… das kann ich mir unmöglich entgehen lassen. Und stelle dabei fest, dass ich mich schon lange nicht mehr mit dem Altmeister beschäftigt habe. Seine Klassiker liebe ich nach wie vor, ich sage nur Chergui, Borneo 1834, Arabie, Tubéreuse Criminelle und Fumerie Turque, die es mir vor allen anderen angetan haben. In den letzten Jahren war leider wenig(er) für mich dabei – wie sieht es bei Euch aus? Welche Düfte von Serge Lutens bevölkern Euer Duftregal?
Das Spiel mit dem Feuer – La couche du diable
„Wer den Teufel heraufbeschwören möchte, muss nun nicht mehr durch die Hölle gehen. Wer ihn sucht, findet ihn auch auf Erden. Loderndes Feuer ist nicht mehr nach meinem Geschmack. Ich ziehe die Glut der Flamme vor, bis meine Reue wieder eins wird mit der Nacht.“ – Serge Lutens
Wie findet eine unschuldige Seele den Weg zum Hexensabbat? Der ebenso teuflische wie prachtvolle Wohlgeruch von Oudholz und Zistrose bildet hier die Basis erster Gewissensbisse.
Die Ingredienzen: Adlerholz (Oud), Labdanum (Zistrose), Mandarine, Orange, Zimt, Rose, Safran, Moschus, Ambra, Hölzer
La couche du diable – da lässt mich mein Restfranzösisch abgesehen vom Teufel schmählich im Stich. Das Wörterbuch fördert für „la couche“ zuerst „Schicht“, „Anstrich“, ergo Farbschicht zutage – das kann es nicht sein, denke ich, lese weiter … „Lager, Bettstatt, Bettstelle“ findet sich darüber hinaus – schon eher. Der Teufel geht also hier zur Ruhe. Und vielleicht ist es tatsächlich ein Wortspiel – der Teufel, der sich in der Glut findet, irgendwo im Detail, auf den zweiten Blick?
Ansonsten ist Monsieur Lutens vermutlich gereift um nicht zu sagen – älter geworden, wie wir alle. Es muss nicht mehr das wilde, unbezwingbar-unzähmbare Lodern sein, sondern es darf etwas ruhiger, aber nicht weniger temperamentvoll zugehen – die Glut, die oft heißer ist, als man denkt, und sie währt länger als das Feuer … Was ihn wohl generell inspiriert hat? Mal wieder Faust gelesen? Bei den Schwarzromantikern gewildert? Orakelanwandlungen hinsichtlich der gesellschaftlichen und/oder politischen Situation im Allgemeinen? Eine gute Frage, Lutens tat sich ja bisher meines Erachtens immer als überaus gebilderter Zeitgenosse hervor, wenn er überhaupt etwas von sich preisgibt.
Und wer oder was ist für ihn der Teufel? Ist es religiös zu betrachten? Sieht er den Teufel als (generelle) Verkörperung des Bösen? Oder vielleicht als … Versuchung? Als Freiheitskonzept? Da gehen die Betrachtungen komplett auseinander, die Glaubensrichtungen ebenfalls. Hexensabbat in jedem Fall erinnert mich nicht nur an diverse gute und noch viel mehr schlechte Horrorfilme, die ich in meinem Leben bisher gesehen habe, und selbstredend an den Faust. Darüber hinaus an quälende Wanderungen (ich wandere nicht besonders gerne …) in Kindertagen im Harz, bei denen auch der Brocken nicht fehlen durfte, auch Blocksberg genannt (yep, eine weitere Hexe, die einem umgehend einfällt, Bibi).
… und selbstredend muss ich darüber hinaus auch noch an sämtliche Teufelsdarstellungen in Literatur und Kunst denken, wobei mich wirklich brennend interessieren würde, ob und wenn ja, welche Lutens hier im Kopf hatte. In dem Zusammenhang fällt mir ein Zitat von Friedrich Schlegel ein, das ich Euch herausgesucht habe aus den Athenäumsfragmenten: „Der Satan der italienischen und englischen Dichter mag poetischer sein; aber der deutsche Satan ist satanischer; und insofern könnte man sagen, der Satan sei eine deutsche Erfindung.“ Wohl wahr 😉
Hexe, Teufel oder Satan und welcher Nationalität, Lodern, Glut oder offenes Feuer? Ab ins Duftfeuer mit La couche du diable, würde ich sagen.
Lodernde Glut, meine Lieben. Ein eleganter Oudduft, man merkt es sofort. Eindringlich, charakteristisch und charakterstark fächert er sich umgehend vor meiner Nase auf, lässt einen unmittelbar teilhaben an seiner Komplexität, die man, die ich von den guten alten Lutens-Düften gewöhnt bin. Die Farbe im Hintergrund des Visuals zum Duft, überhaupt der Hintergrund ist perfekt gewählt – brodelnd, aber auf subtile Weise, irgendwo zwischen rot, braun und schwarz changierend. Leuchtend, aber nicht funkelnd, sondern gleichmäßig sich verändernd, kein Hektiker. Das Oud ist rauchig, holzig, balsamisch, pudrig-samtig und von einer überaus anziehenden Süße, wofür vor allem Labdanum sowie ferner Ambra und die Hölzlein verantwortlich sind.
La couche du diable entpuppt sich hier nach längerem Tragen als eierlegende Oud-Wollmilchsau: Er ist weniger kantig und weniger rau als viele Montales, Manceras, zum Teil auch Micallefs, markant, aber dennoch tragbar auch für europäisches Klientel und/oder Oudzögerer (was man nicht von allen Ouddüften behaupten kann – meine Lieblinge von Xerjoff beispielsweise sind da größtenteils raus) und ist auf eine Weise ein typischer Lutens. Und – er hat von allem etwas. Unverkennbar ein Oud-Duft hat er genügend Holz vor der Hüten, aber dennoch samtig-sanfte Rosennoten, die ihn dennoch nicht zu einem 0815-Rosen-Oud-Duft werden lassen (davon gibt es bereits eine Menge und auch viele gute). Safran akzentuiert und würzt, aber nicht über die Maßen – ebenfalls positiv zu bewerten, es gibt nämlich auch hier schon einige Kandidaten in Verbindung mit Oud. Zimt sorgt sowohl für eine interessante, fast schon pfeffrige Schärfe als auch für (verhalten orientalische) Gourmandanklänge, übertreibt letzteres aber nicht, was den Duft alles in allem sowohl für Frauen als auch für Männer tragbar macht. Und die Hesperidenfrüchtchen balancieren hervorragend aus, spenden eine gewisse Hintergrundfruchtfrische, strahlen an.
Daumen nach oben, ein gelungener Duft. Das Rad nicht komplett neu erfunden, aber das muss auch nicht immer sein. Und vor allem – gewohnt überdurchschnittlich gute Qualität abgeliefert, was, ich muss es leider sagen, für mich persönlich nicht mehr bei allen der letzten Düfte von Serge Lutens der Fall war. Der nahende Herbst ist das passende Einsatzgebiet für den Duft, probieren, meine Lieben!
Ein schönes Wochenende und viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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