… steht noch aus hinsichtlich einer Rezension – vier Düfte sind es, die noch einer näheren Betrachtung harren, und zwar Crème de Cuir, Tubéreuse Impériale, Oud Abramad und Wood Jasmin. Für die Nachzügler unter Euch: hier findet Ihr die Vorstellung der Marke bdk Parfums sowie die Rezension zu Gris Charnel, hier hatte ich die Collection Parisienne besprochen mit Rouge Smoking, Pas ce Soir und Bouquet de Hongrie.
La Collection Matières – die Übersetzung ist nicht ganz einfach, denn „matière“ steht für Stoff, und zwar im übergreifenden Sinne. Nicht nur Textilien sind gemeint, sondern Werkstoffe, insofern oftmals auch ursprüngliche Materialen. Ich denke, damit kommen wir der Sache näher – ursprüngliche Ingredienzen, bekannte, berühmte, berüchtigte Ingredienzen stehen im Fokus. Jene, denen eine besondere Bedeutung in der Welt der Düfte, der Parfumherstellung zukommt. Leder und Oud sowie zwei Weißblüher, nein, eigentlich die zwei beiden Weißblüher hat sich David Benedek, der Markeninhaber, dafür herausgesucht. Seine Intention – Althergebrachtes neu interpretiert, um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen. Jenen Ikonen der Ingredienzen innovative Facetten abzugewinnen, sie auf innovative Weise olfaktorisch darzustellen – ich bin gespannt, ob ihm das gelingt.
Von Indian Summer, Leder und Sinnlichkeit – Crème de Cuir
„It’s the Indian summer, when the hot days are over and the sweet freshness of the evening begins to fall. A sensual elixir marked with white and beige hues, a pure representation of contemporary sensuality. The perfume evolves through the monochromatic style of Rothko where materials are dancing in circle one after another one. The leather is stripped down, dusted of any impurities, made it white and pure. The green notes embrace passionately while musk and bergamot push to the skies of Italy.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Mandarine, Bergamotte, Ananas
Herznote: Rosa Pfeffer, Wildleder, Sandelholz
Basisnote: Leder, Vanille, Birke, Moschus
Crème de Cuir, die Ledercreme oder vielmehr das Creme-Leder. Vom „Indian Summer“ Sommer ist die Rede, wenn die ganz heißen Tage verflogen sind und die süße Frische des Abends aufsteigt. Strahlend blauer Himmel, Herbstlaub in strahlenden Farben, Trockenheit und ungewöhnliche Wärme charakterisieren jenes nordamerikanische Phänomen, das sich hervorragend für (Hobby)Fotografien eignet.
Benedek spricht, nein eigentlich verspricht er uns hier ein „Elixier“, das die olfaktorische Repräsentation von zeitgemäßer Sinnlichkeit sein soll – und springt vom indischen Sommer hin zu Rothko. Rothko, Mark, Maler. Zuzurechnen ist Rothko dem abstrakten Expressionismus, der in zwei Richtungen tendierte – Stichwort: Action Painting, de Kooning und Pollock, sowie jene ruhigen Bilder, die kontemplativen, die von ihrer Farbigkeit, von subtilen Farbverläufen leben. Stichwort hier – Farbfeldmalerei. Einer der ersten Vertreter derselben ist Rothko – und selbst wenn Euch der Name nichts sagt, werdet Ihr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Werke schon einmal gesehen haben.
Ok, Rothko, Farben, Farbverläufe, Farbfelder, harmonisch – das kann ich mir recht gut vorstellen in Bezug auf die Farbigkeit, die man für Crème de Cuir gewählt hat. Was mich darüber hinaus mehr als lockt ist die Ananas in der Kopfnote. Ein Ananas-Leder. Überhaupt – ein Fruchtleder, ein Lederchen mit Früchten, gelben Früchten, gar Tropenfrüchten. Das gibt es so verdammt wenig, wie ich schon mehrfach hier erwähnt hatte. Der Klassiker – VIP Room, leider discontinued. Mata Hari auf Hawaii, wie ich ihn immer liebevoll nannte, die karibikurlaubende Domina. Wildleder-Creme-Ananas, er war soo lecker. Und ist vergriffen. Was danach kam? Nicht viel. Bei David Jourquin fand sich Jahre später ein absolut kaufenswertes Leder dieser Art – Cuir Caraïbes, ein Mango-Lederkerl, ein überaus prächtiger. Ich weiß, dass ich noch ein, zwei andere Düfte kannte, kenne, die in diese Richtung weisen, habe aber ehrlicherweise gerade nicht herausgefunden, welche … Mein Gedächtnis ist ein Sieb dieser Tage, mea culpa, ich reiche sonst gerne nach.
