Hermetica Paris lässt Blumen blühen: Megaflower und Multilotus …

… sind heute an Tag 3 Thema unserer Rezensionsreihe zu der neuen Marke. Hermetica Paris wurden von dem Ehepaar Molloy ins Leben gerufen, die bereits Memo und FLORAÏKU gründeten – „alte Hasen“ der Duftbranche demnach. Drei Düfte habe ich mir bereits stellvertretend für Euch unter die Nase geklemmt – falls Ihr erst jetzt dazukommt, seht hier:

Eine umfangreiche neue Kollektion, in der wir knie- oder besser nasentief stecken, deshalb Vorhang auf für Duft vier und fünf, für Megaflower und Multilotus.

Clara & John Molloy – geklaut auf der Hermetica Paris-Website

Der Superlativ einer besonderen Blume – Megaflower

„Megaflower Eau de Parfum is a bouquet of orange blossom, wrapped with VETIVER OIL that add an inviting warmth. Like love at first sight, this fragrance strikes with both a powerful and yet delicate thunder of MANDARIN MOLECULE and ORANGE FLOWER ABSOLUTE.“

Megaflower trägt das Etikett „Orange Flower Overdose“, eine Überdosis Orangenblüte, und wird von Hermetica Paris als Orangenblütenstrauß angepriesen, von Mandarinen und Vetiver veredelt. Die Assoziationen der Pariser zum Duft:

„Orange – Orangeflower – Flowersensualpower – Powerpassionpetalrose – Roseplusriseplusblow – Blogingwantingwhisperingyes – Megayes – Mega – Megaflow – Megaflower“

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Orangenblüten – ein Klassiker der Düfte, genauer gesagt der Weißblüher. In der Gruppe derselben sind die zarten Blümelein vergleichsweise zahm, anfängertauglich, möchte man fast sagen, vergleicht man sie mit den Wuchtbrummen-Schwergewichten Jasmin und vor allem Tuberose. Letztere sind Spalter, wie ich gerne zu sagen pflege – man liebt oder hasst sie, vor allem wenn sie typisch inszeniert sind, will sagen: ihr Charakter authentisch herausgearbeitet ist. Indolische Anklänge und pilzige Noten wohnen den beiden gerne mal inne, darüber hinaus sind sie häufig derartig ausladend, dass sich an ihnen die zumeist weiblichen Geister scheiden. Denn derartige Vollblutweißblüher sind zumeist in dezidiert femininen Düften zu finden – und selbst wenn wir uns in der Nische befinden und sich meiner Meinung nach ohnehin jeder Duft seinen Träger oder seine Trägerin selbst sucht, gibt es doch nur sehr wenige Männer, die sich an diese Blumen heranwagen. Auch innerhalb der Damenwelt sollte man eine Ader, ein Faible für sie haben, sind sie doch aufgrund ihrer Opulenz eher etwas für Fortgeschrittene.

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Orangenblüten werden schon sehr lange als Zutat in Düften verwendet. Oftmals wird die Orangenblüte synonym mit Neroli verwendet, man setzt die beiden gleich, obschon wir es hier im strengeren Sinne mit zwei unterschiedlichen Ingredienzen zu tun haben: Orangenblüten stammen, unschwer zu schlussfolgern, vom Orangenbaum, Citrus sinensis, während Neroli eigentlich die Blüten der Pomeranze Citrus aurantium bezeichnen – manchmal allerdings sind hier eben auch diejenigen der (klassischen) Orange gemeint.

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Ohnehin  ist das, wenn ich mich an dieser Stelle einmal „beschweren“ darf, eine Krux mit den Zitrusfrüchtchen, weil es gar nicht mal so einfach ist, diese auseinanderzuhalten beziehungsweise sich mit den vielen unterschiedlichen Kreuzungen und Hybriden auszukennen. Die Orange, auch Apfelsine genannt, ist in der Tat eine Kreuzung aus Citrus reticulata, der Mandarine, sowie Citrus maxima, der Pampelmuse. Letztere ist mitnichten dasselbe wie Grapefruit, nebenbei bemerkt. Pomeranzen, auch Sevilla-Orangen, Bitterorangen oder saure Orangen genannt, haben vermutlich dieselben Eltern wie die (süße) Orange, werden aber gemeinhin unterschiedlich verwendet, vor allem im Hinblick auf lukullische Köstlichkeiten. Außerdem fand die Bitterorange, deren Ursprung nicht mehr haargenau auszumachen ist, ihren Weg nach Europa früher als ihre süße Schwester: Bereits im 11. Jahrhundert kam sie in Italien an, während sich die (für uns) „normale“ Orange dafür vierhundert Jahre (!) mehr Zeit ließ und anfänglich überwiegend in Portugal angebaut wurde. Fest steht in jedem Fall, dass Bitterorangen im asiatischen Raum bereits sehr circa 4000 Jahren kultiviert werden, und zwar von Anfang an wegen ihres Aromas, ergo aufgrund von Essenszwecken. Dennoch überwiegt heutzutage der Anbau von süßen Orangen, die die weltweit am meisten angebaute Zitrusfruchtart darstellen.

