Heute schon sentimental gewesen? Byredos Slow Dance …

… ist Thema nach meinem (Kurz)Urlaub, den ich zu Hause verbracht habe mit – werkeln. Stichsäge, Bohrhammer, Winkelschleifer und Co. waren im Einsatz, darüber hinaus Gartenhake und Konsorten, und weil der Schreibtisch einige Zeit unbeachtet blieb, ist er jetzt wieder voll, zum Überquellen voll. Proben sind selbstredend eine ganze Menge eingetroffen, weswegen ich blindlings hineingreife und mir den Duft herausfische, dessen Namen mich spontan am meisten interessiert. Wobei, ich gestehe – die Marke schätze ich sehr, insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich neugierig bin auf den Neuling, der uns heute beschäftigt: Vorhang auf für Slow Dance!

Teenage Kicks – Slow Dance

„The slow dance: A rites-of-passage moment for both girls and boys before they metamorphose into women and men. A feeling of exhilaration tempered by awkwardness, a heady collision of innocence and experience, not knowing and knowing, felt across countries, cultures and time. Slow Dance mixes ideas of the feminine and masculine, bitter and sweet, in a rich, intoxicating distillation redolent of warm skin and breathless exchange. Here (high school) clichés mingle and become something more; at once familiar and iconoclastic, the ancient perfumer’s arsenal is made modern and anew.“

Kopfnote: Opoponax
Herznote: Geranium, Labdanum (Zistrose), Veilchen
Basisnote: Vanille, Patchouli

Slow Dance – das triggert, und zwar umgehend. Ich denke sofort an einen meiner All-Time-Favoriten, einen uralten Punkrock-Song, dessen Titel sich der britische BBC-Kult-Radiomoderator und -DJ John Peel auf seinen Grabstein meißeln ließ – Teenage Kicks von den Undertones:

Diese Wehmut. Nein, ich möchte nicht noch einmal fünfzehn sein, auch nicht dreizehn Jahre alt, aber vielleicht nochmal … zwanzig? Mit dem Wissen von heute? Eigentlich auch nicht. Aber, ABER – dieses Gefühl hätte ich gerne nochmal, „the world is your oyster“, um es mit Shakespeare zu sagen. Die Welt zu Füßen, alle Türen offen, unendlich viel Energie und Dynamik und vor allem auch Zeit für die ganzen Möglichkeiten, die es in Wirklichkeiten zu überführen gilt … Ein Träumchen. Heute schaufelt man sich mühsam mal frei, um dann in dem bisschen Freizeit von „Rücken“ geplagt zu werden oder ähnlichen altersbedingten Wehwechen. Das hätte mir mal einer sagen müssen, dass das schon ab dreißig quasi bergab geht 😉

Davon war vor allem in den „echten“ Teenagerjahren, mit dreizehn, vierzehn, fünfzehn noch keine Spur – Kunststück, da war ja auch jeder über dreißig scheintot, mehr oder weniger 😉 Könnt Ihr Euch auch erinnern? Mir fällt zum Stichwort „Slow Dance“ selbstredend noch mehr ein, weswegen ich an dieser Stelle doch glatt ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern „muss“ …

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Schullandheim, Skifahren, so meine ich. Wie alt ich war? Keine Ahnung, so um die zwölf vielleicht, dreizehn? Älter in jedem Fall nicht. Als eine der wenigen war ich noch nie in meinem Leben auf Brettern gestanden, während die überwiegende Mehrheit, fast alle, sich als von Kindesbeinen an geübte Skifahrer präsentierten. Big Foots fuhren auch so einige, ich habe keine Ahnung, ob es dieses Mittelding aus Ski und Snowboard noch gibt beziehungsweise mit was man heute so über die Piste kachelt. Abgesehen davon, dass sich meine gänzlich fehlende Erfahrung in der Praxis als gar nicht mal so übel erwies, hatten wir paar Hansel doch, Achtung: Klischee, einen überaus attraktiven Skilehrer, konnte man diese bei den folgenden Ausflügen in der Gruppe nur durch Heldenmut, Kühn- oder besser Dummheit wettmachen. Wer nicht wedeln kann, kommt auch im Schuss den Berg hinunter, dachte ich mir – und überraschenderweise hat das auch funktioniert. Ähnlich wie bei Betrunkenen, denen man nachsagt, dass sie „Dusel“ im Sinne von Deppenpech haben und sich trotz dämlicher Aktionen nicht verletzen, ging die Rechnung bei mir ebenfalls auf. Ich war so flott wie der Rest unterwegs, lediglich weit weniger adrett anzusehen stiltechnisch (welcher Stil …). Und mehrfach heil unten am Fuß des Bergs vorzufinden. Für Lehrkräfte sind Schullandheime vermutlich Schwerstarbeit, je nach dem, wie man zu seinem Job und seinen Zöglingen, den anvertrauten, steht. Ein genaues Auge hatten sie damals auf uns, obschon wir damals mehr oder weniger noch ziemlich artig waren – aber man weiß ja nie …

