… ist der zweite Duft des italienischen Hauses und hat einige Zeit auf sich warten lassen.
2015 kamen Rubini mit Fundamental auf den Duftmarkt – ein Parfum, das von vielen in den allerhöchsten Tönen gelobt wurde. Ich habe etliche schwärmen lesen und hören – sowohl Parfumistas als auch Menschen, die beruflich mit Parfums zu tun haben, in welcher Weise auch immer. Ich konnte und kann mich den Lobeshymnen nur anschließen, ist für mich Fundamental bis heute ein Ausnahmeduft, der vollkommen zu Unrecht „nur“ eine Art Geheimtipp in der Nische fristet.
Tambour Sacré ist nun der zweite Sproß der Italiener, erneut kreiert von Cristiano Canali – wir werden ihn uns in Folge ansehen. Und, weil ich Fundamental so toll finde und er meines Erachtens nach leider (noch?) nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient, werde ich mich morgen nochmals mit dem Erstling beschäftigen, wozu ich Harmens alte Rezension zum Duft vorkramen werde.
Zuallererst aber noch ein paar Hintergrundinformationen zu Rubini:
Tradition verpflichtet – Rubini
„Rubini ist eine Hommage an den Charakter und die Qualität der Parfumerzeugnisse, die von meiner Familie seit über 80 Jahren verkauft werden. Rubini strebt das Beste an, das die moderne Parfümerie zu bieten hat.“ – Andrea Bissoli Rubini
Die duftende Reise der Rubinis begann im Jahr 1936 in Verona, wo Pietro Rubini ein kleines, feines Geschäft für Parfums und duftende Essenzen betrieb, vermutlich eine jener Farmacias, die man unter anderem aus Florenz kennt (Santa Maria Novella, Farmacia SS. Annunziata). Andrea Bissoli Rubini, der heutige Eigner der Marke, arbeitet(e) mit Landsleuten zusammen, um seine Vision zu verwirklichen: die Geschichte des Hauses Rubini neu aufleben zu lassen, Geschichten zu erzählen, Erinnerungen zu wecken und Zukunft zu erschaffen. Zu seinem visionären Team gehören Cristiano Canali, Francesca Gotti und Ermano Picco – eine ziemlich beachtliche Truppe, meine Lieben!
Cristiano Canali ist der Komponist der duftenden Träume des Hauses Rubini – er gilt seit einigen Jahren als beachtenswerter Newcomer, unter anderem auch wegen Fundamental. Seine Karriere als Parfumeur ging ein Studium der Pharmazie voraus, während dem er eine folgenschwere Entdeckung machte – Mysore-Sandelholz kam ihm in die Finger und unter die Nase für eine Arbeit über ayurvedische Produkte. Diese einschneidende (Duft)Erfahrung ließ ihn seine Berufslaufbahn wechseln: er studierte in Folge an der ISIPCA, der Kaderschmiede der Parfumeure. Dort lernte er auch Patricia de Nicolaï kennen, die neben ihrer Arbeit als Parfumeurin (für ihre eigene Marke größtenteils, aber auch für andere Häuser) Präsidentin der legendären Osmothéque ist. Für diese ist Canali bis heute tätig – wen wundert es da, dass er nach eigenem Bekunden eine Leidenschaft für Vintage-Düfte hegt. Nach seinem Studium an der ISIPCA führte Canalis Weg zu seinem jetzigen Arbeitgeber, zu IFF, einem der weltweit größten Aromastoffhersteller. Darüber hinaus sitzt er immer wieder als Judge in der Jury der Art and Olfaction Awards. Zu Canalis bisherigen Schöpfungen zählen neben den beiden Kreationen für Rubini beispielsweise noch Bee von Zoologist, der viele Parfumistas weltweit begeisterte genauso wie Romanza von Masque Milano. Für die Neugierigen unter Euch habe ich zwei Interviews herausgesucht, lest hier: Fragrantica & Zoologist (Parfummarke).
Die Künstlerin Francesca Gotti ist als Produktdesignerin für das Packaging verantwortlich, für die Ästhetik der Marke – und keine Unbekannte in der Welt der Düfte. Sie ist unter anderem für das Erscheinungsbild von nu_be, heute bekannt als one of those verantwortlich – seht beispielsweise hier, ein Artikel auf ArchiExpo über die herrlichen Flakonskulpturen.
Ermano Picco ist Duftexperte, -historiker, -autor und -blogger, siehe unter anderem www.extrait.it, Ça Fleure Bon.
