… war mir ehrlicherweise kein Begriff, bevor seine kleine Duftkollektion bei uns im Shop eintraf. Das mag schlicht daran liegen, dass ich zwar mode- oder vielmehr designaffin bin und mitunter zeitweise als „Fashionvictim“ durchgehe(n könnte – Ansichtssache ;)), Marc-Antoine Barrois aber nur Kleidung für die Herrenwelt produziert. Aber fangen wir erst einmal von vorne an …
Maison de Couture pour Hommes – Marc Antoine Barrois
Aus Nordfrankreich stammt Marc-Antoine Barrois, und zwar aus einer Familie, die sich in der Textilbranche bereits einen Namen gemacht hatte. Die Mode in die Wiege gelegt bekam er, der schon früh von der Eleganz und dem Stilbewusstsein seines Großvaters fasziniert war, der, wie Barrois bekundet, den Luxus im Einfachen sah. Geradlinige Schnitte mit Finesse, herausragende Schneiderkunst mit dem besonderen Etwas – dafür wurden auch andere berühmt, man denke nur beispielsweise an Jil Sander, an Helmut Lang. Oder, ganz aktuell, an Dior, die sich mit ihrer seit 2016 tätigen Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri erneut auf ihre Wurzeln besinnen, auf französischen Chic ohne Chichi, reduzierte Schnitte, meisterhafte Schnitte, exklusive Materialien.
Marc-Antoine Barrois studierte Textiltechnik, lernte die Kunst der Kleidungsherstellung demnach von der Pike auf, er lernte alles, was man über Muster und Schnitte, Schneiden und Nähen wissen muss. Im Anschluss an sein Studium entwarf er 2006 seine erste eigene Kollektion in Lille. Der Erfolg derselben ließ ihn zum Dominique Sirop Couture-Haus stoßen, hernach kooperierte er mit Jean-Paul Gaultier bei Hermès als auch mit Giambattista Vali und kreierte für Jitrois eine Männerkollektion. Irgendwann zu dieser Zeit reifte in ihm der Entschluss, sich selbstständig zu machen mit einem Angebot, dass es für Frauen schon lange gibt, das allerdings für Männer immer noch Mangelware ist: er eröffnete sein Maison de Couture pour Hommes in Paris, wo er die exklusiven Herzenswünsche seiner (männlichen) Klienten nach individuellen und einzigartigen Anzügen, Smokings, Capes, Mänteln und Jacken stoffgewordene Wirklichkeit werden lässt.
Seine erste Boutique eröffnete Marc-Antoine Barrois 2013 in der Rue de Budapest in der französischen Hauptstadt, wo er neben Maßkleidung auch Accessoires sowie Schmuckkollektionen anbietet – und, für uns wichtig: seit 2016 auch Parfum(s).
Die Düfte des Marc-Antoine Barrois
„Two enigmatic names, fragments of universes belonging to the same galaxy and telling in wakes the inspirations of an artistic encounter between two young creators.“
2015 trafen sie aufeinander, Marc-Antoine Barrois und Quentin Bisch. Es gibt sie, diese Begegnungen, bei denen man sofort weiß, dass man sich versteht, dieselbe Wellenlänge hat. Barrois und Bisch ging es wohl so: ähnliche Kindheitserinnerungen teilen die beiden, darüber hinaus zeigte sich schnell, dass sie dieselben Werte teilen, ihre Überzeugungen und ihr Blick auf das Leben sich gleichen. Darüber hinaus hegen sie dieselbe Liebe für Schönheit, für Ästhetik, für erlesene Stoffe als Ausgangsbasis für kreatives Schaffen. Zeitlose Eleganz scheint ein Schlüsselbegriff zu sein und wegweisend für die Duftkreationen, die die beiden schufen.
Quentin Bisch ist Parfumistas nicht unbekannt – er zählt zu den aufstrebenden Namen in der Riege der Parfumeure. Mit elf Jahren hatte er nach eigenem Bekunden sein parfumistisches Erweckungserlebnis, nachdem er Yves Saint Laurents Opium an einem Lehrer in seiner Schule schnupperte. Zuerst aber nahm er einen Umweg über Musik und Theater: er leitete fünf Jahre lang eine professionelle Theatergruppe und komponierte Musikstücke, merkte allerdings alsbald, dass er nicht das richtige Instrument spielte. Duftphiolen sollten zu seinem Instrument werden, der Wendepunkt in Bischs Leben – er ließ alles zurück und zog nach Grasse, um das Handwerk des Parfumeurs zu erlernen. Dort fiel sein Talent schnell auf, er wurde entdeckt und von Givaudans Parfumschule aufgenommen, von dort aus ging es für ihn weiter nach Paris als Teil des Kreativteams für Fine Fragrances des Aromastoffherstellers.
Zu den Düften, die Bisch bisher schuf, zählen unter anderem Angel Muse und A*Men Ultra Zest für Mugler, Ambre Impérial und Néroli Amara für Van Cleef & Arpels, La Fin Du Monde, Hermann à mes Côtés me Paraissait une Ombre und Attaquer Le Soleil für Etat Libre d’Orange, Carlisle und Delina für Parfums de Marly, Fleur Narcotique, Venenum Kiss und French Affair für Ex Nihilo, Missoni de Missoni, Le Beau, Le Mâle Essence de Parfum und Le Mâle in the Navy für Jean-Paul Gaultier, Maison Margiela Replica Soul of the Forest, Bottega Veneta Parco Palladiano Quercia und Salvia Blue (ersteren unbedingt testen, wenn Ihr mal in einem Bottega-Store seid!), Chloés Nomade, Réminiscence (der Signature), Tapis Volant – Eau de L’Est und Desert Suave für Les Liquides Imaginaires, um nur eine zu nennen. Eine beachtliche Liste, oder?
