Figolo von Lengling – eine Liebeserklärung an ganz bestimmte Menschen

Figolo ist der zehnte Duft der Münchner Manufaktur und stellt somit, ich denke das kann man sehr wohl behaupten, eine Art Jubiläum dar. Was liegt da näher, als ihn Menschen zu widmen, die inspirier(t)en? Aber zuerst einmal der Reihe nach …

Wer kennt sie, die Münchner von Lengling? Im Blog haben wir bereits einige, ich meine sogar (fast?) alle ihrer Düfte rezensiert, dennoch möchte ich anlässlich von Figolo dessen Rezension ein paar Zeilen vorausschicken – für all diejenigen, denen Lengling noch neu ist 🙂

Lengling Munich wurde, wie der Name schon verrät, 2014 in München gegründet, und zwar  von Ursula und Christian Lengling, die nicht nur beruflich, sondern auch privat ein Paar sind. Beide sind schon seit Jahren in der Duftbranche tätig – da liegt es nahe, sich irgendwann den Wunsch einer eigenen Duftlinie zu erfüllen.

Der Familienname der beiden erinnert sicherlich den einen oder anderen an Yin und Yang, jenes Gegensatzpaar der Prinzipien aus der chinesischen Philosophie, die beiden dualen Kräfte, die Gegenpole bilden und dennoch (oder gerade deswegen) aufeinander bezogen sind. Wir kennen Yin und Yang meist dank des weit verbreiteten Symbols namens Taijitu:

https://pixabay.com/de/photos/ball-kugel-yin-yang-dekoration-1432752/

Yin bezeichnet den dunklen, meist schwarzen Bereich, der als weich gilt, passiv, ruhig und – weiblich, so zumindest die klassische Lesart. Yang, der helle, oftmals weiße Bereich, gilt als hart, aktiv, positiv und, ja, genau – männlich. Bitte nicht überbewerten und nicht zu wörtlich nehmen 🙂

Die Lenglings scheinen eine ähnliche Symbiose als Paar zu  bilden, zwei Charaktere, die unterschiedliche Stärken und demnach auch Aufgaben(bereiche) innehaben: Christian Lengling, in Japan geborener Kaufmann, fand bereits früh beruflich seinen Weg in die (Luxus)Kosmetik- und Duftbranche und ist somit der „Kopf“. Ursula Lengling stellt das „Herz“ dar, sie ist die Kreative, die schon früh ihre Leidenschaft für bildene Kunst entdeckte und bei Lengling Munich heute die „Duftbilder“ zeichnet, will sagen: für die Entwicklung der Parfums sowie das Design, die olfaktorische und visuelle Sprache der Marke zuständig ist.

„Erst die perfekte Balance gibt uns das Gefühl von Vollkommenheit. Was für das Leben und die Liebe gilt, das sollte auch für unsere Parfums gelten. Deshalb spielen Gegensätze eine tragende Rolle bei ihrer Komposition.“

Spielerisch haben die beiden das Prinzip Yin und Yang sowie ihre Partnerschaft auf ihre Duftmarke übertragen: jede Kreation wird durch zwei konträre, sich gleichwohl gegenseitig ergänzende „Noten“ charakterisiert, LENG und LING genannt:

„In unseren kostbaren Parfum-Kompositionen stehen immer zwei Duft-Akkorde in einem spannenden Kontrast. Aufregend und überraschend harmonisch spielen sie während des gesamten Duftverlaufs miteinander und vereinen sich auf der Haut in perfekter Balance zu einem höheren Ganzen …“

Der Anspruch der Lenglings mit ihrer Marke Lengling Munich:

„… als Münchens erste Parfum-Manufaktur, nicht nur edle Düfte zu kreieren, sondern ein Gesamtkunstwerk, das in jeder Hinsicht kompromisslos höchste Qualität offenbart.

