… war bereits Thema – und zwar mit Florentina und Dovana, falls Ihr die Rezension verpasst haben solltet, lest hier. Die vormals lange Jahre bei Guerlain tätige Sylvaine Delacourte hat sich mit ihrer eigenen Marke einen Traum erfüllt – und beglückt Parfumistas weltweit mit ihren beiden Kollektionen, gewidmet zwei ikonischen Ingredienzen der (modernen) Parfumeurskunst: La Collection Muscs und La Collection Vanille. Die Düfte rund um die süße Schote schauen wir uns in den nächsten Tagen an, heute komplettieren wir die Moschus-Kollektion mit Smeraldo, Helicriss und Lilylang.
Grün, grün, grün … – Smeraldo
„I created a perfume that is both detoxifying and purifying, like fresh air in the morning. Designed as a shock between two worlds: blending the lively brightness of plants with the softness of musk.“
Die Ingredienzen: Mastixharz, Vetiver, Birne, Rose, Angelika, Zedernholz, Weißdorn, Limette, Yuzu
Nomen est Omen – Smeraldo trägt seinen Namen wegen der Farbe, die Delacourte ihm zuweist, Grün. Ich sehe hier auf den ersten Blick viel Gelb aufgrund der Zitrusfrüchtchen, bin aber durchaus geneigt, mich eines Besseren belehren zu lassen, zumal doch einige Zutaten gelistet sind, die den Duft grün erscheinen lassen können, ich sage nur Mastixharz und Vetiver … Es hilft nichts, Smeraldo muss gleich auf die Haut 😉
„Refreshing, Tonic, Green“ sind die Attribute, die Smeraldo trägt – und auch verkörpert, meine Lieben. Elegant ist das erste Wörtchen, das mir zu dem Duft einfällt, der mich schon im Auftakt überaus positiv überrascht. Geneigte Leser/innen werden es wissen – ich habe es privat nicht so mit Moschus in Düften, genauso wenig wie mit Vanille. Das „stört“ nicht weiter im Hinblick auf Rezensionen, denn ich muss ja nicht jeden Duft selbst tragen oder mir das vorstellen können, um ihn gut, schön etc. zu finden. Nichtsdestoweniger sind sowohl Moschus als auch Vanille Duftthemen, die schon oft beackert wurden. Es gibt schon eine ganze Riege an guten und sehr guten Düften, die sich diesen Ingredienzen widmen, die Messlatte hängt erwartungsgemäß also hoch, sowohl was die Qualität als auch den Innovationscharakter angeht.
Smeraldo ist ein leiser Vertreter seiner Gattung, ein Understatement-Duft, dessen Komplexität man überhören kann, wenn man ihm nicht genügend Aufmerksamkeit widmet und Zeit. Er ist ein Seelenschmeichler, ganz so, wie ich es von einem guten Moschusduft erwarte, seidig-süß, cremig, pudrig auf der Haut, umschmeichelnd, einhüllend, bei Bedarf sicherlich auch „tröstend“, ein Feelgood-Duft. Sein Moschus-Naturell, das wie eine federleichte Sommerkaschmir-Stola wirkt, zeigt sich aber, und das ist durchaus selten, von feinen, grün-gelb schillernden Fäden durchwirkt, um in der Kleidungsterminologie zu bleiben. Ein Quentchen Zitrusfrische und exotisch-fruchtige Saftigkeit hier und da, ein Hauch Birne und ein wenig Blattwerk, eher vielleicht sogar Blätter und Gräser, soeben zwischen den Fingern zerrieben …
Es gibt viel zu entdecken bei Smeraldo. Und als grün-zitrischer Moschus ist er eine Seltenheit, des Weiteren ist er derart fein komponiert, dass meines Erachtens nach Vergleiche mit Ellenas oder Nicolaïs aquarellartig anmutender Schaffenskraft angebracht sind. Von mir ganz klar Daumen nach oben!
