… dem dritten und letzten Duft der schwedischen Designerin. Die ersten beiden Düfte ihres Trios hatte ich letzte Woche bereits vorgestellt – falls wer sie verpasst hat: Markenvorstellung der Designerin Ann Ringstrand, siehe hier inklusive Rezension ihres Duftes namens Gather, ein Highlight für mich, sowie die Rezension ihres zweiten Duftes Ground, der mich zu einer etwas ausgeufterten philosophischen Abhandlung inspirierte, klick. Regelmäßige Leser*innen werden es wissen – wenn es das Thema zulässt, springe ich gerne in die Philosophie, deren Studium ich vor Jahren einmal genossen habe. Bei Ringstrand bietet sich das geradezu an aufgrund des Motivs ihres Dufttrios.
Ann Ringstrand beschreibt ihre Düfte in einem Artikel des Ravelin Magazines folgendermaßen:
„They are all about the relationships that are necessary for us. Ground is what we do with ourselves. The feel of being with yourself and just and to allow yourself to be really still. It has a lot of ingredients that are earthy but in a stoney way. It’s more for myself. It’s perfect for a bedroom or wherever things are clean and fresh. The next one is called gather. It’s for everything we have with each other, the relationship we have with our friends. Touch is about the relationship we have with one intimate person. It’s very warm, it’s spicey. I explain it as if you’re a Swedish person and you go on vacation, you want the heat. And in the afternoon when it’s almost four and it’s almost wine time and you sit with the person you love and you touch the person you love, that warmth, is what this scent is all about.“
Beziehungen sind demgemäß das Leitmotiv, und zwar diejenigen, die wirklich wichtig sind für uns Menschen: Der Duft Gather, das (Zusammen)Treffen, wirft einen olfaktorischen Blick auf Gemeinschaft, auf Bindungen, Beziehungen, die wir zu unseren Mitmenschen pflegen, auf Freundschaft/en. Ground thematisiert die Beziehung zu uns selbst. Und Touch, dem wir uns heute widmen, legt seinen Fokus auf Paarbeziehungen. Im übrigen gibt es korrespondierend zu allen Parfums aus dem Hause Ringstrand auch Raumdüfte.
Der Mythos der Liebe – ein uraltes Phänomen
Die Liebe – viel beschworen in Kunst und Kultur. Und doch gibt es keine einheitliche Definition dieses Phänomens, was unter anderem an ihrer Vielgestaltigkeit liegt, ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen als auch an anderen, beispielsweise kulturellen Einflüssen.
Ringstrands Duft Touch hat die partnerschaftliche Liebe zum Thema, was wiederum logischerweise eine andere Art Liebe ist als die, die Eltern ihren Kindern und umgekehrt entgegenbringen, Großeltern ihren Enkeln gegenüber pflegen und umgekehrt, die nicht-körperliche Liebe zwischen engen Verwandten, Geschwistern und so weiter und so fort.
Überraschenderweise beschäftigt sich die Psychologie, von einigen Ausnahmen einmal abgesehen (Beispiel Freud, der die Liebe in erster Linie als biologisches Phänomen sah, Stichwort: Libido, ergo Triebe), erst seit etwa einem Vierteljahrhundert mit dem Phänomen der Liebe und dessen Erforschung. Die meisten Forscher sind sich einig, dass die Liebe ein komplexes Phänomen zwischenmenschlicher Zuneigung darstellt, das wiederum biologische, emotionale als auch kognitive Aspekte beinhaltet. Eine der wichtigsten Theorien hinsichtlich der Liebe ist die sogenannte Dreieckstheorie, die in der Liebe ein Zusammenspiel von drei Faktoren, von Intimität, ergo Nähe und Verbundenheit, Leidenschaft im Sinne von sexueller Anziehung sowie Commitment oder auch Engagement, ergo Fürsorge und Verantwortung für den anderen sieht beziehungsweise diese als solches erklärt. Hier findet Ihr einen interessanten kurzen Aufsatz zum Thema Partnerschaftliche Liebe sowie Liebesstile des deutschen Sozialpsychologen Bierhoff, der unter anderem auch den Wandel von Liebe in Bezug auf kulturelle und soziologische Veränderungen adressiert. Logisch, wo der Zwang wegfällt – Stichwort: Vernunftehen aufgrund von beispielsweise politischen Interessen, Abhängigkeitsverhältnisse hinsichtlich Versorgung et cetera – haben Beziehungen andere Hintergründe und entwickeln sich andere Liebesstile – so steht nach wie vor die relativ junge „romantische Liebe“ hoch im Kurs.
