Mondsüchtig – Moon Carnival von Vilhelm Parfumerie …

… landete vor nicht allzu langer Zeit auf meinem Schreibtisch – der Name macht neugierig, genauso wie die Marke an und für sich. Geneigte Leser/innen werden es wissen – Vilhelm Parfumerie tummeln sich noch nicht allzu lange auf dem Duftmarkt, haben es mir aber spätestens seitdem ich mich näher mit ihren Kreationen beschäftigt hatte hier im Blog angetan. Eine ganze Reihe derselben habe ich (und nicht nur ich, Harmen und Julia waren auch fleißig) Euch schon hier vorgestellt, meine bisherigen Favoriten, die beide bei mir eingezogen sind, sind Do Not Disturb und Black Citrus. Für diejenigen, denen die Marke noch fremd ist, vorab ein paar Zeilen dazu.

Der neue Duftstern aus dem Big Apple – Vilhelm Parfumerie

Namenspate für Vilhelm Parfumerie war der Großvater des Gründers Jan Ahlgren, eine, wie Ahlgren schwärmt, elegante und charismatische Erscheinung. Er inspirierte Jans Begeisterung für klassische Ästhetik und den Glanz des frühen 20. Jahrhunderts. Bei Vilhelm finden sich in moderner Ästhetik und Duftsprache immer auch Andeutungen der Vergangenheit, ein Fingerzeig in Richtung Historie.

Ahlgren selbst ist Sohn einer Amerikanerin und eines Schwedens und in Schweden geboren, dass er zuerst zugunsten eines Lebens in Paris verließ, wo er damit begann, für die Modeindustrie zu arbeiten. Ein Nomadendasein folgte, das ihn schlussendlich nach New York führte, wo er sich in seine jetzige Ehefrau und Teilhaberin Marie Rollings Silverman, genannt Polly, als auch in den Big Apple verliebte, der jetzt seine Wahlheimat ist. Während er in New York Handtaschen entwarf, begegnete er dem talentierten Jérôme Epinette und ließ sich von der alten Praxis der Handschuhmacher inspirieren, die das Leder parfümierten – er beauftragte Jérôme mit einem solchen Duft. Nach dieser glücklichen ersten Zusammenarbeit konnte Jan an nichts anderes mehr denken. Er war geradezu gefesselt von der Macht des Dufts, Gefühle hervorzurufen, einzufangen und zu übermitteln. Indem er seine Liebe zum Design mit seiner immer stärker werdenden Leidenschaft für Düfte verband, war Vilhelm Parfumerie geboren.

Neugierige können hier in diversen Interviews stöbern:

Mittlerweile haben Vilhelm Parfumerie über zwanzig Düfte lanciert – eine ganze Menge. Und ich muss gestehen, dass ich einige davon noch nicht getestet habe – Grund genug, das zu ändern, den Anfang macht heute Moon Carnival, der einer meiner Lieblingsblumen huldigt, der … Tuberose 🙂 

Der Duft einer einzigartigen Liebe – Moon Carnival

„In a parallel universe, there was a business man from Rio. He was madly in love with a gorgeous dancer whose golden skin held the scent of passion. When at last they united, he longed to show the whole world his love. His dancer adored the tuberose more than any other flower. So, the man left Rio and traveled the world over, collecting every tuberose and decorating the moon with them. For seven days and seven nights, the moon scattered the enchanting scent of tuberose across the universe. Every year since, when the tuberose blooms, a carnival takes place in Rio to celebrate their love.“

Die Ingredienzen:
Kopfnote: Passionsfrucht (Maracuja), Bergamotte, Freesie
Herznote: Tuberose, Gardenie, Orchidee
Basisnote: Vetiver, Tonkabohne, Eibisch

Ein Mann, der so wahnsinnig verliebt ist, dass er den Mond mit Tuberosen dekoriert … Ich liebe Dich bis zum Mond und zurück – und überhäufe den Weg mit Deiner Lieblingsblume, so oder so ähnlich könnte er ihr seine Liebe gestanden haben. Gibt es die Geschichte als solche wirklich, ist sie wirklich Anlass für einen Karneval, eine bestimmte Karnevalsveranstaltung in Rio? Ich konnte auf die Schnelle nichts dazu finden, weiß es jemand?

https://www.pexels.com/photo/silhouette-photo-of-woman-standing-under-clear-blue-sky-1897813/

Eine hübsche Geschichte, Tuberosen streuen könnte bei mir in der Tat auch helfen, denn mittlerweile liebe ich Tuberosen ebenfalls heiß und innig (der Weg zu dieser Liebe war steinig, wie schon oft im Blog erwähnt …). Die Zutaten lassen es schon erahnen – uns erwartet ein exotisch-tropischer Floraler, der sicherlich ordentlich „Wumms“ haben dürfte dank des ausgeprägt (weiß!)floralen Herzens … Bevor ich weiter mutmaße, darf der Duft auf die Haut …

https://pixabay.com/de/photos/maracuja-passionsfrucht-obst-3519303/

Als allererstes zeigt sich mir eine herrliche Passionsfruchtnote – Maracuja in Düften ist nicht soo häufig, leider, hier ist sie außerordentlich präsent und bleibt das auch im weiteren Duftverlauf, und zwar als genialer Gegenpart zu den Weißblühern. Reif, saftig, vollmundig lässt sich unsere Maracuja von den doch recht selbstbewussten Blümelein nicht die olfaktorische Butter vom Brot nehmen, sondern behauptet sich daneben, zeigt sich in überaus interessantem Zwiegespräch mit der Tuberose. Deren Ankunft wird vorab eingeleitet von wässrigen, zart-floralen Freesiennoten sowie sanfter, kleinblütig-nektarsüßer und bisweilen an Ylang erinnernder Gardenie (ist vielleicht wirklich die Tahiti-Gardenie gemeint, das wäre Ylang). Unsere Tuberose hier benimmt sich zivilisiert, weswegen Moon Carnival auch Tuberosenzögerern oder -„anfängern“ ans Herz gelegt werden kann: sie ist keine Männerfresserin, tönt nicht indolisch und offenbart auch sonst keine, für die eine oder andere schwer verdaulichen Anklänge. Vielmehr haben wir es mit einer zarten, lieblichen, anmutigen und zurückhaltenden Vertreterin ihrer Gattung zu tun, die zudem von Orchidee und Tonkabohne vanillig-pudrig und sacht-süß und verhalten gourmandig untermalt wird.

https://www.pexels.com/photo/beach-bikini-blur-close-up-428543/

Moon Carnival reiht sich demgemäß ein in die relativ überschaubare Reihe tropisch-floraler Düfte mit Gourmandanklängen. Und ist, in Anbetracht dieser Kategorisierung, ein angenehm ausbalancierter Geselle, der niemals zuviel wird und Welten entfernt ist von den „Bomben“ seiner Zunft. Mich erinnert er ein wenig an Keiko Mecheris Isles Lointaines, der sich als einer der wenigen Düfte dieser Richtung in meinem Besitz befindet – eben weil er gleichfalls nicht in die floral-gourmandigen Vollen geht.

Eigentlich ist Moon Carnival ein Sommerduft … Dennoch bin ich mir sicher, dass, bei all der Freude, die mir meine Herbst-/Winter-Kandidaten in nächster Zeit erneut bescheren werden, ich in ein paar Wochen, Monaten, wenn es mal knackig kalt ist, alsbald wieder den Frühling und den Sommer herbeisehne – und da kann einen dieser wundervoll pastellfarbig-fruchtige Duft hervorragend über den Winter retten, das ist sicher 🙂

Viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

Neueste Kommentare

Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert