… wandeln wir wie so oft auf den historischen Spuren Napoleons, das kennt man von den Franzosen bereits. Von Creed im übrigen auch, die sich ebenfalls gerne mit einer langen Firmenhistorie schmücken, die von vielen Parfumistas hinterfragt wird, wie Harmen und ich bereits einige Male erwähnt haben, siehe unter anderem hier. Octavian Coifan hat in seinem hervorragenden, leider mittlerweile nicht mehr uneingeschränkt zugänglichen Blog 1000 Fragrances damals dargelegt, dass keine Flakons der Marke existieren, die älter sind als … ich meine, Vierziger- oder Fünfzigerjahre, und dass die Düfte allesamt von den Rezepturen her typisch sind für diese Zeit.
Was Rancé 1795 angeht, verhält sich das definitiv anders – am Firmensitz lässt sich das markeneigene Museum besuchen, wo sich etliche „Beweise“ für die mehr als eindrucksvolle Historie des Unternehmens ablesen lässt. Nicht weiter verwunderlich, dass sich das französische Familienunternehmen sehr gerne auf historische Personen und Begebenheiten bezieht, die zu diesen Zeiten gelebt beziehungsweise sich zugetragen haben. Napoleon, der Napoleon, spielt selbstredend häufiger eine Rolle – so auch heute, ausnahmsweise allerdings: der junge Napoleon. In welchem Kontext erfahrt Ihr gleich – Vorhang auf an dieser Stelle für die schöne Désirée!
Von der ersten Liebe – Désirée von Rancé 1795
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, wie es Hermann Hesse in seinen Stufen dichtete – wie wahr diese Worte doch sind, erst recht, wenn es sich um die magischen Momente der ersten Liebe handelt …
Désirée Clary, die spätere Königin Schwedens und Norwegens, war die Frau, die erstmals das Herz Napoleon Bonapartes eroberte. Ein seltener Zufall ließ die beiden aufeinandertreffen: der Versuch Clarys, ihren Bruder aus dem Gefängnis zu befreien, bei dem sie wiederum den Bruder Napoleons kennenlernte – durch diese Bekanntschaft nahm das Schicksal seinen Lauf.
Napoleon, ein impulsiver, ungestümer Visionär von korsischem Adel, und Désiree, eine blutjunge Schönheit aus einer südfranzäsischen Kaufmannsfamilie entflammten in Liebe – eine, die nicht lange währte, aber dennoch ewig in Erinnerung bleiben sollte …
Désirée sieht sich inspiriert von der Unvergesslichkeit der ersten Liebe, jener unvergleichlichen Kraft, die uns alle lebenslang prägt.
Ausgelassen und leidenschaftlich evoziert Désirée den Enthusiasmus der Jugend, deren lebendiges Temperament und unstillbares Verlangen: samten-fruchtige Rosen im Duett mit herb-zitrischer Pampelmuse, von Pfeffer kokett kontrasiert. Exotische Passionsfrucht stiftet saftige Süße, eingerahmt von sinnlich-cremigen weißen Blüten. Die Basis aus kostbarer Ambrawärme, Zeder und pudrig-weichem Moschus vollendet Désirée malerisch auf harmonische Weise.
Einmalig, eindrucksvoll und atemberaubend – Désirée.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Pampelmuse, Rose, Rosa Pfeffer, Passionsfrucht
Herznote: Gardenie, Jasmin
Basisnote: Ambra, Zedernholz, Moschus
Bernardine Eugénie Désirée Clary, 1777 geboren in Marseille, 1860 gestorben in Stockholm ist die Frau, der sich Rancés Duft Désirée widmet. 1798 sollte Désirée Bernadotte General Bernadotte ehelichen, der 1810 – damals dann Marschall von Frankreich und Fürst von Ponte Corvo – von dem schwedischen Königspaar, das kinderlos geblieben war, adoptiert wurde – als Kronprinz unter dem Namen Karl Johann. 1818 wurde dieser zum König von Schweden und Norwegen gekrönt, somit wurde Désirée unter dem Namen Desideria zur Königin.
Désirée entstammte keinem Adelsgeschlecht, sondern wurde als jüngstes von dreizehn Geschwistern in die Kaufmannsfamilie des François Clary hineingeboren. Dieser betrieb in Marseille ein Im- und Exportgeschäft mit diversen Kolonialprodukten, vor allem aber Kaffee und vornehmlich mit Konstantinopel als Handelsschwerpunkt.