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Kommen wir zurück zu den Blüten der süßen Orange: Orangenblüten sind, im übrigen genauso wie Neroli, ausdrucksstarke Blümelein und überaus stark duftend, allerdings auf sanfte Weise: lieblich ist ihr Duft, zart, auf eine Weise frisch um nicht zu sagen erfrischend und von einer nektargetränkten Süße. Vermutlich dürften sie eine der wenigen blühenden Parfumingredienzen sein, für die sich fast jeder erwärmen kann: ihrem Duft wird eine stimmungsaufhellende Wirkung zugeschrieben, was meines Erachtens zutreffend ist. Selbst diejenigen, die sie selbst als Duft, in Düften nicht tragen möchten, können sich meist dennoch für ihren Geruch im Generellen erwärmen. Für mich duften Orangenblüten nach Sonne, nach Sommer und nach Urlaub in mediterranen Gefilden – ich denke, da bin ich keine Ausnahme, sondern eher die Regel.

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Kein Wunder also, dass Orangenblüten und Neroli schon immer und immer noch in fast unzähligen Düften anzutreffen sind – als schmückendes Beiwerk, gleichwohl aber gerne auch mal einzeln im Fokus stehend, als Protagonist(en). Zu Orangenblüten im Rampenlicht fallen mir unter anderem folgende Düfte ein: Sweet Redemption von by Kilian, Apom von MFK, Castile von Penhaligon’s, Tom Fords Neroli Portofino, Profumum Romas Neroli, Neroli Absolute von Washington Tremlett und Neroli von Annick Goutal, Dilmun von Lorenzo Villoresi, Orange Blossom von Jo Malone, Xerjoffs Oesel aus der Shooting Stars-Kollektion, Guerlains Mon Précieux Nectar, Bottega Veneta Knot sowie Rubj von vero.profumo (discontinued), Fleurs d’Oranger von Serge Lutens, L’Artisan Parfumeur Séville à l’Aube und Louanges Profanes No. 19 von Pierre Guillaume, die zu den eher dichteren, schwereren und gourmandigeren Kandidaten zählen.

Meine persönlichen Lieblinge: Orangers en Fleurs von Houbigant, eine olfaktorische Impression eines Hains von blühenden Orangenbäumen, und Mademoiselle Piguet von Robert Piguet, ein zierlich-zarter, jugendlich-beschwingter Vertreter seiner Gattung.

Und wie sieht es mit Megaflower aus?

… er tendiert definitiv in Richtung der letztgenannten, der dichteren, tendentiell auch etwas gourmandlastigeren Fraktion. Orangenblüten in voller Blüte, ein Meer davon, unzählige kleine, schimmernde Blümelein, taubenetzt, gleichwohl von einer prägnanten Nektarsüße, die bisweilen honighaft anmutet. Hier spielt eine weitere Komponente mit hinein, die anhand der gelisteten Noten nicht zu erahnen ist – Wärme. Megaflower gleicht weniger einem Bouquet in Form eines Straußes, einer Hand oder einem Händchen voll frisch gepflückter Blüten als vielmehr einem Makrofokus in die Krone eines Orangenbaumes, der in der strahlenden Sommersonne steht. Jene Wärme ist deutlich zu vernehmen, sie wirkt bisweilen annähernd trocken, was zumindest für meine Nase deliziöse gourmandige Anklänge erschafft. Madeleines vielleicht? In jedem Fall Gebäck, Süßgebäck, das wiederum aber von einer weichen, an Kuchen oder besser: Küchlein erinnernden Konsistenz ist, von einer klitzekleinen Prise Marzipan veredelt. Vetiver stiftet ein Quentchen Frische, grün-aromatisch einrahmend und den Duft mit einem Tupfer seifiger Sauberkeit abrundend, die das strahlende Weiß der schönen Blümchen unterstreicht.

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Wer Orangenblüten liebt, dessen Herz wird auch bei Megaflower schneller schlagen. Fans von Louanges Profanes No. 19 werden, so denke ich, auf ihre Kosten kommen, vor allem aber diejenigen, die sich Louange Profanes ein bisschen weniger gourmandig wünschen würden – für dieses Klientel dürfte Megaflower das Ziel ihrer Suche darstellen.

Und weiter geht es mit dem nächsten Blümchen, mit Multilotus!

