… nach Amerika, zumindest gedanklich – ansonsten sind die USA leider momentan nicht der gewünschte „Place to be“ in Anbetracht von dem dort (überdurchschnittlich wild) tobenden Coronoavirus. Wer Familie oder Freunde dort hat, wird sicherlich, ähnlich wie ich, derzeit in Sorge sein, dass alles wenigstens „einigermaßen glimpflich verläuft … Ich hoffe und wünsche es mir und den Amerikanern sehr.
Lasst uns an dieser Stelle dennoch COVID-19 ausblenden und in die Prä- oder Post-Ära verreisen – ab nach Montauk!
Une Nuit à Montauk
„Unser unersättlicher Appetit auf Reisen trug uns auf einen anderen Kontinent, so dass eine neue Kollektion das Licht der Welt erblicken konnte: „Une Nuit à Montauk“.
Die Vereinigten Staaten, Ostküste, in der Nähe des Big Apple. Nehmen Sie die Straße für ein paar Stunden und entdecken Sie eine raue See am Horizont. Fahren Sie entlang der Küste von Long Island und Sie sind angekommen. An diesem Punkt namens The Hamptons. This is The end.
Stellen Sie sich einen 200 Jahre alten Leuchtturm mit seinen erhaltenen 200 Stufen vor, der auf die Peaconic Bay und den Atlantik blickt. Er ist ein Bezugspunkt, ein Wächter gegen die Stürme von gestern und morgen. Erhellen jenseits des Möglichen, dort, wo sogar Sterne fehl am Platz erscheinen.
Montauk ist eine Geschichte, die es zu erzählen gilt. Eine natürliche Halbinsel mit den traditionellen Häusern direkt am Strand, mit weißen Holzwänden und windigen Terrassen. Ein idealer Ort um den Tanz der Fischer zu beobachten.
1972 geriet Andy Warhol in den Bann Montauks, als er auf der Suche nach einer Lücke im Leben war. Es war der Beginn von 20 Jahren voller künstlerischer Begeisterung, zufälliger Begegnungen und glücklicher Tage. Ein Hauch von Vergangenheit, in der sich Menschen wie Peter Beard, Lee Radziwill, Jackie O., The Rolling Stones, Truman Capote, Catherine Deneuve, John Lennon, Paul Morrissey, Mohammed Ali, Halston und Elia Kazan überkreuzen und aufeinander prallen. In jüngerer Zeit wurde es in „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“ zusammen mit den Liebesgedichten von Michel Gondry aufgeführt.
Heute inspiriert Montauk berühmte Künstler, Surfer, Seefahrer und Gypsetter ebenso wie den anonymen Liebhaber von Natur und frischer Luft. Einfachheit im Außergewöhnlichen.
„Une Nuit à Montauk“ ist eine Erinnerung in Parfümform an diese etwas aufgedrehte Nostalgie, die wilde, intakte Natur und den Chic der Ostküste. Unsere ersten beiden Kreationen eines zukünftigen Quartetts heißen: „Rose America“ und „Memory Motel“.“
Aus welchem Grund auch immer (ich eruiere ihn gerade …) haben wir Rose America nicht im Sortiment – dafür Bohemian Soul, der ebenfalls zu der Montauk-Kollektion gehört. Offenbar ist das Textchen oben, das ich direkt von der Une Nuit Nomade-Website übernommen habe, etwas veraltet 😉 Insofern schauen wir uns heute Memory Motel und morgen Bohemian Soul an – passt mir ganz gut, hätte ich mich entscheiden müssen, so ganz spontan interessiert mich Bohemian Soul mehr als die Rose, die aber selbstredend nachgereicht wird, so wir sie noch bekommen.
