Dieser anfangs frische, blumige Duft entfaltet seine vollen Aromen nach kurzer Zeit des Tragens und entwickelt eine holzige, würzige Note, die von einer dezenten Vanille Note abgerundet wird.“
Kopfnote: Bergamotte, Geranium
Herznote: Lavendel, Koriander, Kardamom
Basisnote: Tonkabohne, Vanille, Zedernholz, Hölzer
Der zweite Kandidat für heute ist Hudson River NY, der sich logischerweise auf den gleichnamigen Fluss bezieht. Was Flüsse angeht, bin ich bockmies … Wiki hilft weiter, wie häufiger einmal: 493 Kilometer lang ist er und bahnt sich seinen Weg durch die Bundesstaaten New York und New Jersey im Nordosen der USA. Er entspringt in den Adironback Mountains am Henderson Lake (NY), fließt dann überwiegend nach Süden, bekommt dann Gesellschaft vom Mohawk River, dessen Wasser er bei Albany aufnimmt. Im weiteren Verlauf tangiert er kurz New Jersey, um dann kurz vor seiner Mündung den New Yorker Hafen zu erreichen, zwischen Manhattan und Staten Island in den Atlantik zu münden. Jener Unterlauf ist deshalb auch dem Einfluss der Gezeiten unterworfen, der sich noch über 200 km weiter oberhalb auswirkt. Wow, man lernt nie aus. Nice to know: das Hudsontal, durch das er sich schlängelt, ist wohl streckenweise so malerisch, dass man dem Hudson River die Bezeichnung Rhein Amerikas verliehen hat.
Wie lange gibt es New York eigentlich schon beziehungsweise seit wann leben Menschen dort und wie viele? Ich war neugierig … Laut Schätzungen dürften sich die ersten Menschen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dort angesiedelt haben. Mehr als ein Jahrhundert später, ab 1775, gibt es dann genaue Zahlen dank der Volkszählungen: 25.000 Einwohner hatte New York damals, 1860 dann schon über eine Million, 1920 über fünf Millionen und heute über acht Millionen Einwohner.
Was hat das mit Hudson River NY zu tun? Ich musste an einen Artikel denken, den ich neulich gelesen hatte, und zwar über Mudlarking. Was das ist? Als Mudlarking oder vielmehr Mudlarker, Schlammsucher, bezeichnet man Menschen, die an den Ufern von Flüssen in (Groß)Städten nach Angespültem suchen. Früher waren das logischerweise eher Bettler, generell Arme und meistens Kinder, die vornehmlich an der Themse nach Verwertbarem suchten.
Heute ist das Mudlarking offensichtlich zum Hobby einiger Städter avanciert, die zum Teil interessante Stücke und Sammlungen zusammengetragen haben. Einiges davon ist Jahrhunderte alt – dazu muss es aber selbstredend zu besagter Zeit auch bereits Ansiedlungen in der Nähe der Flussufer gegeben haben 😉
Hier findet sich ein sehr netter und ausführlicher Artikel über das moderne Mudlarking in London: dessen Ursprünge, Tipps und Tricks, legale Vorgaben bzw. Richtlinien und so weiter. In den letzten Monaten wurde immer wieder in diversen Medien davon berichtet (siehe zum Beispiel hier im Standard, Spiegel), vom Mudlarking sowie einigen „Infizierten“ klick. Dafür sorgte vor allem eine Frau namens Lara Maiklem, die diesem Hobby schon lange frönt, einen Instagram-Account betreibt mit vielen tollen (und vor allem auch: toll arrangierten) Bildern, die ihr Buch illustrieren, mit welchem sie … jetzt findet der Satz ein Ende: Preise gewann und einen Bestseller landete. Sogar auf Etsy finden sich beim Mudlarking gefundene Gegenstände und daraus Gebasteltes, seht hier.
Überwiegend an den Ufern der Themse spielt es sich ab, das Mud- oder auch Tidelarking, so scheint es zumindest. Gibt’s so etwas auch am Hudson River? Zumindest ist New York schon lange genug eine zahlentechnisch größere Stadt, siehe oben. … et voilà, gefunden: Mudlarking in New York. Hier ein ABC-Artikel, reich bebildert. NYC Mudlark, ein Instagram zum Thema mit schönen Bildern. Hier ein Artikel der etwas anderen Art – und zwar einer, der die seltsamsten und kuriosesten Stücke listet, die jemals im Hudson River gefunden wurden.