Diese ist selbstredend in der Kunst (im weitgefassten Sinne gemeint, Literatur, Bildende Kunst und so weiter) diejenige Liebesform, der am meisten gehuldigt wurde und somit auch der Stoff vieler bedeutender Dramenerzählungen, siehe beispielsweise Hero und Leander, Romeo und Julia und Konsorten, jene tragischen Liebespaare der (Literatur)Geschichte.
In der Philosophie findet sich eine uralte Beschreibung der Liebe, die mich damals sehr berührte – der Mythos des Aristophanes, der sich in Platos Symposion findet. Plato schreibt diesen dem Komödiendichter Aristophanes zu, hat ihn allerdings selbst „erfunden“, um die Macht des Eros, des Liebesgottes, zu erklären und somit eine Erklärung für erotisches Verlangen, das körperliche Begehren zu bieten.
Ist der Mythos des Aristophanes, unabhängig davon, was Plato damit bezwecken wollte, die früheste Beschreibung der romantischen Liebe? Ich bin mir relativ sicher, denn das Werk Symposion, Das Gastmahl, stellt die erste metaphysische Lehre vom Eros dar, ist eine der einflussreichsten Schriften Platos und gilt als literarisches Meisterwerk, das man auch knapp 2400 Jahre später noch lesen kann (Plato lebte von ca. 428/427 vor Christus bis ca. 348/347 VOR Christus, seine Werke lassen sich schlecht datieren, das Symposion zählt aber sehr wahrscheinlich zu seinen Frühwerken).
Und um was geht es? Bei Wiki findet sich wie so oft eine ziemlich gute Zusammenfassung:
„Im Symposion wird der Verlauf eines Gastmahls beschrieben, an dem sechs Teilnehmer Reden über Eros und die Erotik halten. Jede der Reden beleuchtet das Thema unter einem besonderen Aspekt. Als vierter Redner kommt Aristophanes an die Reihe. Er würdigt Eros als den menschenfreundlichsten unter den Göttern, dessen Macht aber von den Menschen nicht wahrgenommen werde; anderenfalls würden sie ihm die größten Heiligtümer und Altäre errichten und die größten Opfer darbringen. Dem Mangel an Wertschätzung für den Liebesgott will Aristophanes mit seiner Erzählung des Kugelmenschen-Mythos entgegenwirken. Er äußert die Hoffnung, dass die Zuhörer seine Lehre verbreiten werden.
Dem Mythos zufolge war die menschliche Natur ursprünglich ganz anders als die den Zuhörern vertraute. Die Menschen hatten kugelförmige Rümpfe sowie vier Hände und Füße und zwei Gesichter mit je zwei Ohren auf einem Kopf, den ein kreisrunder Hals trug. Die Gesichter blickten in entgegengesetzte Richtungen. Mit ihren acht Gliedmaßen konnten sich die Kugelmenschen schnell fortbewegen, nicht nur aufrecht, sondern auch so wie ein Turner, der ein Rad schlägt. Es gab nicht nur zwei Geschlechter, sondern drei: Manche Kugelmenschen waren rein männlich, andere rein weiblich, wiederum andere – die andrógynoi – hatten eine männliche und eine weibliche Hälfte. Die rein männlichen stammten ursprünglich von der Sonne ab, die rein weiblichen von der Erde, die androgynen (zweigeschlechtlichen) vom Mond.