Zur weiteren Biographie findet sich wie so oft eine gute Zusammenfassung bei Wikipedia:
„Über Désirées Jugend ist nur wenig bekannt. Sie besuchte nur wenige Jahre eine Schule, anschließend lebte sie mit ihren beiden ältesten Geschwistern (Etienne und Julie Clary), ihrer Mutter und dem Hausmädchen Marie in Marseille zusammen. In ihrem Tagebuch schildert sie sowohl die französische Revolution als auch ihr Privatleben.“
Vor allem mit Julie scheint Désirée wohl eine gute und vor allem enge Beziehung gehabt zu haben, wie man unter anderem an diesem Porträt der beiden Schwestern erkennen kann. Dieses steht im übrigen derzeit zum Verkauf, wer also noch ein wenig Geld in der Porto- oder auch Urlaubskasse hat, gerne hier entlang 😉
Wenig später wird es dann offensichtlich abenteuerlich, für mich gänzlich unerwartet, kannte ich doch die Hintergründe vor meiner Recherche nicht – erneut siehe Wiki:
„Im Jahre 1793 lernte Eugénie, die sich erst später Désirée nannte, die arme korsische Auswandererfamilie Buonaparte (später Bonaparte genannt) kennen, als sie versuchte, ihren älteren Bruder Etienne aus dem Gefängnis zu befreien und dort durch Zufall Joseph Bonaparte traf. Diesen stellte sie ihrer älteren Schwester Julie vor, weil diese noch unverheiratet war. Im August 1794 heiratete Julie Joseph Bonaparte, den späteren König von Neapel bzw., danach folgend, König von Spanien. Die Hochzeit erfolgte von Seiten Josephs nicht zuletzt aufgrund der hohen Mitgift Julies. Eugénie verliebte sich in Josephs Bruder Napoleone, und beide wurden ein Paar. In der Zeit vom April 1795 bis 1796 war Désirée mit dem jungen, noch unbedeutenden General Napoleon Bonaparte, dem späteren Kaiser der Franzosen, verlobt. Da Napoléon in Paris später die einflussreiche Witwe Joséphine kennenlernte und 1796 heiratete, kam es nicht zur Heirat zwischen den beiden. Durch einen weiteren Zufall lernte Desirée am selben Tag Jean-Baptiste Bernadotte kennen.“
Wie oben erwähnt heiratete Désirée im August 1798 besagten General, dem sie am 4. Juli 1799 einen Sohn namens Oskar gebar. Napoleon rühmte sich später, bereits nach Sankt Helena verbannt, der Patenschaft, wobei General Bernadotte, der mittlerweile als Karl XIV. Johann von Schweden bekannt war, dem widersprach, weswegen Napoleons Bruder Joseph Bonaparte als der eigentliche Pate angenommen werden kann. Die Bernadottes waren zu dieser Zeit eng mit der Familie Josephs befreundet, Napoleon wiederum befand sich damals als Oberbefehlshaber auf der bekannten Ägyptenexpedition.
Désirée selbst war offensichtlich keine blaublütige „Hausfrau“:
„Obwohl ihr Mann und ihr Sohn ab 1810 in Schweden lebten und Bernadotte 1813 und 1814 die Nordarmee in den Befreiungskriegen gegen Napoleon führte, reiste sie nach Frankreich zurück und lebte dort bis 1823, größtenteils unter dem Pseudonym Gräfin von Gotland. Als Gründe hierfür gelten sowohl gesundheitliche – sie kam mit dem nordischen Klima 1810 nicht zurecht – als auch ihre Abneigung gegenüber dem steifen schwedischen Königshof. Anlässlich der Hochzeit ihres Sohnes am 19. Juni 1823 kam sie mit der Braut Josephine von Leuchtenberg nach Stockholm. Am 21. Dezember 1829 fand ihre Krönung in Stockholm statt. In Norwegen konnte sie als Katholikin nicht gekrönt werden, weil in der norwegischen Verfassung die evangelische Kirche als Staatsreligion verankert war. Allerdings waren die Insignien schon beschafft und befinden sich heute im Dom zu Trondheim. Sie lebte jedoch getrennt von ihrem Ehemann auf Schloss Rosersberg bei Sigtuna. Am 17. Dezember 1860 begab sich Desideria nach Stockholm, um eine Inszenierung des Dramas von Calderón Das Leben ist ein Traum zu sehen. Nach dem Theaterbesuch starb sie plötzlich auf der Treppe des Königsschlosses in Stockholm. Ihr Sohn Oskar folgte seinem Vater auf den Thron. Das heutige schwedische Königshaus trägt immer noch den Familiennamen Bernadotte.“
Ob es eine glückliche Ehe war? Man weiß es nicht oder besser: ich weiß es nicht, habe es auch im Rahmen meiner Recherche nicht näher beleuchten können. In jedem Fall ist es nicht ganz unwahrscheinlich angesichts der (Lebens)Umstände, dass sie zeitlebens Napoleon, die Erinnerung an ihn, irgendwo im hintersten Winkel ihres Herzens mit sich getragen hat. Und selbst wenn er vielleicht nicht der Traumtyp war, zumindest scheint er ihre erste echte Liebe gewesen zu sein – eine Erinnerung, die nicht so schnell verblasst und bei der man geneigt ist, sie retrospektiv auch gerne einmal ein bisschen zu beschönigen 😉
Diese erste Liebe, die ungestüme, wilde, wohl auch leidenschaftliche haben sich Rancé 1795 als Motiv zu ihrem Duft Désirée herausgesucht. Wirft man vorab einen Blick auf die Gemälde der jungen Désirée und stellt sich dabei vor, dass sie auch nur annähernd so attraktiv war wie dargestellt, kommt man nicht umhin, zu verstehen, dass Napoleon gar nicht anders konnte, als sich in diese junge Schönheit zu verlieben.
