… erfreut mich ganz besonders, war es doch schon längere Zeit ein wenig still geworden um die Franzosen. Der Sohnemann der Parfumeurin und Firmengründerin Patricia de Nicolaï hat vor einiger Zeit das Ruder übernommen und steuert von nun an die Geschicke der Firma, während seine Mutter immer noch und nach wie vor die Düfte kreiert.
Parfum im Blut – Patricia de Nicolaï
Wer das Haus kennt, weiß, dass Patricia de Nicolaï die Nichte von Jean-Paul Guerlain ist – von wem, wenn nicht von dieser Frau kann man behaupten, dass sie das Parfum in die Wiege gelegt bekam? Darüber hinaus werde ich nicht müde zu betonen, wie unterbewertet ich die Marke finde. Sie fliegt seit Jahren zu Unrecht unter dem Radar in der Nische, ist mehr oder weniger fast nur „Eingeweihten“ bekannt, was überaus schade ist. Warum? Weil Nicolaï exzellente Düfte im Repertoire haben. Und zudem Patricia de Nicolaï schlicht und einfach eine herausragende Parfumeurin ist. Ihr Stil ist klassisch, aber zeitlos. Wäre sie Malerin, würde sie mit leichtem, leisem Pinselstrich zeichnen in der Art eines Claude Monets während seiner Spätphase, in der er sich überwiegend mit seinem Garten in Giverny beschäftigte und beispielsweise seine Seerosenbilder malte. Vielleicht würde Nicolaï aber auch Aquarelle fertigen, dahingehaucht, scheinbar fragil, aber kraftvoll und ausdrucksstark. Ich vergleiche sie an dieser Stelle immer sehr gerne mit Jean-Claude Ellena, der zumindest meines Erachtens hinsichtlich seines Stils eine ähnliche Zurückhaltung besitzt, Düfte kreiert, die niemals vordergründig sind, meist Understatement verströmen, aber meisterhaft umgesetzt sind. Zeit muss man sich lassen und Muße, um sich auf die meisten der Schöpfungen von Patricia de Nicolaï einzulassen, weil sie keine „In your Face“-Düfte sind. Wer sich einzulassen vermag, wird aber reich belohnt – mit wahrer Parfumeurskunst. Überzeugt Euch selbst, wenn Ihr die Marke noch nicht kennt – „Anspieltipps“: New York, ganz klar, der Klassiker. Sacrebleu, ein weiterer Klassiker.
Und wenn Ihr gerade dabei seid – testet auch mal die beiden Düfte, die Madame für Parfums MDCI schuf, Un Cœur en Mai und Le Rivage des Syrtes.
Die Seele des Leders – Baïkal Leather Intense
„The leather aspect of Baïkal Leather Intense is essentially created by blending two dry, woody notes: essence of guaiac wood and essence of smoked pine. This powerful duet is ushered in by a fiery start of spicy citrus with yuzu, pepper and saffron, while the aromatic touch of spearmint completes the top note. The floral heart of rose and violet envelops the leather, softened by an iris butter, Tonka beans and white musk background.“
Ein Lederduft aus dem Hause Nicolaï – ich kann mich nicht daran erinnern, dass es vorher schon einen gab. Die Beschreibung zum Duft ist – faktenorientiert. Der Lederakkord, der namensgebende, entspringt der Vermählung zweier trockener Holznoten, der Essenz von Guajakholz, jenem wundervoll balsamisch-vielseitigen, sowie geräucherter Kiefer, die Nicolaï nach eigenem Bekunden mit zitrischen Noten beleuchtet, allen voran Yuzu (spannend!), denen sie eine Prise Pfeffer schenkt (funktioniert in der Regel perfekt, gepfefferte Hesperidenfrüchtchen) sowie grüne Minze. Ein paar Blüten im Herz, darunter Irisbutter, Tonka und weißer Moschus … es bleibt mir gar nichts anderes übrig, als den Russen umgehend auf die Haut zu lassen …
Ob der Name eine Hommage ist an einen der ersten, mit Sicherheit aber auch einen der bekanntesten Lederdüfte, an Chanels Cuir de Russie?
Könnte gut sein, denn Baïkal Leather Intense wohnt eine ähnliche cremige Seidigkeit oder seidige Cremigkeit inne, die meines Erachtens und meiner Erinnerung nach auch den Chanel-Klassiker auszeichnet. Ich schwelge … und schwärme. Denn Baïkal Leather Intense enttäuscht mich nicht, ganz im Gegenteil – was für ein herrliches Lederchen! Aber – wie könnte es auch anders sein, nichts anderes hatte ich erwartet von Madame.
Smooth, auf eine Weise kühl und frisch, gleichermaßen aber auch warm, seidig, einhüllend, wärmend, ohne jedoch althergebracht warm zu sein. Baïkal Leather Intense zeigt sich enorm komplex und facettenreich, ein Ausnahmelederduft, der sich nahtlos in die Kollektion einfügt, die mit überragender Qualität brilliert. Er macht es einem nicht einfach, ihn in seine Einzelteile zu zerlegen, weil er als ganzes wirkt, ohne jedoch monothematisch zu sein oder auf einen Verlauf zu verzichten … Sanft, sacht pfeffrig kontrastierte, exotisch-zitrisch anmutende Yuzu strahlt hell, beleuchtet, von Minze subtil süß-frisch-blättrig begleitet und überleitend auf den Protagonisten, jenes stolze Leder. Ich kann mich hier kaum entscheiden, ob wir es mit einem butterweichen Glattleder allerfeinster Qualität zu tun haben, einem Handschuhleder, oder einem herberen Leder mit Patina, denn Baïkal Leather Intense wohnen beide Seiten inne, zeigt sich das Leder doch nicht nur geschmeidig, sondern auch in sachten Rauch gehüllt, der bisweilen birkenteerig wirkt – die geräucherte Kiefer. Erlesen, auf eine Art verwegen, aber dennoch elegant, luxuriös und geschmeidig, hintergründig von samtiger Rose untermalt und von einer hinreißenden unterschwelligen Süße …
Baïkal Leather Intense ist herrlich, Punkt. Klassisch und traditionell einerseits, modern und kontemporär andererseits, darüber hinaus tragbar von jedem Geschlecht – das unterscheidet Baïkal Leather Intense von einigen anderen Vorzeigelederchen, bei denen er sich einreiht (wie beispielsweise Knize Ten). Testen, meine Lieben – wer Leder mag, sollte hier unbedingt ran! Für mich geht er in den Dauertest, ich habe zwar schon einige ziemlich gute Lederdüfte, aber der hier hätte sicherlich noch ein Plätzchen im Regal verdient …
Wie steht Ihr denn zu Leder, Ihr Lieben?
Herzliche Grüße
Eure Ulrike
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