Wenn die Parfumeure Jean-Claude Ellena und Lucien Ferrero auf Roberto Drago, seines Zeichens Gründer des italienischen Kultlabels Laboratorio Olfattivo, aufeinander treffen, lässt das Großes erahnen. Und tatsächlich war die Begegnung zwischen den Dreien fruchtbar: Die Masters’ Collection von Laboratorio Olfattivo mit ihren vier Düften Baliflora, Tuberosis, Tantrico und Vetyverso ist eben jener Zögling dieses schicksalhaften Zusammentreffens der drei Männer, die ihr Leben den Parfums verschrieben haben.
„Ich traf Roberto auf einer Parfumkonferenz, zu der er mich eingeladen hatte. Er lächelte, seine Augen waren ernst und wir hatten eine gemeinsame Leidenschaft: das Parfum. Sein Wissensdurst war so groß, dass er nicht aufhörte Fragen zu stellen. Nicht, dass es mich im Entferntesten gestört hätte, ich war angenehm angetan von diesem Spiel der Worte. Bei der Konferenz übersetzte er meine Rede ins Italienische und fügte meinen Worten seine hinzu und stellte Fragen aus Neugier oder Verwunderung. Dies tat er so gut, dass ich zusätzlich zu seinen Worten Düfte und Gerüche wahrnehmen konnte und ihm später sagte, dass es mir eine Ehre wäre, etwas für seine Marke zu kreieren. Aus dieser Begegnung entstand die Kollektion, die Sie heute entdecken.“ – Jean-Claude Ellena
Die ersten zwei Düfte dieser Kollektion werden wir uns heute zu Gemüte führen, Baliflora und Tuberosis. Zwei Blütendüfte, die laut Ingredienzienliste echte Kracher sein könnten. Der Erste scheint ein balinesischer Südsee-Tropen-Blütentraum zu sein, der Zweite ein gewürziger Tuberosenduft. Beide entspringen der Duftfeder von Jean-Claude Ellena.
Masters’ Collection – Baliflora
Baliflora, unser erster Pröbling von Laboratorio Olfattivo, entführt uns also in die Welt der tropischen Blüten Balis: Frangipani steht im Zentrum des Duftes, umgeben von Mandarine, Orangenblüte, Lilie, Geranium, Lotosblüte, Jasmin und Moschus. Der Name Baliflora vereint dabei die von Touristen beliebte Insel im Indischen Ozean mit der Endung -flora, hinlänglich bekannt aus der Redewendung „Flora und Fauna“ als die Pflanzenwelt. Etwas, das floriert, blüht auf, in der Parfümerie sprechen wir von floralen Noten. Ich gehe also davon aus, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich postuliere, dass mit dieser Flora auf die Blüten Bezug genommen wird.
„Es gibt Orte, deren Duft viel länger im Gedächtnis bleibt als ihre Landschaften. Wenn die roten Spinnenlilien, der Weiße Ingwer und Frangipani die Straßen einhüllen und der Lotos sich auf den kleinsten Wasserspiegeln öffnet, da werden die Landschaften zu Düften.
Unter den Blüten auf Bali haben die Einwohner Frangipani zum Wahrzeichen ihrer Insel gemacht und opfern ihn den Göttern des Hindu-Pantheons. Rund um Zeremonien, Tänze, Opfer, wo sich Düfte und Farben vermischen, bis sie eins werden, scheint es mir, dass der Duft dieser Blüten von der Schönheit und Vielfalt der Insel erzählen.“
Der Duft der Südsee
Wie vermutet zeigt sich Baliflora vom ersten Moment an von seiner intensiven Seite. Florale Noten, kombiniert mit der fruchtig-frischen Spritzigkeit der Mandarine, bestimmen den Auftakt. Lieblich, aber nicht zu süß ist Baliflora. Orangenblüte und Jasmin sorgen für eine helle Cremigkeit, verzichten aber auf narkotisierend-betörende Akzente. Auch die Lilie und Lotosblüte bestechen eher durch leichte, geschmeidige Wassernoten, denn durch übertriebende Sinnlichkeit.
Doch im Zentrum des Duftes steht wie vermutet die Frangipani, deren tropisch-florale Noten dem Duft sein sonniges Gemüt verleihen. Die nach wie vor zu erschnuppernden Hesperiden verhindern, dass Baliflora zu blütenlastig wird, und verleihen dem Duft nachhaltige Frische, ja, sie sorgen beinahe für eine kühle Brise.
