… hatte ich ehrlicherweise noch nie gelesen oder gehört, bevor das Dufttrio in unserem Shop landete und ungefähr zeitgleich mir die Proben der Düfte ins Haus flatterten. Grund genug, zuerst einmal ein bisschen Hintergrundrecherche zu betreiben hinsichtlich der Dame, bevor ich mich hier stellvertretend für Euch ihren Düften widme …
Nordish by Nature – Ann Ringstrand
„We are a Swedish design brand for our senses that unites native wisdom and urban life. We design lifestyle products that touch our senses, to get in contact with ourselves, so that we can feel and be more.“
Ann Ringstrand wurde in Schweden geboren, wie ihre Website kundtut – wann genau, bleibt wohl ihr Geheimnis, allerdings ist Frau Ringstrand seit Anfang der Neunzigerjahre in der Modebranche tätig gewesen, wie zu lesen steht. 2001, nachdem sie ihre Ausbildung(en?) an der Copenhagen Academy of Pattern Making sowie der School of Fashion and Textile abgeschlossen hatte, fungierte sie als Mitgründerin des Fashionlabels Hope (über das Ihr hier etwas lesen könnt in einem Interview von 2015). In Folge erhielt sie in Skandindavien zahlreiche Prämierungen, unter anderem The Golden Button und Newcomer of the Year, wurde als Designer of the Year ausgezeichnet. Ihre Kollektionen wurden anlässlich der Pariser Fashion Week gezeigt, darüber hinaus unterhielt Ringstrand mehr als zehn Boutiquen im nördlichen Teil Europas.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten allerdings krempelte Ringstrand 2015 ihr Leben oder vielmehr ihr Werken um, ließ die Fashionwelt hinter sich und zog nach New York. Dort gründete sie ein Kreativstudio mit der Keramikkünstlerin maria Moyer und der Lichtdesignerin Lindsey Adelman. Diese Erfahrung und Zusammenkunft, vielleicht auch -arbeit war für sie inspirierend und befeuerte ihre Kreativität, ließ sie neue Ideen entwickeln: sie arbeitete an Drucken und experimentierte mit Düften, Keramik und Edelsteinen, entschied sich daraufhin dafür, ihre Kenntnisse hinsichtlich Düften und Duftherstellung sowie der Energie (welche auch immer, wird nicht näher erläutert …) von Edelsteinen in Brasilien zu vertiefen.
2017 gründete Ringstrand dann ihre eigene Marke mit „Designs für unsere Sinne“, wie sie auf ihrer Website schreibt. Sie tat sich zusammen mit französischen Parfumeuren, um ihre eigene, in Frankreich hergestellte Nischenduftlinie zu kreieren. Darüber hinaus ging sie eine Zusammenarbeit mit einem Schmuckdesigner in den Bergen von Belo Horizonte in Brasilien ein, der ihre Designs fertigt.
Das Resultat: Ringstrand bietet unter ihrem Namen, ihrer Marke eine erlesene Auswahl an Keramiken an, die für Beduftung gedacht sind, eine Schmuckkollektion mit Edelsteinen sowie eine kleine, feine Kollektion von Kleidung für Yoga und Meditation. Und, natürlich, last but not least: Düfte, genauer gesagt ein Dufttrio, das auf die Namen Gather, Ground und Touch hört, sowie korrespondierend dazu Duftkerzen und Raumdüfte, passend zu den von Moyer kreierten Keramiken.
„My story is that I have always created design and concepts that reflect the time we live in. My path has travelled through the field of fashion towards this lifestyle concept that touches our senses. During my 25 years as a designer, co-founding the Swedish fashion brand HOPE, I have constantly lived my life in the fast lane focusing on the future. NOW has never been on my agenda. Neither has goals been described as feelings. I came to a point where I was missing the feeling of present life. I started searching for tools to support my need to be in the moment. I discovered that a fantastic way to get in contact with myself was to include my senses.
They helped me reach into my body and create a sensor between the world around me and my emotional mood. By using the sense of smell, touch, taste and hearing I started to experience life more. I wanted to bring home tools for the senses, like scents, ceramic oil burners and gem stones. But I was missing products that were carrying both native wisdom, from the world of spirituality, and a design for my urban life that matched my aesthetic style. I started to visualize a design concept combining these two needs. My new brand, founded from my own experience and conviction was born.“ – Ann Ringstrand, Mai 2017
Beginnen möchte ich heute mit der Rezension von Gather, morgen folgt Ground und nächste Woche Touch. Davor allerdings noch ein paar Verweise: hier findet sich ein Interview mit Ringstrand auf Schwedisch (vielleicht spricht es ja wer, gell, Harmen?), darüber hinaus hier ein schöner Artikel über Ringstrand und ihre Marke beim Ravelin Magazine als auch hier ein genauso lesenswerter Artikel bzw. ein Interview bei Kinfolk.
