… lässt uns einen weiteren Tag im Sultanat Oman verweilen. Und ist der letzte Artikel unseres Rezensionsmarathons zu den Franzosen. Alle anderen Beiträge findet Ihr, wenn Ihr zurückblättert, oder zusammengefasst verlinkt im gestrigen Posting, klick.
Ich bin bisher durchaus angetan von den Düften der Marke, die früher schon einmal unter anderen „Segeln“ bei uns erhältlich war (man hat sich umbenannt von Une Nuit à Bali in Une Nuit Nomade. Obschon unterschiedliche Parfumeure zugange waren mit durchaus unterschiedlicher Handschrift, zieht sich doch ein gewisser roter Faden durch das olfaktorische Werk – alle Düfte sind komplex und von einer guten Sillage, charakteristisch, ohne zu kantig oder edgy zu sein und darüber hinaus von einer gewissen Leichtigkeit. Will sagen: wie gestern bereits erwähnt sind selbst die Blüten, die eigentlich „schweren“ (weil beispielsweise weißen) und/oder tropischen (gerne auch weiß) als auch die Orientalen, die Düfte mit Gourmandaspekten so interpretiert, dass sie auch denjenigen gefallen werden, die sich sonst mit derlei Duftrichtungen und den dazugehörigen Duftfamilien eher schwertun.
Nach mehr als einem halben Dutzend getesteten Düften haben sich selbstredend bei mir Favoriten herauskristallisiert: ich liebäugele sehr mit Murmure des Dieux, ferner mit Memory Motel und, unverhofft kommt oft, mit Jardins de Misfah, der eigentlich nicht meinem üblichen Beuteschema entspricht mit seinen Anklängen von Lokum, seinen mandelig-marzipanigen Rosenwassertönen.
Mal sehen, ob sich Ambre Khandjar noch mit in die mögliche Kaufliste drängt. Regelmäßige Leser*innen werden es wissen – Ambradüfte schätze ich sehr, meistens aber nicht an mir selbst. Meine persönliche Selektion beschränkt sich auf einige wenige, unter anderem Parfum d’Empires Klassiker Ambre Russe und Farmacia SS. Annunziatas Ambra Nera. Das sind zumindest die ersten, die mir einfallen, sicherlich findet sich noch der eine oder andere, aber allzu viele sind es nicht. Dennoch oder gerade deswegen bin ich gespannt auf unseren vorerst letzten Duft von Une Nuit Nomade, auf Ambre Khandjar!
Tradition verpflichtet – Ambre Khandjar
„Der Souq von Muttrah befindet sich im Herzen der ältesten Stadt des Nahen Ostens, der Hauptstadt des Sultanats Oman, Muscat. Dieser Souk, der als „dunkler Markt“ bezeichnet wird, ist in ein diffuses, geheimnisvolles Licht getaucht.
Es ist der perfekte Ort, um ein kleines Vermögen für einen legendären Khandjar auszugeben. Der Khandjar ist ein Dolch, der in Form eines J gebogen ist, das Resultat handwerklicher Kunst, die von Vater zu Sohn weitergegeben wird. Es ist die Identität, der Stolz und das Erbe des Oman. Traditionell trugen Krieger ihn in einem Gürtel um die Taille. Heute wird es nur noch zu besonderen Anlässen angelegt.
Es gibt viele Arten von Khandjar. Die schönsten sind aus Silber, häufig mit Symbolen verziert und haben einen geformten Holzgriff. Silber vermittelt die Tugenden eines Talismans – Glück und Schutz vor dem Bösen.
Das Tragen eines Khandjar ist wie das Tragen eines Teils der omanischen Seele.
Unser Duft „Ambre Khandjar“ ist eine Hommage an die Kraft der Tradition. Es ist ein kraftvoller orientalischer Amber Duft mit modernen Facetten, einem Nachklang von Leder und Vanille, der ihn zeitlos, warm, und unwiderstehlich anziehend macht. Ein Parfum, das nach sonnengebräunter und von Metall gekühlte Haut duftet.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Mandarine, Pflaume
Herznote: Labdanum, Vanille, Iris, Ylang-Ylang
Basisnote: Sandelholz, Patschuli, Benzoeharz
Parfumeur: Jérôme di Marino
Ambre Khandjar ist also einem ganz speziellen Urlaubsmitbringsel gewidmet – dem persischen Khanjar, auch Kantschar, Handschar oder Kanjar genannt. Seinen Ursprung hat dieser Dolch irgendwo im 17. bis 19. Jahrhundert, wo er sowohl in Indien, der Türkei als auch in Persien benutzt wurde. Im Sultanat Oman gehört diese traditionelle Waffe bis heute zur offiziellen, anlässlichen von (Familien)Festen, feierlichen Anlässen und Tagen getragenen Tracht – selbstredend der von Männern. Im übrigen existiert auf dem Balkan eine sehr ähnliche Waffe, die oftmals mit dem Khanjar verwechselt wird – wir kennen sie von einem anderen Duft, von Carons danach benanntem Klassiker Yatagan.