Baliflora von Laboratorio Olfattivo ist für definitiv ein Kracher, wenn auch kein Haudrauf wie ich zuerst vermutet hatte. Selbstverständlich haben wir es hier mit einem präsenten Duft zu tun, dessen florale Noten einen gewissen Raum einnehmen. Doch durch die erfrischenden Hesperiden und die gekonnte Auswahl und Umsetzung des Blütenarrangements wird Baliflora zu einem wunderschönen, durchaus alltagstauglichen und fein ausbalancierten Meisterwerk. Einfach grandios!
Masters’ Collection – Tuberosis
Ellena, die Zweite! Tuberosis ist nun also an der Reihe. Der Name lässt es erahnen: Die Tuberose ist hier die Protagonistin, umgarnt von Nelke, Koriander, Gewürze und Moschus. Eine gewürzige Tuberose habe ich bisher noch nicht gerochen, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt. Ich bin also gespannt. Trotz aller Tuberosenskepsis (Ja, ich weiß, ich wiederhole mich), habe ich ja nun hier schon durchaus eine gewisse Reihe an Nachthyazinthendüften rezensieren dürfen. Und war dabei meistens positiv überrascht. Ob man daher überhaupt noch von „Tubersosenskepsis“ sprechen kann, sei jetzt mal dahingestellt. 😉
„An einem angenehmen Herbstabend im goldenen Licht, erfasste mich mit einem Mal die Kälte. Der Winter würde mit der Morgendämmerung kommen.
Ich öffnete die Haustüre und drehte mich um, um ein letztes Mal die Stängel der Tuberosen zu betrachten, das Geschenk eines Sommers, das überlebt hatte, und ich dachte daran, dass ich es am Morgen aufheben könnte, um einige Tage lang betrunken vom Duft zu sein. Seither, wenn das künstliche Licht auf die Nacht antwortet, verbreitet die Tuberose mit ihrer sanften Stimme einen Duft nach Jasmin, Pflaume und Gewürzen. Ein Flüstern wie eine Brise, die nie müde wird.
Und jede Nacht, um Mitternacht, verlöscht ihre Stimme, sodass wir auf denselben Moment am nächsten Tag warten können. Ihr Duft ist wie ihr Leben, vorprogrammiert. Diese Blüte hat etwas von der Figur Scheherazade, die jeden Abend eine Geschichte erzählt, um dem Tod zu entgehen. Sie tat dies so gut, dass ihre Geschichte immer noch am Leben ist und zu einem Parfum wurde.“
Der Duft der Nachthyazinthe
„Oh, toll!“ Das sind meine ersten Worte nach dem Aufsprühen von und Schnuppern an Tuberosis. Überraschend hell ist dieser Nachtblüher, hell und frisch. Das hat Tuberosis eindeutig mit Baliflora gemein: Diese wunderbare erfrischende Note, die dem Duft Leichtigkeit verleiht. Fällt die Tuberose sonst ja gerne mal deutlich grün aus, besitzt sie hier maximal einen grünen Touch. Nein, diese Tuberose ist deutlich weiß.
Doch sind ihre Weißblühernuancen gänzlich unkoventionell, sprich: leicht, transparent, ohne grelle Akzente, ohne jegliche Quietischigkeit, sondern einfach bezaubernd. Die pikanten, leicht pfeffrigen Noten von Koriander und weiteren nicht näher genannten Gewürzen umspielen und unterstreichen den Duft der weißen Protagonistin.
Tuberosis, unser zweiter Kandidat aus der Masters’ Collection von Laboratorio Olfattivo, ist definitv eine Tuberose nach meinem Geschmack. Ebenso elegant und fein ausbalanciert wie Baliflora, zeigt Jean-Claude Ellena hier zum zweiten Mal sein Können. Intensive Weißblüher derart harmonisch, alltagstauglich und wunderschön umzusetzen, so leicht und transparent und trotzdem ihre charakteristischen Noten zu erhalten, das ist wahrlich meisterlich. Ich freue mich schon auf die nächsten zwei Kreationen Tantrico und Vetyverso, die Lucien Ferrero für Laboratorio Olfattivo geschaffen hat und die wir uns nächste Woche vornehmen werden.
Damit verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch noch eine schöne Restwoche!
Liebe Grüße,
Julia
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