Jetzt bin ich aber wirklich abgeschweift 😉 Der Ausgangspunkt allerdings war sicherlich klar – Michael Knudsen, den ich mir bei seinen Spaziergängen am Hudson River vorgestellt habe beim Kieselsteine sammeln. Ob er auch ein paar andere Objekte mitgenommen hat? Zumindest scheint man ja auch im Hudson einiges zu finden, wenn man denn die Augen aufmacht. Und derzeit ist Mudlarking erst recht sicherlich nicht das schlechteste Hobby bezogen auf Corona und Co. … Aber kommen wir zurück zu Gravel: für Knudsen waren es Kiesel, Kiesel, Kiesel, die er aus dem Flussbett aufsammelte. Die, die in jedem Fläschchen seines Duftes Gravel quasi als Markenzeichen vorhanden sind. Ob wirklich alle Steinchen aus dem Hudson stammen und handverlesen sind? Egal, zumindest waren sie es sicherlich mal und der Rest der Geschichte von Gravel ist ziemlich sympathisch, wie ich finde.
Wie wird er wohl sein, der Duft, der dem Hudson River huldigt und somit gleichermaßen der Geschichte der Marke? Um das beurteilen zu können, muss er auf die Haut …
… ein Tausendsassa, einer, der auf allen olfaktorischen Hochzeiten tanzt, allerdings im ausschließlich positiven Sinne! Einzigartigkeit offenbart er bereits auf den ersten duftenden Metern, mir fällt kein vergleichbarer Duft ein, obschon sich die Zutaten auf den ersten Blick relativ klassisch lesen. Und dennoch kommt es vor, dass man sich, eingeschworene Parfumistas werden es wissen, täuscht – denn das Resultat geht in keine Richtung, in die ich den Duft vorab rein aufgrund seiner Duftnoten einsortiert hätte. Selten, aber wahr: ich habe sogar Probleme damit, ihn in Worte zu packen, in Worten darzustellen.
Woran liegt es? An seinem Unikatscharakter. Und daran, dass es mir stellenweise ein Rätsel ist, woran es liegt, dass er sich so entwickelt, wie er es tut beziehungsweise nicht wirklich einen Anhaltspunkt habe, auf was ich seine Entwicklung zurückführen kann. Im Auftakt zeigt er eine leuchtende, dichte und eindringlich-markante Note, die viele funkelnde Facetten offeriert: von zitrisch-herber Bergamotte durchwirktes minzig-aromatisch-frisches Grün als auch rosigem Einschlag, das ist zumindest ganz klar Geranium nebst Anklängen von Koriander als auch Kardamom, dann lavendel-krautig-matte Ernsthaftigkeit, die sich von einer gewissen, samtig-staubtrockenen Pudrigkeit getragen sieht. In dieser ist „Dynamik drin“, wie man so schön sagt, sie ist in Bewegung, katzengleich elegant. Tonkabohne und Vanille wärmen aus der Basis, wohlig, wohltuend und würzig, fast schon balsamisch, was von einer Melange aus Hölzern kongenial kontrastiert wird. Zedernholz mischt mit, stiftet die ihm genuinen, subtil seifigen und verhalten sauberen sowie gleichermaßen seriös-knarzig-kantige Holztöne. Und dann ist da noch eben jene Facette, jener Akkord, der zumindest auf meiner Haut im Auftakt auf eine seltsame Weise fruchtig-floral scheint. Scheint im doppelten Sinne, wie erscheinen als auch wie erstrahlen. Ein Chamäleon, dieser Akkord, der sich zunehmend im weiteren Verlauf entwickelt und wässrige Noten präsentiert, blau-grün-türkis-petrol, wenn Ihr es ganz genau wissen wollt. Allerdings weniger Meer oder See, sondern eher … schwierig, Fluss eben 😉 Mir fällt an dieser Stelle nur ein Duft ein, dem ähnliche Wassernoten innewohnen, Nishanes Boszporusz.
Hudson River ist unisex tragbar, aber von der Ausrichtung her eher auf Männer bezogen, reiht sich somit nahtlos ein in die Riege der Gravel-Düfte. Am ehesten könnte man ihn als moderne und phantasievolle Adaption eines Fougère-Duftes mit eben jenen „wässrigen“ (weil nicht dezidiert maritimen oder aquatischen) Akzenten beschreiben. Ein schöner Alltagsbegleiter für jede Lebenslage, der so gar nicht alltäglich ist.
Mich haben sie überzeugt, die beiden Neulinge – Euch auch? Hat schon wer getestet, ist wer neugierig?
Viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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