Ein wenig verwirrt hat mich, da ich selbstredend ein bisschen recherchieren musste, was denn nun genau der Unterschied zwischen einem Khanjar und einem Yatagan ist. Bisweilen werden die Begrifflichkeiten synonym verwendet, an anderer Stelle wiederum regt sich Protest, die beiden Waffen seien komplett unterschiedlich. Nicht, dass das furchtbar wichtig wäre für uns, aber ich war natürlich neugierig: auf den ersten und zweiten Blick scheint der Unterschied darin zu liegen, dass der Yatagan wohl (meist?) immer?) eine einschneidige, der Khanjar eine zweischneidige Kurzwaffe ist. Darüber hinaus sieht es so aus, als ob der zwar von der Form und somit Optik her ähnliche Yatagan weniger stark gebogen ist ist als der Khanjar.
Der Khanjar hat laut Wiki normalerweise einen Griff, dessen Knauf einer Pistole ähnelt. Die Klinge zeigt sich leicht nach unten gebogen, wie oben erwähnt, und spitz zulaufend. Sowohl Klinge als auch Griff, zumeist gefertigt aus Edelmetall, Kupfer oder Messing, sind häufig mit Holz oder Horn belegt. Allerdings wurden auch weitere Materialien verwendet, siehe unter anderem die exemplarischen Bilder, die ich für Euch herausgesucht habe. Elfenbein, Jade, Glas und mehr kamen dazu in Frage, meist üppig verziert, genauso wie die zugehörigen Scheiden, die ebenfalls aus unterschiedlichsten Materialien hergestellt wurden. Die Verzierungen sind wie zu erwarten war üppig, florale Elemente als auch Pferde- und andere Tierköpfe sehr oft anzutreffen. Die Klingenlängen variieren, üblicherweise bewegen sie sich zwischen 20 und 30 Zentimetern.
Zurück zum Oman und der dortigen Bedeutung des Khanjars: er war, siehe oben, ein unverzichtbares „Accessoire“ (freundlich ausgedrückt – der Khanjar diente logischerweise zu Kampfeszwecken) der Männertracht, Vertreter dieses Geschlechts verließen ohne einen Khanjar früher üblicherweise nicht das Zuhause. Heutzutage wird der Khanjar zu besonderen, traditionellen Festivitäten wieder hervorgeholt, getragen an einem Gürtel und kombiniert mit einem Turban, einer Dishdasha (auch Kandora – ein weißes, bodenlanges, a-förmiges Gewand, eine Art Hemdblusenkleid für Männer, Ihr werdet es wahrscheinlich kennen, denn es ist im arabischen Raum sehr verbreitet) und meist ebenfalls mit einem Stock. Im übrigen findet sich der Khanjar sowohl im Wappen als auch auf der Landesflagge des Omans, auf diversen offiziellen Dokumenten und auf den Geldscheinen (die Währung im Oman ist der Rial).
By MWahaiibii – Own work, CC BY-SA 4.0, Link
Man ahnt es schon – der Khanjar ist nicht irgendeine Waffe, er ist Teil der osmanischen Identität, ein Symbol für Stolz, Ehre, Geschichte und Ausdruck des Status‘, war (und ist) er eine Handarbeit, für die es bei den „netteren“ Exemplaren besonderer Kunstfertigkeit und somit eines Meisters seines Fachs bedarf. Der osmanische Khanjar gilt wohl als der Porsche unter seinesgleichen und unterscheidet sich, abgesehen von seiner Qualität, von anderen Khanjars sowohl durch spezielle Gravuren als auch durch eine typische Form – dafür fehlte mir bei meiner kurzen Recherche ehrlicherweise das geschulte Auge 😉
In jedem Fall sollte man wohl, wenn man kein Touristenspielzeug, sondern einen „echten“ Khanjar kaufen möchte, die Reisekasse gut bestücken – ein Blick auf den Antikmarkt reicht, um zu erkennen, dass für ältere (nicht zwangsläufig wirklich alte) Khanjar-Exemplare höhere drei- und gerne auch vierstellige Summen aufgerufen werden. Vermutlich sieht es bei neueren, sorgfältig und kompetent handgefertigen ebensolchen sehr ähnlich aus.
Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt mit meinen kleinen Ausführungen – ich finde derlei immer sehr interessant und spannend, Historie und, wie in diesem Fall, Handwerkskunst. Ich erinnere mich noch gut an eine von mir vor Jahren mit einigen Bekannten besuchte Ausstellung, auf der unter anderem diverse antike Waffen, Schwerter und dergleichen zu sehen waren. Dabei war ein Kunstschmied, der selbst Messer und anderes herstellt, etliche Fertigungstechniken gelernt hatte und sehr viel zu diesem Thema wusste – sehr faszinierend, wie viel Arbeit und Können dahintersteckt. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise auch an den Damaszener Stahl beziehungsweise Damast. Viele kennen ihn vermutlich eher aus dem Küchenbereich, von den vortrefflichen japanischen Messern, obschon diese streng genommen nicht als Damast bezeichnet werden und, wichtig, derlei Stahlbearbeitung seit Jahrhunderten auch im europäischen und vor allem arabischen Raum vorzufinden war. Wer im übrigen noch weiter eintauchen möchte – hier ein Link, ein zweiter und ein dritter, wo einiges zum osmanischen Khanjar nachzulesen ist.
By Passportguy – Own work, CC BY 3.0, Link
So, kommen wir schlussendlich zum Duft, zu Ambre Khandjar. Man oder vielmehr ich vermute einen prägnanten, markanten Duft – einerseits wegen des Motivs, der Betonung auf die Tradition, und andererseits aufgrund der namensstiftenden Ingredienz, der durchaus traditionell-typischen für den arabischen Raum, und demnach perfekt passenden, der Ambra. Allerdings hege ich die Vermutung auf Basis der bisherigen Schnupperresultate, dass Ambre Khandjar vermutlich auch für die Damenwelt tragbar sein dürfte, was ein Blick auf die Ingredienzen nicht unwahrscheinlicher macht …
Aber ja doch, meine Lieben, genauso ist es! Ambre Khandjar ist ein gleichermaßen klassischer als auch moderner Orientale, der mich auf den ersten olfaktorischen Metern bereits für sich einnimmt. Prächtig und strahlend zeigt er sich goldschimmernd in satten, warmen Farben aus dem Rot-, Gelb-, Orange- und Braunspektrum, opulent und facettenreich, aber nicht überladen. Die wohlige Wärme herrlicher Harze, natürlich auch und vor allem der Ambra macht sich umgehend breit auf meiner Haut und schmeichelt meiner Nase. Würzig, pudrig, holzig und samten webt er einen eindrucksvollen Duftteppich, einen schwelgerischen, der in sachte Rauchigkeit gehüllt ist. Hier erinnert er mich in dieser seiner Ausprägung an diverse italienische Ambra-Interpretationen, falls Ihr wisst, was ich meine: jene kraftvolle Dichte, die diese ausmachen, unter anderem auch den oben genannten Ambra Nera. Für mich duftet es hier auch nach Tabakrauch – an dieser Stelle erinnert mich Ambre Khandjar in allerbester Weise an die Klassiker aus dem Hause Serge Lutens, allen voran an den herrlichen Chergui, der eine ähnliche staubtrocken-würzig-rauchige Wärme verströmt. Damit dürfte für viele ein Zauberwörtchen gefallen sein, denn Chergui triggert, ist er doch bei Parfumistas schon immer und immer noch sehr beliebt. Den Vergleich muss Ambre Khandjar nicht scheuen, allerdings ist er keine Kopie, er tendiert meines Erachtens nach lediglich bisweilen „schwingend“ in eine ähnliche Richtung.
Was ihm meiner Meinung nach überaus gut zu Gesicht steht sind die fruchtigen Anklänge, die ihm innewohnen, vor allem die Pflaume. Hier lässt er in meinem Kopf eine weitere Querverbindung aufleben – Parfums d’Orsays Le Dandy, der eine vergleichbar ausdrucksvolle und schöne, in (Tabak)Rauch gewandete Pflaume bisweilen likörig-schnapsiger Natur an den Tag legt. Für mich ist Le Dandy, der leider discontinued zu sein scheint, obschon er noch hin und wieder erhältlich ist, ein Trigger, definitiv.
Ambre Khandjar ist ein toller Duft, meine Lieben – ich bin neugierig, ob Ihr das auch so seht!
Alles Liebe und viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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