Kommen wir jetzt zum zweiten Schöpfungsstreich von Rubini, zu Tambour Sacré – eigentlich ist er nicht mehr ganz so neu, allerdings war er lange nicht in Deutschland erhältlich, was sich nun endlich geändert hat!
Heiliger Trommelwirbel – Tambour Sacré von Rubini
Rubini lassen sich nicht lumpen und veröffentlichen zu jedem ihrer Düfte einiges an beschreibendem Text als auch Zitaten des kreativen Teams. So mag ich es. Mit Leidenschaft, Hirn und Herzblut etwas kreieren und das auch kommunizieren, gerne adäquat. Es zeigt persönliche Überzeugung, zeugt von Hingabe – im Gegensatz zu diversen Produkten und Marken, nicht nur aus und in der Duft-/Kosmetikbranche, die annähernd kommentarlos Lancierungen auf den Markt werfen und damit nicht selten den Eindruck erwecken, dass es ihnen nur und ganz ausschließlich um’s Geld-Verdienen geht …
Ich jedenfalls möchte deshalb die seitens Rubini offerierten Hintergrundinformationen nicht unterschlagen und poste sie wie so oft in Originalsprache (oder vielmehr der hauseigenen englischen Übersetzung – ich gehe davon aus, dass sie als erstes in italienischer Sprache geschrieben wurden aufgrund der nationalen Zugehörigkeit des Teams) – Vorhang auf also für Tambour Sacré:
„THE INSPIRATION | THE HORN OF AFRICA
Like music, perfume is an art of time: sounds as well as smells come to us to invade us and disappear.
As the airplane takes off, looking through the window the eye gets lots in the horizon where the blue kiss the ochre red: here perfumes and sounds from this land pervade us again, so intense they silence the droning engines. Like the primal frequency of the universe, their vibration expands in a circular wave from within.
Pulsing like the smell of spices and smoke, the roll of sacred drums in Ethiopia is related to every ritual, from religious ceremonies to every day’s gesture.
Down the Omo River Valley, the flow of time and senses is marked by these arcane woods. Like a music playing the chords of soul, invisible yet obsessive, the life in the Horn of Africa dances with the ebony bodies painted in ochre and clay, it sparkles in the eyes of its women as intense as tuberoses left in a closed room, and gives shelter to the traveller in its villages with the best hospitality customs.“
Das Horn von Afrika – die Inspirationsquelle zu Tambour Sacré. Rubini vergleichen Parfums mit Musik, beides Künste, die der Zeit unterworfen sind, „vergänglich“ auf eine Weise: Sie kommen zu uns, berühren uns, erobern uns gar – und verschwinden nach einer Zeit. Der Genuss des Augenblicks. Von einem Flugzeug, einem abhebenden, ist zu lesen, von dem Blick, den man währenddessen durch’s Fenster wirft. Die Landschaft und deren Weite, die die Augen sich verlieren lassen am Horizont, wo das Himmelsblau das rotgetönte Ocker des Bodens küsst. Gerüche, Düfte und Geräusche, Töne dieser faszinierenden Landschaft, die in ihrer Ruhe, in ihrer Erhabenheit, ihrer Intensität das Dröhnen der Flugzeugmotoren in den Hintergrund rücken lassen.
Gewürze und der Duft von Rauch, das Wirbeln der heiligen Trommeln in Äthiopien als Bestandteil jeglicher traditioneller Rituale, von religiösen Zeremonien bis hin zum Alltag(sgebrauch). Vom Omo-Tal ist die Rede, durch das sich der gleichnamige Fluss über eine Länge von 760 Kilometern im Südwesten des Landes erstreckt. Ein Tal, dessen Geschichte markiert wird von geheimnisvollen Bäumen und Hölzern. Die Seele des Landes, die Ausdruck findet in der Musik, ein Tanz des Lebens am Horn von Afrika, verkörpert durch die Menschen mit ihren festlichen Körperbemalungen, die bekannt sind für Lebensfreude und Gastfreundlichkeit.
Diese Impression fängt Tambour Sacré olfaktorisch ein:
„THE FRAGRANCE | TAMBOUR SACRÉ
Like an astonishing evocative symphony, Tambour Sacré translates the sensual yet mystic impetus of African rhythms.
Cristiano Canali gives his interpretation of this sound with the facets of Calabrian bergamot and cardamom vibrating thanks to the spiciness of white pepper in a dance as charming as a warm embrace.
The obscure notes of roasted coffee hammer over a candid pentagram of tuberoses in a primordial, almost erotic counterpoint, growing measure after measure with the intoxicating warmth of cinnamon.