Ein Versprechen, das für alle verwendeten Materialien und deren Verarbeitung gilt. Erlesenste Zutaten aus aller Welt, Hand in Hand mit der Natur – für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, achten auf Nachhaltigkeit und vegane Rezepturen.“

Lengling Figolo

Handmade – ein Begriff, der im Falle von Lengling Munich ernst und wörtlich genommen wird: die Düfte werden allesamt von Hand abgefüllt. Ursula Lenglings Auge und Herzblut für Design ist in jedem Detail spürbar, nichts ist dem Zufall überlassen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch hinter der Verschlusskappe in Form eines aus Edelmetall gegossenen Kieselsteins, die sofort ins Auge sticht, eine Geschichte steckt:

„Es ist schon viele Jahre her, da gingen Ursula und Christian wie so oft am Isarufer spazieren. Den ganzen Weg sprachen sie über ihre Parfums und wie sie ihren Traum verwirklichen könnten. Christian hob einen Kiesel auf, der ihn fortan als Handschmeichler begleitete. Es war Schicksal, dass dieser nicht wie sonst wieder aus der Jackentasche flog, sondern später auf ihrem Küchentisch landete… Als die beiden ihn dort liegen sahen, wussten sie sofort, dieser Stein ist ihr „Glücksbringer“ und wird zum edlen Verschluss ihrer Flakons. Seine natürliche Schönheit, mit all den kleinen Macken, ist für die Gründer die größte Perfektion.“

Regelmäßige Leser*innen werden schmunzeln, weil einige von Euch vielleicht vermuten, was jetzt meinerseits kommen wird – ein Bezug zur japanischen Ästhetiktheorie, der vermutlich auch nicht ganz weit hergeholt ist aufgrund der Biographie von Christian Lengling.

Zwei Begriffe haben es mir besonders angetan, die ich beide schon mehrfach hier im Blog erwähnt und dargelegt hatte, wenn es mir passend erschien – erstens der Begriff des Mono no aware, das Herzzerreißende der Dinge, der sich auf die Vergänglichkeit und Endlichkeit von Schönheit, von Schönem bezieht, und zweitens der Begriff Wabi-Sabi, der eine ästhetische Konzeption darstellt, sich demgemäß mit der Wahrnehmung von Schönheit beschäftigt.

Bei Wiki findet sich eine kurze, knackige Zusammenfassung dazu, die ich vermutlich mit sehr viel mehr Worten auch nicht hübscher hätte formulieren können:

„Ursprünglich bedeutet Wabi sich elend, einsam und verloren zu fühlen. Dies wandelte sich zur Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen. Aber erst in der Verbindung mit Sabi, alt sein, Patina zeigen, über Reife verfügen, entstand die eigentlich nicht übersetzbare Begriffseinheit, die den Maßstab der japanischen Kunstbewertung bildet. Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Strohdach, die knorrige Kiefer, der leicht berostete Teekessel, das und Ähnliches sind die Symbole dieses Schönheitsideals. Es geht um die Hoheit, die sich in der Hülle des Unscheinbaren verbirgt, die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden doch alle Reize des Schönen offenbaren (Wilhelm Gundert).“

Diese Perspektive hinsichtlich des Begriffs der Schönheit, die sich, das kann man vermutlich behaupten, in vielerlei Hinsicht ganz grundlegend von derjenigen anderer Kulturen unterscheidet, hat selbstredend auch Einfluss auf Kunst und Kultur gehabt und hat es noch – Beispiele hierfür sind unter anderem die Bonsaikunst, über die wir es neulich im Rahmen der Rezension von Jasmin Kusamono von ARMANI/PRIVÉ hatten, sowie Kintsugi, jene Kunst der Keramikreparatur, die soviel mehr ist als das bloße Zusammenkleben von Zerbrochenem.