Die Kugelmenschen verfügten über gewaltige Kraft und großen Wagemut. In ihrem Übermut wollten sie sich einen Weg zum Himmel bahnen und die Götter angreifen. Der Himmelsherrscher Zeus beriet mit den anderen Göttern, wie zu verfahren sei. Die Götter wollten das Menschengeschlecht nicht vernichten, denn sie legten Wert auf die Ehrenbezeugungen und Opfer der Menschen. Daher entschied sich Zeus, die Kugelmenschen zu schwächen, indem er jeden von ihnen in zwei Hälften zerschnitt. Diese Hälften sind die heutigen zweibeinigen Menschen. Aus der Sicht des Zeus bestand ein zusätzlicher Vorteil dieser Maßnahme darin, dass sich die Anzahl der Menschen und damit auch der Opfer für die Götter verdoppelte. Für den Fall, dass die Bestraften weiterhin frevelten und keine Ruhe hielten, plante er, sie nochmals zu spalten; dann müssten sie künftig auf einem Bein hüpfen. Der Gott Apollon erhielt den Auftrag, die Gesichter zur Schnittfläche – der heutigen Bauchseite – hin umzudrehen und die Wunden zu schließen, indem er die Haut über die Bäuche zog und am Nabel zusammenband. Am Nabel ließ er Falten zur Erinnerung an die Teilung zurück. Die Geschlechtsteile blieben auf der anderen, früher nach außen gewendeten Seite, der jetzigen Rückenseite.
Die nunmehr zweibeinigen Menschen litten schwer unter der Trennung von ihren anderen Hälften. Sie umschlangen einander in der Hoffnung, zusammenwachsen und so ihre Einheit wiedergewinnen zu können. Da sie sonst nichts mehr unternahmen, begannen sie zu verhungern. Um ihr Aussterben zu verhindern, versetzte Zeus die Geschlechtsorgane nach vorn. Damit ermöglichte er ihnen, durch die sexuelle Begegnung ihr Einheitsbedürfnis vorübergehend zu befriedigen und so die Sehnsucht zeitweilig zu stillen. Zugleich gewannen sie dadurch die Fähigkeit, sich auf die heute praktizierte Weise fortzupflanzen. So wurden sie wieder lebenstauglich. Sie leiden aber weiterhin unter ihrer Unvollständigkeit; jeder sucht die verlorene andere Hälfte. Die Sehnsucht nach der verlorenen Ganzheit zeigt sich in Gestalt des erotischen Begehrens, das auf Vereinigung abzielt.
Die Art des Vereinigungsstrebens der Zweibeiner hängt davon ab, zu welchem der drei Geschlechter sie einst gehörten: zu den rein männlichen Kugelmenschen, zu den rein weiblichen oder zu denen mit einer männlichen und einer weiblichen Hälfte. Je nach dieser ursprünglichen Beschaffenheit eines Kugelmenschen weisen dessen getrennte Hälften jetzt eine heterosexuelle oder homosexuelle Veranlagung auf. Damit erklärt Platons Aristophanes die Unterschiede in der sexuellen Orientierung. Nur die aus den zweigeschlechtlichen Kugelmenschen, den androgynoi, entstandenen Menschen sind heterosexuell.“
Ich mag sie, diese Kugelwesen, die Vorstellung derselben … Insofern musste ich Euch an dieser Stelle noch diesen Mythos mit auf den Weg geben, bevor wir uns dem Duft Touch von Ann Ringstrand zuwenden!
