… nachdem die Marke vor nicht allzu langer Zeit ihren Einstand bei uns im Sortiment hatte. Im Blog haben wir uns 19-69, 2017 von Johan Bergelin lanciert, erstmals letzte Woche angesehen – hier der Auftaktartikel inklusive Markenvorstellung sowie Rezension zu Purple Haze. Acht Düfte umfasst die Kollektion bisher, das heißt wir haben noch einige Schätzchen vor uns, die es sich unter die Nase zu klemmen lohnt – heute sehen wir uns Capri und Rainbow Bar an.
Von Filmklassikern, Diven und architektonischen Schätzen – Capri
„Inspiriert von der Szenerie der Villa Malaparte und dem legendären Film „Die Verachtung“ (1963), der auf der Insel Capri gedreht wurde. Der Duft ist ausgefallen, frisch, leicht und dennoch beruhigend. Die Duftnoten umfassen süße Orange und Bitterorange, Ylang-Ylang-Extrakt und weißen Moschus.
Johan Bergelin: „Ich war schon immer fasziniert von legendären und richtungsweisenden Filmen. Der Film ‚Die Verachtung‘ von 1963 mit Brigitte Bardot und Jack Palance hat sowohl Kultcharakter als auch Stil. Er enthält ein Farbschema von Rot (Toleranz, Liebe), Blau (Kälte) und Weiß (neutral), das sich auf die Landesflaggen von Frankreich und den USA bezieht und die Erzählelemente widerspiegelt.“
Die Duftreise von Capri: Blühende Orangenbäume an der Villa Malaparte
Die Villa Malaparte ist von einem wunderschönen Gelände mit Olivenhainen und Bäumen umgeben. Die Sonne scheint aus einem klaren, blauen Himmel. Ich kann das Meer unter mir hören, ich spüre die Nachmittagsbrise, wie sie meine Haut berührt. Ich atme die Aromen der blühenden Orangenbäume und Mandarinenblätter ein, fühle die warmen Felsen mit meinen Händen. Die Atmosphäre ist gelassen, fast biblisch.Ich sehe ihn durch mein Fernglas einen weißen Leinenanzug tragen, er fährt einen kleinen roten Sportwagen und hält lässig seine Zigarette. Die Bardot trägt ihr blaues Haarband, der Wind weht durch ihre blonde Mähne. In der Ferne entdecke ich Christina, die Yacht. Ich glaube, Onassis ertrug die Hitze nicht. Ich sehe, wie Jackie sich auf dem Sonnendeck räkelt, eine Sonnenbrille und einen Pucci-Kaftan trägt und ihre Freundin betrachtet, wie sie ins kühle Wasser springt. Eine Bedienung kommt mit einem silbernen Tablett heraus und bietet den Damen erfrischende Getränke an. Ich stelle mir das Klingen der Eiswürfel an den Kristallgläsern vor. San Pellegrino mit einer Zitronenscheibe, so wie ich es mag.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Mandel, Bitterorange, Orange, Kamille, Kardamom, Rosa Pfeffer, Szechuanpfeffer, Wacholderbeeren, Mandarine, Mandarinenblätter
Herznote: Galbanum, Jasmin, Osmanthus, Ylang-Ylang
Basisnote: Iris, Ambroxan, Angelika (Engelwurz), Weißer Moschus
Parfümeur: Amélie Bourgeois
Bergelin ist Filmfreund – regelmäßige Leser/innen werden es ahnen, das gibt einen (weiteren) Stein bei mir im Brett 😉 Die Verachtung ist ein Klassiker von Godard, der auf einem Roman von Moravia basiert. Eigentlich passiert nicht viel, eigentlich, vordergründig – dafür viele Brechungen, viel Reflexion, viele Anspielungen. Und eine junge Bardot, die genauso kühl und schön ist wie die Kulisse, vor der sie agiert. Jene Villa Malaparte, auf die Bergelin abhebt, gehörte dem gleichnamigen Schriftsteller Curzio Malaparte (der im übrigen Deutscher war – sein eigentlicher Name ist Kurt Suckert), der sie sich von dem Stararchitekten Adalberto Libera entwerfen ließ – man kann es dort schon aushalten, denke ich 😉 Leider in mittelmäßiger Qualität, aber ansehbar – Ausschnitte aus dem Film mit Villa, et voilà:
Mit Sicherheit ist die Villa eines der berühmtesten Häuser auf Capri, vielleicht auch das berühmteste. War jemand schon einmal dort, kennt es wer (von weitem)? Ich kann in jedem Fall, so meine ich, die Aura, die Atmosphäre nachempfinden, die Bergelin mit seinem Duft Capri darstellen möchte. Ambivalent ist sie, weil gleichermaßen warm als auch kühl, sowohl was die Temperaturen angeht als auch die Stimmung, die Emotionen. Ein Wechselbad, mehr oder weniger, schön und leidenschaftlich als auch mitunter schwer greifbar und unnahbar auf eine Weise. Aber bevor ich noch weiter sinniere … ab mit Capri auf die Haut!
Capri startet als sonniger Hesperide – und erinnert mich hier, so glaube ich (leider kann ich nicht vergleichen mangels Tester oder Originalflakon), an Acqua di Parmas Arancia di Capri, der orangig-mandelige, allerdings eine mandarinengeküsste Variante davon. Sommerliche Hesperidenfrische und -saftigkeit, gewohnt gekonnt und gut mit Noten von Pfeffer kontrastiert. Ein Hauch Sommerwärme wohnt dem Duft inne, aber auch eine seifige Sauberkeit, die immer wieder hinter den Mandarinen hervorblickt – und, wie ich finde, ziemlich gut zu der kühl-mondänen Franzosen-Ästhetik passt, auf die Bergelin anspielen möchte.
Capri ist ein zitrusfrischsauberer Aquat, ohne ein Aquat zu sein – und das auf moderne und vortreffliche Weise. Unisex, na klar, und ziemlich passend für Hitzetage, wie wir sie in letzter Zeit hatten und auch noch haben … Wer beispielsweise die Hesperiden von Atelier Cologne mag, Mandarine Tout Simplement von L’Artisan Parfumeur, die Blu Mediterraneo-Serie von Acqua di Parma oder auch die Zitrusdüfte von The Different Company – der liegt hier garantiert richtig.
Sex, Drugs, Rock ’n‘ Roll und eine legendäre Bar – Rainbow Bar
„Der Duft beschwört die Glamrock-Ära der 1980er Jahre in L. A. herauf und die Szene und den Lebensstil der US-amerikanischen Westküste in den 1960ern und 1970ern. Der Duft besitzt ein warmes Leuchten mit leichteren Elementen. Die Duftnoten umfassen Bergamotte, Bourbon und Vetiver.
Johan Bergelin: „Die berüchtigte Rainbow Bar am Sunset Strip wurde gegründet, als das Wort Rainbow für Frieden und Freiheit stand. In den 1980ern wurde der Ort als Treffpunkt von Rockmusikern bekannt wie Lemmy und wird in Musikvideos von Guns N’ Roses und Motörhead gezeigt. Im Duft Rainbow Bar gibt es auch leichtere Elemente wie die Sonne, den blauen Himmel und das warme Leuchten, das L. A. umgibt. Wie im Liedtext des berühmten Songs von America: ‚Driving on Ventura Highway, the free wind blowing through your hair.‘“
Die Duftreise von Rainbow Bar – der Abhang
Ich bin im exklusiven Sicherheitsbereich des Flughafens Van Nuys und warte auf meinen Auftraggeber V. S. Ich bin aufgeregt, zu Tode gelangweilt und ein bisschen nervös. Das nächste Level – verdammt, hier komme ich. Ich hänge nun seit vier Tagen in diesem Aufenthaltsbereich herum und bekomme stündliche Updates über den Verbleib meines Auftraggebers. Und endlich! Er kommt an, durch die Glastüren sehe ich diese Person die Treppen aus dem kleinen Jet hinuntergehen. Superenge gelbe Shorts, eine viel zu kurze Lederjacke, lange wehende Haare und Stiefel. Eine kleine Tasche über seiner Schulter. Ohne Worte. Der Typ ist eine Legende. Das Erste, was er sagt: „Howdy, Mann. Hast du Coke?“ In meinem Kopf arbeitet es. Fragt er gerade nach Koks? Es ist halb vier Uhr morgens. Wie zum Teufel soll ich zu dieser Zeit etwas Stärkeres als Kaffee bekommen? Ich nehme mein Telefon und blättere durch meine Kontakte nach den Daten von „Dr. Notfall“. Wenn ich diese Spezialbestellung nicht hinbekomme, könnte ich meinen Job verlieren, bevor er überhaupt angefangen hat. V.S. lacht: „Alles gut, Kleiner. Ich meinte Coca-Cola.“Er zieht aus seiner Tasche eine frische Flasche Jack Daniel‘s und macht sie auf. Erleichtert gehe ich aus dem Aufenthaltsbereich und drücke den Knopf des Getränkeautomats. Ich kehre zu V. S. mit einer Dose Cola zurück und sage: „Willst du Eis dazu?“ Er hat inzwischen eine beeindruckende Menge von genau 330 ml genossen, während ich das Getränk holte. „Nein, Kleiner. Aber kannst du mich beim Rainbow rauswerfen?“ Eine Hommage an die 80er, als die Rockszene den Strip in L. A. beherrschte. An alle Groupies, endlose Partys, den Genuss und die schönen Leichen.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Davana, Bergamotte, Zypresse, Hölzer, Kardamom
Herznote: Maritime Noten, Basilikum, Elemiharz, Wermut, Traube, Whisky
Basisnote: Muskatnuss, Vetiver, Gewürznelke, Guajakholz, Zedernholz, Piment
Parfümeur: Dario Volpones
Der Auftraggeber V. S. … wer das wohl sein mochte? Ich hatte es erwähnt, Bergelin war(/ist immer noch?) gefeierter Hair Stylist, das passt ja ziemlich gut bei langhaarigen Rockern, die oftmals doch eitler sind, als man es vielleicht meinen möchte 😉 Ich musste ja zumindest mal im Gedächtnis und dann bei Tante Google kramen – und bin trotzdem nicht weitergekommen. Fällt jemand von Euch ein Glam Rocker mit den Initialien VS ein?