Zusammen Sein – Gather
„This scent is part of the brand Ann Ringstrand premiere launch fragrance serie. The perfume aims to support our social relationships. It strengthens our resonance ability by it´s open-air and inviting character. The fragrance is aromatic with a green and woody tonality. The scent Gather is earthy with a strong reachout. It is designed with a top of Pepper incense, Camphor, Fresh mint and Thyme. To be followed by Cypres, Incense Resinoid and Modern pine. Base notes of Cedramber, Terebenthine, Vertiver and Moss.“
Die Ingredienzen, siehe auch oben:
Kopfnote: Pfeffer, Kampfer, Minze, Thymian
Herznote: Zypresse, Weihrauch, Kiefer
Basisnote: Zedernholz, Ambra, Vetiver, Moos
Ann Ringstrand erklärt ihre Düfte im bereits genannten Ravelin Magazine folgendermaßen:
„They are all about the relationships that are necessary for us. Ground is what we do with ourselves. The feel of being with yourself and just and to allow yourself to be really still. It has a lot of ingredients that are earthy but in a stoney way. It’s more for myself. It’s perfect for a bedroom or wherever things are clean and fresh. The next one is called gather. It’s for everything we have with each other, the relationship we have with our friends. Touch is about the relationship we have with one intimate person. It’s very warm, it’s spicey. I explain it as if you’re a Swedish person and you go on vacation, you want the heat. And in the afternoon when it’s almost four and it’s almost wine time and you sit with the person you love and you touch the person you love, that warmth, is what this scent is all about.“
Gather beschreibt wahrscheinlich das, was uns dieser Tage am meisten fehlt: Gemeinschaft. Obschon das durch COVID-19 nötig gewordene Social Distancing eigentlich genau genommen „nur“ ein Physical Distancing ist, ist es eben doch schwer. Viele, die mit dem Internet nicht oder nicht in dem Maße wie beispielsweise die Digital Natives vertraut sind, können lediglich auf wenige oder gar keine digitalen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und/oder -pflege zurückgreifen – es bleibt also eigentlich nur der Griff zum altbekannten Telefon oder das Gespräch von Balkon zu Balkon, Straßenseite zu Straßenseite oder über den Gartenzaun, mehr oder weniger. Und selbst wenn man als Internetversierter, Neue Medien-Affiner und Social Media-Aktiver ein breites Tummelfeld an Kommunikationsmöglichkeiten besitzt – es fällt eben doch schwer, der sehr begrenzte körperliche Kontakt. Manch einer mag ihn vielleicht, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht haben. Mir zumindest fehlt das am meisten dieser Tage – das Gesellschaftliche, die Gemeinschaft, obschon ich sie meist auch nur wohldosiert genieße, dennoch … Aber es werden bestimmt wieder andere Zeiten kommen.
Der oder vielmehr den zwischenmenschlichen Beziehungen in Singular und Plural ist Gather demnach gewidmet, der Resonanz zwischen zwei oder mehr Menschen, Bindung und Freundschaft/en – auf platonischer Ebene (im übrigen, nebenbei bemerkt vom Korinthenkacker in mir: vollkommen falscher Gebrauch des Wortes, platonische Freundschaften waren alles, nur nicht platonisch, wie wir das heute verstehen …).
„It’s very green and woody. I imagine a dinner table set among pine trees, with lots of herbs on the table.“ – Ann Ringstrand im Interview mit Kinfolk über Gather
Draußen sitzen am gedeckten Tisch in einem pittoresken Garten unter Pinienbäumen, mit unzähligen Kräutern auf dem Tisch … mmmh, eine schöne Vorstellung.
Genauso herrlich wie diese Vorstellung ist auch deren olfaktorische Umsetzung – ich liebe Gather bereits nach den ersten duftenden Metern. In schillerndem Grün präsentiert er sich, aromatisch und voller Frische, nach Minze und Kampfer tönend, dass es eine wahre Freude ist. Beide beißen nicht, wie es hin und wieder mal der Fall ist bei diesen Zutaten, machen auf angenehme Weise sowohl Nase als auch Kopf frei, ohne jedoch an irgendein Gesundheitsbad oder eine jener Hustencremes denken zu lassen, die man sich mitunter auf Brust und Hals schmiert im Krankheitsfalle. Herb- und krautig-grün als auch kräuterig-grün, akzentuiert von subtiler Pfefferschärfe und in sachten, aber dennoch prägnanten kühlen Harzrauch gehüllt, vornehmlich Weihrauch, der im späteren Verlauf im Zusammenspiel mit ernst-holziger Zypresse seifig-saubere Anklänge entwickelt. Den sollte man schon mögen, um Gather in sein Herz schließen zu können. Allerdings ist es auch kein uralt und fast schon modrig-feucht anmutender Kirchenweihrauch wie in Etros Messe de Minuit (ich liebe ihn, insofern war es positiv wertend gemeint ;)), der Weihrauch hier ist darüber hinaus nicht kokelig oder wärmend, besitzt keinerlei Süße, was dem Duft ohnehin fehlt, ohne das man es vermissen würde, ganz im Gegenteil. Gather ist ein authentischer, grün-aromatisch-holzig-harziger Schöngeist und ein absoluter Volltreffer, zumindest für mich.
Er ist ein charakterstarker Unisexduft, ein Duftstatement. Und dennoch ist er ein Understatement-Kandidat, modern, gleichermaßen zeitlos. Wer die Incense-Serie von Comme des Garçons mag, dem Mehrfachgrün von Miller et Bertaux, Six Scents Series 1 No. 3 The Spirit of Wood, Maison Martin Margielas Untitled – der darf hier bedenkenlos zum Test zugreifen!
Ich bin ziemlich begeistert, ein perfekter Auftakt, würde ich sagen – insofern freue ich mich auf die anderen beiden Düfte von Ann Ringstrand!
Es grüßt ganz herzlich
Eure Ulrike
P.S.: Ich kann mir Gather richtig, richtig gut in der Raumbeduftung vorstellen. Die Kerze dürfte ziemlich sicher Freunde der Grünlinge von Cire Trudon erfreuen (regelmäßige Leser*innen wissen: ich gehöre schon gaaanz lange dazu – siehe Dada, Abd el Kader).
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