Für diejenigen, die neugierig sind: hier der Wiki-Artikel sowie zwei interessante Fotoprojekte, die sich auf jene Kunstform beziehen beziehungsweise von ihr inspiriert wurden: die Bilder von Hélène Guggenheim als auch das Kintsugi Project von Amy Woodward. Beide fotografieren Menschen mit Narben, die sie blattvergolden beziehungsweise beleuchten. Die Botschaft ist klar: Schön ist nicht das Makellose, sondern Patina. Und Narben, ob äußere oder innere, muss man nicht verstecken, ganz im Gegenteil – man sollte sie mit Stolz zeigen, sie ehren, denn sie sind Zeugen der eigenen Existenz und des individuellen Erlebens, sind häufig der Grund, weshalb man (noch) am Leben ist und somit auf eine Art identitätsstiftend, siehe beispielsweise Krebsüberlebende, Überlebende von schweren Operationen, Autounfällen, Bränden oder ähnlichem. Oder, im Falle von Woodward, Menschen, die (sexuellen) Missbrauch und/oder Gewalt erlebt haben.

Zurück zu Lenglings Kieselkappe: ich mag die Geschichte dahinter. Und ich mag die Botschaft – Schönheit ist Authentizität, ist vielgestaltig und besitzt Ecken und Kanten, Patina, siehe Wabi-Sabi.

„Unser Isarkiesel ist eine ganz persönliche Hommage an München. Jeder einzelne wird von Hand poliert.“ – Christian Lengling

Lengling Figolo

Kommen wir nun wie versprochen zu unserem heutigen Duftkandidaten, zu Figolo!

Die Strahlkraft der Authentizität – Figolo

Lengling Figolo

„Diesmal sind Menschen die Quelle unserer Inspiration. Menschen, die uns aufgrund ihrer besonderen Aura in ihren Bann gezogen haben. Einigen sind wir sehr nahe, anderen nur flüchtig begegnet … Das neue Parfum ist eine Collage dieser Charaktere und zugleich eine Hommage an ihre Ausstrahlung und Coolness. Ein strahlendes, individuelles Duftportrait, das Erinnerung und Fantasie vereint.“ (Ursula Lengling)

Figolo ist faszinierend – ein Typ mit Aura, charmant und dominant zugleich. In diesem charismatischen Parfumportrait treffen frische Minze und sinnlich florale Noten auf mächtiges Patschuli und feinen Tabak. Ein Charakterduft mit Sexappeal und cooler Lässigkeit, der seinesgleichen sucht …

Leng-Note „Charmant“
Grüne Minze, Aldehyde, Ylang-Ylang, Hedion, Iso E Super, Moschus

Ling-Note „Dominant“
Patschuli, Zedernholz, Tabakabsolue, Cypriol, Leder

Let yourself glow! Figolo ist eine Persönlichkeit, die das Feuer in anderen Menschen entfacht, weil sie selbst für etwas brennt. Symbol für die charismatische Ausstrahlung von Figolo ist unser neuer einzigartiger Isarkiesel, der in der Dunkelheit von innen heraus leuchtet. Dabei gleicht kein Stein dem anderen, jeder einzelne ist ein Unikat. (Christian Lengling)

Weggefährten ist Figolo gewidmet sowie Zufallsbekanntschaften, die bleibenden Eindruck hinterließen. Menschen, die inspirierten und inspirieren – durch ihr Naturell, ihre Persönlichkeit, ihren Charakter, ihre Ausstrahlung. Besonders gut gefällt mir die Relationalität, die Christian Lengling hier herstellt – leidenschaftliche Menschen. Menschen, die für etwas brennen – ziemlich exakt so drücke ich das auch seit jeher aus. Wer für etwas brennt, berührt. Und steckt andere an mit seiner Begeisterung – eine ungemein wertvolle Eigenschaft.