The orchestral carpet of sandalwood and balsams add volume; the spiritual depth of myrrh from Somalia with its iridescent vapors and the sumptuousness of benzoin joined by tonka bean resonate in a gourmand oriental charming like the enigmas of the Queen of Sheba.“
Gleich einer atemberaubenden, stimmungsvollen Symphonie soll Tambour Sacré jenen sinnlichen und doch mystischen Impetus afrikanischer Rhythmen duftend einfangen, was Parfumeur Cristiano Canali mittels vielfältiger Ingredienzen umsetzte: Bergamotte und Kardamom, würziger Pfeffer und Haselnuss, gerösteter Kaffee und Tuberosen, die Hitze von Zimt sowie eine Basis gleich einem „orchestralen Klangteppich“, bestehend aus Sandelholz, Myrrhe, Benzoeharz und Tonkabohne, die widerhallen „in einem orientalischen Gourmandzauber“, vergleichbar mit den „Rätseln der Königin von Saba“.
Hier war jemand tief beeindruckt – ausnahmsweise bin ich geneigt, die Erklärung einer inspirierenden Erinnerung an eine Reise zu jenem Ort, jenen Orten einmal zu glauben, sollte Rubini und/oder Canali diese einmal erwähnen im Zusammenhang mit Tambour Sacré und dessen Entstehung(sgeschichte) 😉
Das Omo-Tal gilt als eine der schönsten Regionen des Kontinents Afrika. Es leben dort viele unterschiedliche äthiopische Volksstämme, unter anderem die Arbore, Bodi, Dassanetch, Hamar, Kara, Mursi, Surma und mehr, von denen etliche eine der nach dem Fluss benannten sogenannten omotischen Sprachen sprechen (circa 30 Sprachen, gesprochen von ungefähr vier Millionen Menschen). Seit 1980 hat das Omo-Tal den Status eines Weltkulturerbes inne, wozu unter anderem zahlreiche Funde von Paläoanthropologen beitrugen. Dazu gehören beispielsweise Omo 1 und Omo 2, Beispiele des frühen Homo sapiens, mit einem Alter von mindestens 130.000 Jahren, gemäß neuerer Schätzungen vermutlich sogar 195.000 Jahren und somit zu den ältesten Funden dieser Art zählend.
Zahlreiche Fotos des Omo-Tals sowie der Indigenen und ihrer Lebensweise finden sich im Netz – falls Ihr neugierig seid, hier einige Artikel, größtenteils reich bebildert:
- GEO
- Survival International
- n-tv – hier werden unter anderem die Bilder dieses Fotografen erwähnt:
- Ken Hermann – The Beauty of the Omo Valley: vielfach beachtetes Fotoprojekt des Fotografen Hermann, auch als Bildband erschienen
Einen kurzen Videoclip dazu möchte ich Euch an dieser Stelle nicht vorenthalten:
Noch mehr Bewegtbilder gefällig? Aber gerne doch!
Und die Verpackung, die wie zu erwarten war auffällige?
„The iconic architecture of the Rubini packaging is pure rhythm in the flowing of dense and fragile layers and finds its narrative voice in the random flaws of the matter: iroko. Sacred tree to many African populations, iroko wood is traditionally used to build houses and to make musical instruments, drums included. As for glebanite®, true luxury lays in the care for details: only made out of recycled wood, each item is a numbered unique artisanal piece, executed entirely by hand to house within two shells the magnetic harmony of tambour sacré.“
Als puren oder auch reinen Rhythmus im Fluss der dichten, gleichwohl zerbrechlichen Schichten wird die „ikonische Architektur“ des Packagings bezeichnet, welche ihren Ausdruck findet in dem verwendeten Material, dem Iroko-Holz mitsamt seinen zufälligen „Makeln“, seiner Authentizität und Naturgegebenheit.
Milicia ist die zugehörige Pflanzengattung, die zu der Familie der Maulbeergewächse gehört. Zwei Arten sind in Afrika beheimatet, die (Handels)Namen für das Holz hängen vom jeweiligen afrikanischen Land ab – Iroko, Semli, Odoum, Rokko, Oroko, Abang, Mandji, um nur einige zu nennen, die Verwendung finden für das im englischsprachigen auch als African Teak bezeichnete wertvolle Holz von ungewöhnlicher Wetterfestigkeit sowie Schönheit. Es gilt als ausgesprochen dekorativ und stabil, besitzt es doch eine ähnliche Stärke beziehungsweise Festigkeit wie Eiche, weshalb es für alle möglichen Möbel, für Parkett und Bauelemente eingesetzt wird. Die daraus resultierende massenhafte Verwendung hat leider auch zur Vernichtung von Savannenwäldern geführt und in Folge zur Bedrohung der Lebensgrundlage vieler Menschen als auch Tiere. Traditionell gilt Iroko in vielen afrikanischen Ländern als heiliger Baum, dessen Holz dort schon seit Jahrhunderten nicht nur für den Bau von Häusern oder ähnlichem, sondern auch für Instrumente verwendet wird, allen voran besagte Trommeln.