In Liebe Sein: Vom Lieben und Geliebtwerden – Touch
„This scent is part of the brand Ann Ringstrand premiere launch fragrance serie. This is Ringstrand in a personal mood. It´s about intimate relationship between two humans. Warm skin touching our soul skin. A leathery, spicy and powdery scent. Touch is carefully designed with top notes of Juniper berry, Black pepper, Coriander seeds and Carrot seeds. The designer builds the scent middle with Guaiac wood and Olibanum and a base of Oud, Papyrus and Castorium sub.“
Die Ingredienzen, siehe auch oben:
Kopfnote: Wacholderbeere, Schwarzer Pfeffer, Koriandersamen, Karottensamen
Herznote: Guajakholz, Weihrauch
Basisnote: Adlerholz (Oud), Papyrus, Castoreum
Touch erzählt auf duftende Weise demnach von Paarbeziehungen, von Zuneigung, Verbundenheit und Verlangen. Von „warmer Haut, die die Seele berührt“, so ungefähr steht es oben zu lesen – was für eine schöne Beschreibung eines Gefühls, das jeder von uns (hoffentlich) kennen dürfte …
Wie seine beiden Vorgänger ebenfalls ist Touch ein moderner, ein überaus zeitgemäßer und auf eine Art minimalistischer Duft, stylish, aber nicht edgy im Sinne von kantiger Avantgarde. Er ist absolut unisex und ein eingängiger Immergeher, das kann ich jetzt schon verraten. Und besitzt, genauso wie die anderen Düfte des Trios, eine Art kosmopoliten Hipster-Charakter, durchweg positiv gemeint.
Herb-fruchtig-holzig bezirzt er mein Näschen mit einer vollmundigen Wacholdernote, luzide strahlend, hell und luftig, von Pfeffer kokett kontrastiert. Passt ganz hervorragend und sorgt für jenes Flirren, das in der Luft liegen sollte, wenn es die Liebe tut! Koriandersamen tönen subtil in aromatischem Grün, während Karottensamen jene ihnen eigene Note beisteuern, die mir zu beschreiben immer schwerfällt – holzig-papierartig, bisweilen ein klitzekleines bisschen an Graphit oder besser Bleistift erinnernd. Dieser kühlespendende Aspekt harmoniert hervorragend mit dem balsamisch-würzigen Guajakholz, das sowohl die kühlen als auch die warmen Facetten von Touch betont. Im Hintergrund kokelt es auf tiefgründige Weise und raucht, beides angedeutet, niemals raumgreifend, aber immer in genau der Menge vorhanden, um Spannung zu erzeugen, Interesse zu wecken und erhalten – auch das passt zur Liebe, oder etwa nicht? Das sexuelle Begehren oder auch: die Körperlichkeit derselben ist selbstredend auch vorzufinden, und zwar in Form von ebenfalls sparsam dosierter, immer wieder auf- und durchblitzender animalischer Akzente, die wir dem Castoreum zu verdanken haben. Aber keine Angst, selbst Zögerer hinsichtlich animalischer Düfte werden hiervor nicht zurückschrecken, dafür sind die animalischen Momente von Touch zu leise, zu hintergründig, zu fein(sinnig).
Mir persönlich gefällt der pfeffrig-wacholdrig-luftige Touch, und zwar richtig gut. Zwei von drei Düften des Ringstrand-Trios könnten insofern eventuell bei mir einziehen. Ein sehr guter Schnitt für eine neue Marke, obschon ich ehrlicherweise froh bin, dass es mir nicht immer so ergeht, sonst müsste ich mir mein bloggenderweise verdientes Geld vermutlich gleich in olfaktorischen Naturalien ausbezahlen lassen …
Liebhaber von Wacholder und/oder Pfeffer sowie Freunde der mainstreamigeren Düfte aus dem Hause Comme des Garçons, von Andrée Putmans Préparation Parfumée, ferner auch Escentric Molecules dürfen bei Touch als auch seinen Duftgeschwistern gerne einmal näher hinsehen!
Einen schönen Tag noch Ihr Lieben und viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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