Was mich außerordentlich freut – die Parfumeurin der beiden Düfte ist keine geringere als Annick Menardo. Eingefleischten Parfumistas wird dieser Name einiges sagen: Annick Menardo, um die es die letzten Jahre etwas ruhiger geworden ist, hat schon einige Klassiker auf ihrem „Konto“ zu verbuchen, so etwa BVLGARI Black und Diors Hypnotic Poison, darüber hinaus Hugo Boss Bottled, Calvin Klein Woman sowie Obsessed for Women, Diesels Fuel for Life (beide, sowohl den Herren- als auch den Damenduft), DSQUARED² Potion als auch Wild, Jean Paul Gaultiers Kokorico und Kokorico by Night, Fendis Palazzo, Laura Biagottis Roma Uomo, wenn wir vom Mainstream sprechen (das sind selbstredend nicht ihre einzigen Kreationen, aber meines Erachtens nach die wichtigsten in diesem Segment). Darüber hinaus schuf sie Diors Bois d’Argent für deren Collection Privée, Patchouli 24 für Le Labo (Räucherschinken im alten Schwarzwaldhof auf einem Bett aus Vanille – ich liebe ihn und ich bin seit über dreißig Jahren Vegetarier ;)), Bois d’Armenie für Guerlain, Amouages Portrayal Woman, Beso Beach Beso Canalla, Eau d’Italies Morn to Dusk und weitere.
Ich liebe Menardo für Black, für Bois d’Armenie als auch Bois d’Argent, nicht zuletzt aber für ihren Patchouli für Le Labo, der streng genommen eigentlich kein (monothematischer) Patschuliduft ist. Sehr gespannt bin ich deshalb auf ihre beiden Ostküsten-Düfte, die sich hoffentlich als echte Menardo-Kreationen zeigen!
Kommen wir aber nochmals zurück zu Montauk: mir sagte das Örtchen grob etwas. Dass es im Staat New York gelegen ist – geschenkt. An der Ostspitze von Long Island befindet sich das Dorf, das über weniger als viertausend Einwohner verfügt. Benannt wurde Montauk nach den Montaukett, einem Stamm der Metoac-Indiander, die ursprünglich das dortige Land besiedelten. Was ich nicht wusste: die Gründungsgeschichte des Dorfes, das als eine Art Feriensiedlung geplant war – was es vermutlich heute noch ist, mehr oder weniger. Ich schätze, dass dort viele Wohlhabende ihre Zweitwohnsitze haben … In den Zwanzigerjahren plante ein Unternehmer namens Carl Graham Fisher Montauk als Feriendomizil, und zwar als Miami Beach des Nordens – er hatte zuvor bereits Miami Beach zu einem ebensolchen geformt. Fisher kaufte im großen Stil Land auf, erbaute das Luxushotel Montauk Manor und diverse andere, im Vergleich eher kleinere Häuser im Tudor-Stil, eine Golfanlage sowie einen Jachthafen, ging allerdings in Folge des Börsencrashs 1929 schlussendlich 1932 pleite. So weit, so gut, so Google. Wer darüber hinaus neugierig geworden ist – lest beispielsweise hier.
Selbstredend fand Montauk, wie der Text zum Duft Memory Motel oben schon erwähnt, im Laufe der Zeit viele Freunde, Künstler vor allen Dingen, weswegen das Dorf häufiger zitiert wird – in Montauk von Max Frisch, dann in Gondrys Film Vergiss mein Nicht!, Spielbergs Der weiße Hai spielte, wenn an Land, in Amity, einem fiktiven Ort in der Nähe von Montauk, um nur einige Beispiele zu nennen. Und Frank Schätzings Der Schwarm umkreist ebenfalls eine Episode der Romanhandlung lang (keine Ahnung wie lange, ich habe das Buch nicht gelesen …) das Wahrzeichen Montauks, den dortigen Leuchtturm.
Duftende Erinnerungen – Memory Motel
„Rock‘n’Roll & Zeitlos – Als Andy Warhol plante, in die Nähe der Hamptons zu ziehen, bekannte er sich dazu, sich in den Ort Montauk wegen der leicht kitschige Architektur des Memory Motels verliebt zu haben. Der Künstler wird zum Ankerpunkt, zum Leuchtturm einer ganzen Künstlergeneration und verhilft Montauk zu unerwartetem Ruhm. Für einen Sommer vermietete er sogar sein Haus an die Rolling Stones, die dort für ihre Tournee proben und die Vorab-Aufnahme eines ihrer größten Alben „Black and Blue“ einspielen. Diese Zeit verewigen Sie in der Ballade „Memory Motel“.Das gleichnamige Parfum ist eine Hommage an diese turbulente und brodelnden Zeit.
Ein androgyner Duft mit Tabaknoten, umhüllt von Patschuli-Blättern, durchdrungen von einem Hauch Vanille. Das ist etwas von Gestern, ein bisschen Vintage, etwas Rock’n’Roll aber dennoch zeitlos schön.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte
Herznote: Iris, „Räucherstäbchen“ (steht da wirklich), Dünennelke (gemeint ist wohl die sogenannte Strand-Grasnelke oder auch Armeria maritima)
Basisnote: Moos, Patschuli, Vanille, Tabak, Leder
Memory Motel – viele werden es zumindest von dem gleichnamigen Song der Stones kennen, einem der seltenen, in denen Mick Jagger und Keith Richards zusammen und vor allem auch einigermaßen gleichberechtigt singen … Wie der Text zum Duft erzählt, verbrachten die Stones 1975 vor einer großen Tournee eine Zeit in Andy Warhols Haus in Montauk, und haben sich währenddessen offensichtlich auch dessen geliebtes Memory Motel angesehen sowie ähnliche Begeisterung dafür (für was auch immer …) entdeckt … Vielleicht war es aber auch nur der Name, denn das 1951 gegründete Memory Motel hatte nur einen Stern, glänzte vermutlich deshalb nur sehr bedingt – siehe unter anderem hier ein Artikel über die Stones und das Motel, ein kleinerer Beitrag siehe hier. In jedem Fall scheint es das Motel wohl noch zu geben, abseits von Corona.
Für diejenigen, die den Song nicht kennen – ich habe ihn Euch herausgesucht, er stammt wie erwähnt vom 76er Album Black and Blue:
Ich muss ehrlich gestehen – mein Lieblingssong von den Stones ist und bleibt Angie, der nach meinem Erachten alles vereint, was die Band so genial macht. Und während ich hier sitze und sowohl Memory Motel als auch Angie nochmals höre, habe ich mir parallel dazu Memory Motel in Duftform aufgesprüht … geil 😀
Memory Motel ist für mich persönlich eine Art Best of Annick Menardo, da er ihre Stärken perfekt vereint. Iris? Hat sie schon einmal, und zwar richtig gut – Bois d’Argent, eine ledrig-pudrige Vertreterin dieser Gattung. Hier erneut – Iris. Und Puder, staubtrockener von einer subtilen Würze, honiggeküsst. Ganz genau, Honig spielt mit hinein, wobei dieser irgendwo im Rauch mitschwingt oder -wabert, insofern ist es Pfeifentabak. Ledrige Anklänge vermag ich auch zu entdecken, bin mir aber nicht sicher, ob diese nicht ein wenig gen Gummi zeigen oder wenigstens Latex? Vielleicht auch nur Wunschdenken oder Begeisterung, Menardos Meisterwerk Black lässt grüßen. Samten und kakaobestäubt (Patschuli, wer sonst) wallt er über meine Haut, der tolle Memory Motel, den ich sowohl an Frauen als auch an Männern sehe.
Und lässt mich permanent an jenen männlichen Künstlertypen denken – Ihr wisst schon, den Slimfit-Mann im ebensolchen (Dior?-)Anzug, im lässig ungebügelten, vielleicht auch in einem Einzelstück aus dem Second-Hand-Shop. Stylo, ein bisschen Dandy, eine Prise Rock ’n‘ Roll, eventuell ein bis x Tattoos oder eben auch nicht. In jedem Fall Esprit der Sechzigerjahre und – ein Schöngeist.
Chapeau, Madame Menardo, überaus gelungen! Das könnte einmal mehr eine Iris sein, die ihren Weg in mein privates Sortiment findet, obschon dort bereits einige „Kolleginnen und Kollegen“ stehen 🙂
Einen schönen Tag meine Lieben, genießt die (Rest)Sonne –
herzlichst
Eure Ulrike
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