Ich hatte bei Figolo eine Feige oder zumindest ein paar Feigenblättchen erwartet – warum muss ich sicherlich nicht erklären 😉 Die scheinen nicht in den Flakon gefunden zu haben, was nicht weiter schlimm ist – es gibt nun wirklich schon sehr viele gute Feigendüfte auf dem Markt. Darüber hinaus liest sich die Zutatenliste von Figolo durchaus adrett und macht Lust auf den Test …

Figolo ist herrlich, wenn man Wälder mag, Bäume. Denn waldig geht es zu – einmal mehr grün-aromatisch-frisch als holzig, was mir außerordentlich gut gefällt. Minzfrische im Kopf schafft Dynamik, prickelt und bitzelt köstlich mit der ihr eigenen leisen Süße vor sich hin, während es drumherum grünt und überaus subtil ein bisschen blüht. Zart-rauchige Tabakschwaden hüllen ein, auf äußerst angenehme Art würzig, allerdings lediglich verhalten wärmend, ein klitzekleinwenig holzig-balsamisch und dank des Patschuli tief mitsamt einem Klecks Erde. Iso E Super mischt natürlich fleißig mit, der Tausendsassa unter den synthetischen Molekülen, der nach allem duftet und sich dennoch oder gerade deswegen nicht festnagen lässt – frisch, ein bisschen holzig, trocken und auf eine Weise „sauber“, die allerdings nichts gemein hat mit dem, was man normalerweise unter „clean(en Düften)“ versteht.

https://www.pexels.com/photo/person-lying-inside-the-tent-through-the-grass-field-under-the-golden-hour-3367618/

Das gibt die Marschrichtung vor oder lässt vielmehr darauf schließen, wer Figolo in sein Herz schließen wird: Liebhaber von zeitgemäß-modernen Düften, die zwischen „unisex“ und männlich beheimatet sind und holziger Natur, ergo olfaktorische Lumbersexuals. Ich denke da beispielsweise an Terre d’Hèrmes, darüber hinaus einen alten Klassiker mit (ebenfalls) hohem Iso E Super-Anteil, an Diors Fahrenheit.

Allerdings, meine Damen, unser Figolo muss nicht der Herrenwelt vorbehalten bleiben – ich kann ihn mir sehr wohl an diversen Frauen vorstellen, die sich für herbere Düfte erwärmen können (so wie ich, und damit bin ich selbstredend ganz und gar nicht alleine …).

Hat schon jemand getestet? Wenn ja, wie gefällt er Euch, der Figolo? Kennt Ihr das restliche Sortiment von Lengling Munich und habt vielleicht gar einen oder mehre Düfte in Eurem Repertoire?

Herzliche Grüße

Eure Ulrike

 

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Margot Hackenberg
    1. Juli 2020
    Antworten

    Liebe Uli,
    mir ist das Herz aufgegangen bei deiner Rezension! Ich bewundere immer wieder deine Wissens- Recherchen- und Bezugsvielfalt! Habe den Figolo gestern getestet und soeben den Papierstreifen in meiner Handtasche entdeckt! Absolut mein Ding! Ich fand Wunderwind schon sehr interessant und mit Skirk hab ich irgendwie Probleme, obwohl ich ihn immet wieder einmal teste. Schätze jedoch, an Figolo komm ich auf Dauer nicht vorbei 😉 und das recht schnell!
    Alles Liebe für dich, Margot

  2. Avatar-Foto
    Ulrike Knöll
    11. Juli 2020
    Antworten

    Huhuu liebe Margot,

    dankeschön für Dein liebes Kompliment, freut mich sehr! Ja, ich finde Figolo ziemlich klasse. Skirk musste ich mehrfach testen, hat was, ist total spannend, geht aber nicht immer bzw. hat auch bei mir gemischte Gefühle ausgelöst auf meiner Haut. Ich muss mir aber ohnehin die Lenglings nochmal zu Gemüte führen, ich mochte auch Eisbach total gerne, wäre noch ein Sommerkandidat … *grübel*

    Viele herzliche Grüße

    Uli

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