Ich erinnere mich noch gut an den einen Abend, als die Lehrer für uns tatsächlich eine Art „Disco“ veranstalteten und, oh Wunder, auch ein paar Stehblues-Songs spielten. Unser Klassenclown, der zu dieser Zeit ein furchtbarer und enorm grobmotorischer Trampel (in jeglicher Hinsicht, nebenbei bemerkt) war, hatte ein Auge auf meine beste Freundin geworfen, der er deshalb umgehend seine nicht wirklich charmante Aufwartung angedeihen ließ. Ihre Reaktion: Flucht nach hinten, und zwar auf direktem Weg in die Damentoilette. Hinter der verriegelten Tür verschanzte sie sich für die nächste Zeit wohlweislich und wissend. Und wer durfte es ausbaden? Ich. Wutentbrannt und enttäuscht stand er, der heute ein smarter Doktortitel-Träger mit Hang zur Casanova-Attitüde ist, vor der hölzernen Wand, die ihn von seiner Angebeteten trennte, und schnappte sich das erstbeste Opfer zum Engtanz, mich … Ich hatte es schon verdrängt, diese nicht besonders angenehme, schwitzig-stickige Erinnerung.

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Dirty Dancing 😉 … und nein, ich war nie in der Tanzschule. Und habe mich dem Film bis heute verweigert, auch wenn mich jetzt manch einer steinigt 😉

Eine viel nettere Reminiszenz: Engtanz zu Led Zeppelins Stairway to Heaven, ganz spontan, mit meiner ersten großen Liebe in einem vollen Irish Pub. Und dabei – der erste Kuss.

In Stuttgart, wo ich einen Großteil meines Lebens verbracht habe bis vor ungefähr einem Jahr, wie regelmäßige Leser wissen, gab (gibt?) es um Weihnachten herum immer eine „Engtanzparty“ für Eingeweihte – wechselnde (In-)Locations, jede Menge jahreswenden- und feiertagssentimentale Hipster und Stylos sowie ordentlich alte Mucke auf die Ohren. Abgesehen davon, dass die Parties immer richtig gut waren, wurde dort tatsächlich Stehblues getanzt.

Und Ihr, meine Lieben? Wie sieht es aus, kramt mal in Eurem gedanklichen Fundus, was fällt Euch zum Thema Slow Dance, Stehblues, Engtanz ein?

Byredos Duftbeschreibung kündigt an, so zumindest mein Eindruck, dass wir es bei Slow Dance mit einer gekonnten Mischung aus Altbekanntem, vielleicht Bewährtem, und Neuem, Fremdem zu tun haben – das lese ich hinein und heraus, und wer das Blog häufiger konsultiert, hat mich schon mindestens einmal schreiben sehen, dass das das Geheimnis vieler Parfumklassiker und -ikonen ist. Ob es hier ebenfalls als Rezept für den großen Wurf taugen kann? Wir werden sehen, ab mit dem Stehblues auf die Haut …

Könnte sein, meine Lieben, könnte sein! In der Tat ist Slow Dance spannend, viel spannender, als es die Ingredienzen vielleicht glauben lassen. Geübte Parfumistas werfen einen Blick auf die Zutaten und denken – nichts Neues unter der Sonne. Stimmt. Man weiß, dass diese gut harmonieren, dass Vanille und Patschuli und Harze eine gute Mischung ergeben. Alte Freunde eben. Und doch …

Slow Dance schlägt sich auf die Seite jener Harzdüfte, die viele von uns, von Euch lieben. Reduzierte Orientalen, jene welche, die sich eben überwiegend, ohne großes Gewürz- oder Blumentamtam auf Harze und ein paar Gourmandnoten fokussieren. Die deshalb modern(er) wirken. Er pudert auf eine trockene, gourmandangehauchte Weise, Labdanum und Vanille(creme), zart-rauchig und von einem vollmundig balsamischen Charakter. Warm und würzig zeigt er sich, mitunter tönt es zimtig-süß, eine wahre und wohlige Wonne auf der Haut. Veilchen stiftet erdige Anklänge und subtile Anmutungen von Leder, wobei ich es in diesem Fall nicht eindeutig in Glatt- oder Wildleder differenzieren kann. Und während ich noch so überlege, sinnierend mit meiner Nase am Handgelenk hänge, entpuppt sich Slow Dance als Chamäleon, erwischt mich mit seinem Kurswechsel, vielmehr seinen anderen, auf meiner Haut alsbald gleichberechtigt neben seiner Orientalenseite stehenden Facetten. Grün-aromatisch offenbart er ein verhalten frisches Naturell, das an Neuanfänge oder überhaupt an Anfänge erinnert, wenn ein wenig Poesie am Rande erlaubt ist. Eine kräuterig-grüne, authentisch wirkende Frische, die matt-minzig wirkt und bisweilen ähnlich ätherisch wie frischer Anis – ein herrlicher Gegenpol.

Kenne ich in der Form nicht – als entfernte Verweise oder Verwandte fallen mir höchstens noch Atelier Colognes Vanille Insensée ein oder Annick Goutals Ninfeo Mio.

Spannend – und, überflüssig zu erwähnen, für beide Geschlechter geeignet. Ich werde ihn mir noch näher „ansehen“, könnte in der Tat eine nette Bereicherung für meine Privatkollektion sein …

Einen schönen Abend Ihr Lieben und bis morgen,

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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