Unabhängig davon – viele sind es nicht, die (Tropen)Fruchtleder in Gelb, insofern scharre ich schon etwas mit den Hufen, bis Crème de Cuir auf der Haut gelandet ist …
Sinn, Sinnlichkeit, Indian Summer und Rothko, mir doch egal, alle Sinne sind eh nicht mehr beisammen, denn Crème de Cuir ist für mich ein langersehnter und würdiger „Nachfolger“ von meinem geliebten VIP Room. In Anführungszeichen, der Nachfolger, weil es sich mitnichten um denselben Duft handelt oder eine Kopie, aber er bringt ziemlich exakt die gleichen Saiten in mir zum Schwingen. Ein edles, sattes, streichelzartes, sandfarbenes Wildleder, von mir aus auch cremefarben. Ein helles Braun mit Tendenz ins Beige beziehungsweise ins (rosé?)goldene, strahlend auf eine Weise und gleichermaßen warm, balsamisch, umhüllend, sinnlich, erotisch. Dazu, als Kontrast – Obst. Ein paar spritzige, saftige Hesperidenfrüchtchen, Mandarine für die Fruchtsüße und unsere herrlich reife, ebenfalls süße Ananas. Insgesamt haben wir es weniger mit einem Stillleben zu tun, das Obst auf Leder platziert, vielleicht einem netten Hermès-Lederschälchen 😉 Die Zutaten verschmelzen hier zu einem deliziösen Ganzen, samtig-seidig-süß, lebensfroh, sonnig und verführerisch, ganz genauso wie sie es auch bei meinem geliebten VIP Room taten. Wer diesen liebte – zuschlagen. Und alle anderen, die schon die Ohren gespitzt haben – ein Test lohnt, absolut! Allerdings eher für die weiblichen Vertreterinnen, ich kann mir Crème de Cuir nur an sehr wenigen Männern vorstellen.
Eine wie keine – Tubéreuse Impériale
„Nonchalant, she walks with regular strides. Her headpiece and the swing of her hips are well rehearsed. She doesn’t want to seem to pretty in her white headdress. Sovereign, she faints ignorance while passer-by’s stares cover the light coloured turban that unfolds in a corolla. Her frail silhouette sways proudly under the weight of this crown of sunshine: the envy of all flowers.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Rosa Pfeffer, Geranium, Pfirsich
Herznote: Tuberose, Jasmin, Ylang-Ylang, Iris
Basisnote: Sandelholz, Vanille, Benzoeharz, Zypresse, Patchouli
Die Beschreibung von Tubéreuse Impériale ist eindeutig zweideutig – eine selbstbewusste Frau, die sich hinsichtlich ihrer sinnlichen Ausstrahlung sehr wohl im Klaren ist. Eine, die es nicht nötig hat, sich über die Maßen herauszuputzen, weil sie auch so auffällt, eine Erscheinung ist. Die Rede könnte sein von einer unbekannten Schönen, man könnte andererseits aber gleich jene unbekannte Schöne gleichsetzen mit der Blüte, der die Bühne gehört – der Tuberose.
Regelmäßige Leser/innen werden es wissen, werden sie schon zigfach hier gelesen haben, meine Geschichte von meiner eigenen, persönlichen Abneigung bezüglich Blumen in Düften, die durch die Tuberose gebrochen wurde, genauer gesagt durch eine Anmerkung von Serge Lutens über die Tuberose, die ihn immer an die schwindsüchtigen Schönen in Baudelaires Fleurs du Mal erinnern würde – mein Missing Link, danach war es um mich geschehen. Und es haben nicht nur unzählige Tuberosen, sondern auch etliche andere Blumenschönheiten Einzug gehalten in mein Parfumregal. Brauche ich noch welche? Brauchen? Nein. Haben wollen? Immer wieder gerne 😉 Vielleicht ist ja auch Tubéreuse Impériale unumgänglich? Wir werden sehen oder besser schnuppern …
Ok, für Tuberosenzögerer ist Tubéreuse Impériale nichts, das kann ich gleich vorwegschicken. Es gibt sie ja, diese verhältnismäßig leiseren Vertreter, obschon es selbstredend nicht viele sind – die türkische Brand Nishane hat eine solche im Sortiment, Guerlains Joyeuse Tubéreuse gehört auch dazu, um nur zwei zu nennen. Ich persönlich empfinde auch Piguets Fracas, den Tuberosenklassiker, als sehr sehr tragbar – ansonsten kann man auf deren kleine Schwester, auf Petit Fracas, die jugendlich-französische Birnentuberose, ausweichen. Am anderen Ende der Fahnenstange finden sich dann beispielsweise Frédéric Malles Carnal Flower (Love!) oder Tubéreuse Criminelle von Serge Lutens (LOVE!) – und viele, viele andere Schönheiten dazwischen.
Tubéreuse Impériale herrscht und beherrscht, wie der Name schon sagt – sie macht keine Gefangenen. Viel Tuberosencremigkeit, überhaupt viel Weißblüher, man hat ihr nämlich noch ein paar ebensolche Schwestern im Geiste an die Seite gestellt, sie alle zeichnen das Bild einer überaus opulenten, prächtigen, mächtigen weißen Blüte. Buttrig und narkotisierend, leise indolisch tönend, wobei diese Facetten von fruchtigen, pfirsich-aprikosen-artigen Anklängen ausgeglichen werden. Das sorgt für eine angenehme „obstige“ Frische, darüber hinaus vernehme ich subtile Ledernoten, die Eleganz und subversive Erotik versprühen.
Tubéreuse Impériale ist demnach eine moderne, sinnliche Tuberoseninterpretation, ein zeitgemäßer Solifloraler für Frauen, die mondäne Blumen nicht scheuen.
Fast haben wir es geschafft – was bdk Parfums angeht, fehlen uns nur noch Oud Abramad und Wood Jasmin, die ich morgen für Euch vorstellen werde!
Bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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