Das von Rubini verwendete Iroko-Holz wurde recycelt, ergo wiederverwertet, somit stellt jedes einzelne Exemplar ein einzigartiges, komplett von Hand hergestelltes Kunstwerk dar, dessen zweischaliger Aufbau die magnetische Harmonie von Tambour Sacré symbolisieren soll.
Kopfnote: Bergamotte, Orange, Kardamom, Schwarzer Pfeffer
Herznote: Zimt, Tuberose, Kaffee, Cassia (Süße Akazie)
Basisnote: Mysore-Sandelholz, Myrrhe, Opoponax, Benzoeharz, Tonkabohne
Tambour Sacrés Auftakt ist bereits ganz zauberhaft und chamäleonartig komplex, vielgestaltig und facettenreich: saftige Orange, reif und satt, nebst herb-zitrisch-prickelnder Bergamotte, so leuchtend hell wie ein Stern am nächtlichen Himmel – wobei Tambour Sacré genau genommen eigentlich von Anfang an keinerlei Assoziationen hinsichtlich der Nacht weckt, sondern vielmehr dank seiner Strahlkraft die Sonne aufgehen lässt vor meinem inneren Auge.
Pfeffer betritt hernach die Bühne, und zwar eine sanfte Variante desselben, eher würzig-warm und lediglich einen subtilen Hauch Schärfe in sich tragend. Der eine oder die andere wird es wissen und bereits getestet haben – es gibt unendlich viele Arten Pfeffer, deren geschmackliche Vielfalt beeindruckend ist. Ich teste mich gerade mal wieder durch ein paar neu erworbene Sorten, wobei es mir unter anderem Banasura, Voatsiperifery und Selim angetan haben. Allesamt präsentieren sie ein Feuerwerk unterschiedlichster Aromen, unter anderem auch an Vanille erinnernd, zum Teil holzig, an Kampfer oder auch Eukalyptus erinnernd und so weiter und so fort. Selimpfeffer beispielsweise wird deshalb im Senegal nicht nur zum Würzen von Speisen, sondern auch zum Verfeinern von Kaffee verwendet.
In Tambour Sacré ist es meines Erachtens nach ebenfalls kein profaner Pfeffer, der zum Einsatz kam, sondern einer von latenter Bitterkeit und mit zitrischen Akzenten, sich harmonisch einfügend und die anderen duftenden Protagonisten unterstützend, aufgreifend und untermalend. Zimt stiftet kokette, würzig-scharfe, trockene Süße, und zwar im überaus verlockenden Zusammenspiel mit Noten von frisch geröstetem, herbem Kaffee (daraus resultiert zumindest auf meiner Haut eine fast schon ledrig anmutende Komponente, eine bildschöne), während Kardamom aromatisches Grün beisteuert. Cassia spendet zart-blühende Anklänge, lebenslustig und nektarsüß, während uns die Tuberose im Herzen unter ihre weißfloralen Fittiche nimmt. Nicht und niemals zuviel, aber dennoch ausreichend für ein opulent-floral geprägtes Herz von sinnlich-erotischer Ausstrahlung.
Die Basis stellt sich als genauso göttlich heraus wie der Rest, fügt sich perfekt ein in den Duftverlauf und rundet Tambour Sacré auf vollkommene Weise ab: Sandelholz, matt-balsamisch und holzig, von Tonka, jener wie ich immer wieder gerne salopp formuliere: würzigen Schwester der Vanille cremig und, yep, würzig veredelt, gewärmt von der reichhaltigen Tiefe erlesener Harze.
Hach ja … Ich glaube, Cristiano Canali hat noch eine großartige Zukunft vor sich. Tambour Sacré ist ein holzig-harziges Meisterwerk, ein bildgewaltiger, komplexer Duft von beeindruckender Schönheit.
Wer jetzt noch nicht überzeugt ist hinsichtlich eines Tests – Freunde der wärmeren, „hitzigeren“ Düfte von Bertrand Duchaufour sollten definitiv einen Schnupperer wagen.
Und, meine Lieben, reizt er Euch, der äthiopische Schönling?
Ich bin gespannt, wie Ihr ihn findet – gebt doch mal Feedback!
Herzliche Grüße
Eure Ulrike
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