Was die Rainbow Bar angeht, spuckt Google mehr aus, vor allem den Wiki-Eintrag. Kurz zusammengefasst: Die Rainbow Bar ist Restaurant und Bar in einem und am (genauso) legendären Sunset Strip. Vorher war an der Stelle ein Restaurant namens Villa Nova, das Vincente Minelli gehörte, Regisseur und zu der Zeit mit Judy Garland verheiratet. In diesem Restaurant hatten Marilyn Monroe und Joe DiMaggio ihr erstes Date, ein Blind Date. 1972 wurde dann die Rainbow Bar eröffnet, und zwar mit einer Party für Elton John. Sie etablierte sich schnell und avancierte zum Treffpunkt für VIPs und Promis, für Stars, Sternchen und ihre Groupies. Zu den regelmäßigen Gästen damals gehörten unter anderem Alice Cooper, John Lennon, Ringo Starr, Neil Diamond, Johnny Cash und Elvis Presley waren mitunter dort anzutreffen und Lemmy von Motörhead, der wohl so gut wie jeden Abend seiner letzten zwei Lebensjahrzehnte an der hiesigen Theke verbrachte, wenn er in Los Angeles weilte, gerne mal an einem Videospielautomaten daddelnd.
In den Achtzigerjahren veränderte sich die Musikszene und die Rainbow Bar veränderte sich mit: Mötley Crue, Poison und Guns N’Roses gaben sich dort gerne ein Stelldichein und besangen die Bar in diversen ihrer Songs. Anthony Kiedis, seines Zeichens Frontmann der Red Hot Chili Peppers klönte wohl gerne dort in Gesellschaft seines Vaters als auch Bandmitgliedern von Led Zeppelin und Kiss. Da haben wir sie, unsere Metaller und Rocker. Im übrigen gibt es die Rainbow Bar nach wie vor, klick, und seit 2016 gibt es dort jeden Mittwoch Live-Musik, von (noch?) unbekannte(re)n Bands sowie berühmten Musikern, die hin und wieder die Bühne erklimmen und Rockklassiker zum Besten geben.
Liest sich cool. Wenn es mich doch einmal nach Los Angeles verschlägt, muss ich mir das zumindest einmal ansehen. War wer schon mal dort?
Wouhuu! Ich hatte ja etwas von „warmem“ Leuchten oben gelesen und Bergamotte, Vetiver und … vergessen. Die Lokalität, die Rainbow Bar und ihre Geschichte haben mich derart vereinnahmt, dass ich die Duftnoten ehrlicherweise überflog und mit einem Hesperidenfrüchtchen gerechnet hatte, einem leichteren. Natürlich nicht 😉 Hätte ja auch nicht gepasst. Rainbow Bar ist umgehend zu meinem Liebling, dem bisherigen, von 19-69 geworden und ein ernsthafter Kaufkandidat.
Warum? Weil er toll ist. Ok, das hat nicht viel Aussagekraft, also nochmal: er ist innovativ, besonders und hat eine enorme Strahlkraft. Warum innovativ? Weil er ein ordentlich und außerordentlich lecker beschwipster Vetiver-Holzfäller ist. Davana sorgt wie so oft für deftig likörige, hier auch pflaumige Noten, weswegen ich mich an meinen Alltime-Darling Le Dandy von Parfums d’Orsay erinnert fühle. Aber was passt hier noch alles rein in die Rainbow Bar, was passiert hier noch alles! Maritime, dezidiert: nicht aquatische Noten, ergo wässrig-gischtig-ozonig-krautige Anklänge, eine leise Brise, die in der Luft liegt. Hölzer, charakteristisch und markant – Zypresse, ernst, sauber, ein klitzekleines bisschen seifig, was der wundervolle grün-aromatische Kardamom unterstreicht, sowie balsamisch-warm-verführerisches, (tabak)rauchig-harzgeküsstes Guajakholz, erklärtermaßen eines meiner Lieblingshölzer. Vetiver salzt und grast, dass es eine wahre Freude ist – auch hiermit hat man mich sofort als alten Vetiverfan. Bergamotte spielt mit, stiftet herb-zitrische Frische in gewohnt-gekonntem Duett mit unserem Vetivergras. Ein Hauch Schärfe muss sein und kontrastiert vortrefflich – Piment und Muskat sei gedankt.
Testen, meine Lieben, denn Rainbow Bar rockt, er rockt wirklich. Ein traumhafter Duft. Und zwar für beide Geschlechter, aber das habt Ihr Euch sicherlich schon gedacht.
Morgen geht es weiter im schwedischen Dufttext, will sagen mit 19-69 – bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
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