Für und mit Marc-Antoine Barrois kreierte Quentin Bisch B683 und Ganymede, die wir uns heute und morgen ansehen werden.
Aus einer anderen Welt – B683
B683, der erste Duft von Marc-Antoine Barrois und Quentin Bisch sieht sich inspiriert von einem sehr berühmten französischen Kunstmärchen, das so gut wie jeder von uns kennt – dem Kleinen Prinzen von Antoine Saint-Exupéry, erschienen erstmals 1943 in New York. Menschlichkeit und Freundschaft sind die beiden universellen Botschaften der Geschichte um den Prinzen, dessen Heimat ein winzig kleiner Asteroid ist, den er verlassen hat, um Freunde zu finden. Im übrigen: ein zu der Eos-Familie gehörender Asteroid, der im November 1975 von der sowjetischen Astronomin Smirnowa entdeckt wurde, erhielt zu Ehren von Saint-Exupéry dessen Namen, [2578] Saint-Exupéry.
B683 wäre dann Barrois‘ Asteroid, ist sein imaginärer eigener Planet, wobei sich die Zahlen auf seinen Geburtstag beziehen.
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Schwarzer Pfeffer, Safran, Chiliblätter, Muskatnuss
Herznote: Veilchenblätter, Ambra, Labdanum (Zistrose), Moschus
Basisnote: Patschuli, Sandelholz, Eichenmoos, Ambroxan
Erinnerungen an die Kindheit flossen mit ein in die Schöpfung des Duftes, Leder scheint hier eine prägende Rolle gespielt zu haben – Schreibtischunterlagen aus Leder, auf denen Briefe und Texte entstanden, Aktentaschen, die wichtige Unterlagen enthielten und für Kinder aufgrund ihrer Imposanz noch gewichtiger wirkten. Darüber hinaus Holz, Holz, das Wärme schuf – ganz wörtlich zu nehmen als auch im übertragenen Sinne, bezogen auf die Einrichtung des Zuhauses.
„Ich mag den rauen und dennoch schicken Aspekt des Parfums: ein sehr feiner und wilder Duft.“ – Quentin Bisch
B683 zeigt im Auftakt Noten von Safran, der den für ihn typischen, eigen- wie einzigartigen Duft an den Tag legt – ledrig, würzig, dumpf-fruchtig, herb-bitter-aromatisch als auch von einer subtilen Schärfe, die von dem schwarzem Pfeffer, Muskat und jenen Chiliblättern bekräftigt wird, wobei ich ehrlicherweise letztere nicht dezidiert erkennen kann, sie lösen sich für mich in der Schärfe auf. Es ledert ganz ordentlich, wir haben es hier mit einem sehr kernigen Kerl zu tun. Allerdings nicht die traditionelle (bayrische) Krachlederne, sondern ein Bikerjacket von einer Trendmarke oder besser noch – Belstaff, eine Fliegerjacke von Belstaff. Warum? Weil die einerseits von Hipstern getragen wird, andererseits aber auch von eher klassisch orientierten Männern mit Stilbewusstsein, in der Freizeit eben, beim Vintage-Motorrad fahren, im Oldtimer-Cabrio oder ähnlichem. Veilchenblätter hauchen erdig-pudrige Momente ein, wobei deren Pudrigkeit bisweilen fast samtig wirkt und durch Patschuli zusätzlich an Tiefe gewinnt. Die Basis wird dominiert von den üblichen Verdächtigen – Harze und Hölzer, Wärme, ein ordentliches Quentchen Rauch, das ganz hervorragend zum Leder passt, sowie balsamische Töne und warm-weiches Ambroxan. Darüber hinaus nehme ich eine likörige Note wahr, die irgendwo aus dem Zusammenspiel von Safran, Veilchen und Ambroxan entspringt, wie ich meine, und mich entfernt an Lubins Idole erinnert, das Rumfässchen.
Prinzipiell ist B683 seines Charakters nach auf eine Art und Weise retro – er knüpft an an die Zeiten, in denen Parfums noch Parfums waren, gewaltig, prägnant, ausdrucksstark. Wer die Wuchtbrummen – ausnahmslos positiv gemeint – der Achtzigerjahre mag, wird an B683 seine Freude haben, der eine reduziertere kontemporäre Variante derselben ist, „zurück in die Zukunft“ quasi. Ich denke hier beispielsweise an Diors Fahrenheit – dem einen oder der anderen wird es spätestens an dieser Stelle klar sein: B683 ist zwar eigentlich ein Herrenduft, eigentlich, aber einer, an dem auch manche Frauen Gefallen finden werden (so wie ich ich).
Ich für meinen Teil bin gespannt auf Duft Nummer Zwei morgen, auf Ganymede – und Ihr? Kennt Ihr denn B683 schon? Und – habt Ihr den Kleinen Prinzen gelesen?
Viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
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