Von Reinheit, Liebe und Schöpfungskraft – Multilotus

„Multilotus Eau de Parfum is inspired by the spiritual side of the lotus, where the flower is worshipped and presented as a gift to the gods in Sri Lanka. Light and airy, the fragrance is a whispering soft water highlighted by BERGAMOT ESSENCE, OSMANTHUS ABSOLUTE and LOTUS MOLECULE.“

Multilotus sieht sich untertitelt von den Wörtchen „soft water whisper“. Selbstredend darf auch hier das begriffliche Brainstorming nicht fehlen:

„Multilight – Multishine – Multicolors – Multieyes – Multihands – Multitempo – Multidanse – Multiclose – Multiyou – Multitime – Multikiss – Multisoft – Multilove – Multilotus“

Ein Vielfaches von … allem Möglichen, dargestellt anhand einer typischen Wasser- oder besser: Gewässerblume. Lotos- oder auch Lotusblumen stellen die einzige Gattung der Nelumbo dar, wobei es nur zwei Arten von ihnen gibt, die indische sowie die amerikanische Lotosblüte. Charakteristisch für Lotosblüten ist ihre Fähigkeit, Wasser und somit auch Schmutz unterschiedlichster Art abperlen zu lassen, was sie im asiatischen Raum zum Symbol für Reinheit, für Treue, Schöpfung(skraft), Erleuchtung und Erkenntnis werden ließ – man denke nur an den Buddhismus, ferner auch den Hinduismus und dessen Gottheitsdarstellungen und Bildnisse der Erleuchteten, die oft auf einer Lotosblüte thronen, oder auch Tempelverzierungen und Dächer, die das Motiv jener spezifischen Blüten ebenfalls aufgriffen und nachempfanden.

„Besonders vielfältig ist seine Symbolik in China ausgeprägt: Aufgrund ihrer Lautgleichheit werden die Wörter Liebe und harmonische eheliche Verbundenheit mit dem Lotos in Verbindung gebracht; die Lotosblüte ist deshalb auch Sinnbild einer guten Ehe. Speziell die rote Lotosblüte gilt als Symbol für die Vagina. Im Buddhismus zählt der Lotos zu den acht Kostbarkeiten und ist Symbol für den Lauf der Zeiten (mit den Einzelphasen Frucht, Blüte und Stängel) und für die Wirkung der Lehre Buddhas (die Wurzeln sind im Schlamm, auf der Oberfläche erblüht jedoch der Lotos). Im Daoismus ist der Lotos Attribut der daoistischen Unsterblichen He Xiangu.“ – Quelle: Wiki

Dem einen oder der anderen, die sich in Yoga-Kreisen tummelt, wird die Lotosblume ebenfalls ein Begriff sein. In der markeneigenen Duftbeschreibung bereits angedeutet, besitzt sie eine tiefe spirituelle Bedeutung, die dank Yoga und Co. auch in den Westen herübergeschwappt ist – hier steht sie unter anderem für das dritte Auge, jenem Bereich zwischen den Augen, ein Chakra, ergo ein Energiezentrum.

https://www.pexels.com/photo/pink-waterlily-flower-in-full-bloom-921703/

Als Wasserblume duftet Lotos selbstredend im Normalfall auf eine Art wässrig – man kennt es bereits aus einigen Düften, in denen Lotos gerne mit beispielsweise Freesien oder auch Magnolien kombiniert wird. Wie machen es Hermetica Paris, wie präsentiert sich ihr Multilotus?

Anders als gedacht, schöner. Ich muss an dieser Stelle zugeben – ich bin kein großer Lotosfan. Zumeist sind mir derlei Düfte zu aquatisch angehaucht, und eben deshalb oftmals auch zu artifiziell. Multilotus ist kein … wie soll ich sagen, natürlicher Duft im Sinne von die Natur exakt abbildend. Ihm wohnt ebenfalls eine gewisse Künstlichkeit inne, die allerdings eher von künstlerischer Stilisierung herrührt. Floral-wässrig, darüber hinaus frisch, frisch, frisch, und zwar auf fruchtige Weise, überdurchschnittlich dosierte Fruchtigkeit, nicht näher zu identifizieren, strahlend, leuchtend, aber ruhig, nicht flackernd, sondern licht, hell, permament scheinend. Osmanthus stiftet ordentlich Pfirsich- und Aprikosenanklänge nebst einem ledrigen Unterton, was dem Duft überaus gut steht. Und Bergamotte stiftet herbe Akzente, die sich perfekt einfügen, umrankt von herb-grasig-blättrig-aromatischem Grün, im Hintergrund nebulös verschwimmend.

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Multilotus ist auf eine Weise ein Unikat: er ist einer der wenigen, nein, vermutlich der einzige Lotosduft, den ich auch Männern anraten würde. Ein moderner Unisex-Duft mit Schmackes, der dennoch nicht vordergründig wirkt. Der Cool Water des 21. Jahrhunderts oder so ähnlihch – das könnte hinkommen. Und yep, er ist spannend und interessant – diese Ledernoten inmitten von floral-wässriger Frische ist wahrlich einzigartig, testen lohnt sich, meine Lieben!

Herzlichst

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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