Dass Rancé 1795 für einen derartigen Duft eine Rose als Protagonistin auswählen, ins Zentrum ihres Parfums stellen, ist ebenfalls nicht erstaunenswert. Rosen gelten wie kaum irgendeine andere Blume in unserem Kulturkreis als Symbol für die Liebe – und dennoch, da diese Liebe so jugendlich ist, sehe ich hier nicht die klassische rote Rose, sondern eher … eine etwas „frischere“ Variante wie diese hier:
Désirée, der Duft, entpuppt sich demgemäß auch keinesfalls als traditioneller Rosenduft – wer Röslein in Parfums nicht mag, muss deshalb nicht zurückschrecken, meine Lieben!
Wer jetzt die Ohren spitzt, denkt vielleicht an kontemporäre, „leichte“ Rosendüfte, vor allem, wenn er vorab einen Blick auf die Ingredienzen von Désirée geworfen hat – fruchtig ist das erste Attribut, das einem in den Sinn kommt … und es trifft zu. Insofern sind einige von Euch gedanklich sehr wahrscheinlich bei solch tollen Rosen wie Miss Charming von Juliette has a Gun aus den Händen oder vielmehr Phiolen von Kurkdjian gelandet oder auch bei Byredos Rose Noir, die gar nicht mal so dunkle, und bei dem Klassiker Rose Ikebana von Hermès aus der Hermèssence-Kollektion …
Vollkommen korrekt, meine Lieben!
Selbst wenn hier Gardenie gelistet ist, in allererster Linie schnuppere ich eine Rose, eine fruchtige, jung-jugendliche, irgendwo zwischen Pink, Rosé- und Lachsfarben als auch leuchtendem Orange, am besten alles in einer Blüte. Saftig-reife Maracuja von einer schönen Herbheit spielt die zweite Hauptrolle, und lässt mich vor allem an die herrliche Rose Ikebana denken, die schon seit jeher einen Ehrenplatz in meinem Duftregal einnimmt.
Nur, ehrlicherweise muss ich gestehen, dass mir Désirée vielleicht sogar noch ein Quentchen besser gefällt. Ihr mangelt es zwar an jener leisen, latent vorhandenen Teenote, die Rose Ikebana ganz vorzüglich steht, dafür brilliert sie mit perfekt kontrastierendem rosa Pfeffer. Das schmückende Beiwerk zwecks Zutaten leuchtet nur aus beziehungsweise umrahmt – ein klitzekleiner Hauch Wärme, ein bisschen Weichheit, eine Prise Hölzer und ein Tacken Jasmincremigkeit, ohne dass dieser sich indolisch geriert.
Désirée ist ein Volltreffer, wirklich. Mein Herz hat er spontan erobert, und selbst wenn er eine nicht zu unterschätzende Ähnlichkeit im duftenden Geiste mit Rose Ikebana aufweist – wie schon erwähnt, mir gefällt er vielleicht sogar ein wenig besser. Und, nicht zu vergessen, nicht vorrangig wichtig, aber dennoch nicht zu unterschätzen – er ist sehr viel preisgünstiger.
Liebe Liebhaberinnen moderner Rosen – ein Test ist für Euch unumgänglich, sobald diese hübsche Blume bei uns im Shop gelandet ist!
Herzlichst
Eure Ulrike
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