Sonnengelbes Strohblumenbouquet – Helicriss
„Helicriss, a hero whose name comes from Helichryse – the botanical name for the immortellle flower. A sophisticated sent full of strength and charisma.“
Die Ingredienzen: Rosmarin, Weihrauch, Immortelle, Bergamotte, Zitrone, Grapefruit, Patschuli, Tonkabohne, Zimt
Helicriss empfindet Delacourte, wenn sie ihm eine Farbe zuordnen müsste, als Grau. Ihre Inspirationsquelle für Helicriss waren Urlaube auf Korsika, genauer – Erinnerungen an die dortige Landschaft, die geprägt ist von der Macchia. Macchia? Hatten wir neulich erst, ganz genau, und zwar mit Rancé 1795, Sharisme Insensé. Für die Nicht-Botaniker unter uns, die es wie ich immer gerne genauer wissen wollen die Wiki-Definition:
„Die Macchie ist eine sekundär entstandene, anthropogene, immergrüne Gebüschformation der mediterranen Hartlaubvegetationszone. Die Pflanzenformation der Macchie ist charakteristisch für Gebiete mit mediterranem Klima. Dieses kommt in einem unterbrochenen Gürtel in entsprechenden Breitengraden rund um die Erde an der regenreicheren Westseite der Kontinente vor. Das gemäßigt-subtropische Klima ist gekennzeichnet durch relativ ergiebige Winterregen, Sommerdürre und Abwesenheit von Nachtfrösten im gesamten Jahr. Sehr niederschlagsarme oder kontinentale Klimaregionen werden gemieden. Der entsprechende Biom der mediterranen Vegetation tritt neben der Mittelmeerregion selbst in vier weiteren Gebieten der Erde ausgedehnt auf (Kalifornien, Mittelchile, Südafrika, Südwestaustralien). In diesen Regionen kommen Gebüschformationen vor, die der Macchie physiognomisch sehr stark ähneln und ökologisch entsprechen, obwohl sie nicht eine einzige Pflanzenart gemeinsam haben (konvergente Evolution). […] Die Macchie ging aus Wäldern hervor, die durch den Menschen und sein Weidevieh übernutzt wurden. Jahrtausende übermäßiger Nutzung durch den Menschen (Abbrennen, Beweidung, Holzentnahme) führten zur Degradation der normalerweise die Landschaft bestimmenden großen hartlaubigen Eichenwälder zu einem dem Niederwald ähnelnden, drei bis fünf Meter hohen Buschwald. Im Mittelmeerraum ist der hochwüchsige und geschlossene Steineichenwald, der früher für die Region kennzeichnend war, auf winzige, meist teilweise degradierte Relikte zusammengeschmolzen. Die natürliche Waldvegetation muss hier aus Relikten und Degenerationsstadien erschlossen werden. Die Macchienvegetation hat die meisten der beteiligten Pflanzenarten vor der Ausrottung bewahrt und kann sich zum Wald regenerieren. Geschlossene Macchien sind durch die dicht stehenden Büsche mit ihren ineinander verflochtenen Ästen und die eingewobenen dorn- oder stachelbewehrten Lianen gekennzeichnet, welche für Menschen und größere Säugetiere nur schwer durchquerbar sind. Die starke Beschattung durch die immergrünen Blätter bewirkt, dass der Unterwuchs nur eine schüttere und artenarme Krautschicht aufweist. Durch intensive Beweidung der Macchie und die damit verbundene Bodenerosion entstehen als weitere Degenerationsstadien artenreiche, niederwüchsige Felsheiden. Diese Vegetationsformen werden unterschiedlich benannt, Garigue in Frankreich, Phrygana in Griechenland, Tomillares in Spanien. Häufig wechseln sich Macchien und Felsheiden ab und gehen ineinander über.“
Und wie wird sie genutzt, die Macchie?
„Das Hauptnutzungstier der Macchie ist die Hausziege, deren Futteranteil zu 60 Prozent oder mehr aus Laub und Astwerk bestehen kann. Weit weniger sind Schafe und Schweine in der Macchie zu Hause. Bei der Weidenutzung wurde und wird die Macchie periodisch abgebrannt, um den Weidetieren den Zugang zu den Weideflächen zu ermöglichen und ihr Futter zu verbessern. Dies ist heute in allen Mittelmeerstaaten verboten, wird aber vielfach weiter praktiziert. Die Macchie kann sich nach Brand in wenigen Jahren regenerieren, wenn weitere degradierende Einflüsse ausbleiben.
Macchienvegetation kann in Teilen des Mittelmeerraums sehr ausgedehnt sein, insbesondere auf den Inseln. So ist mehr als die Hälfte Korsikas von Macchie bedeckt. Die Macchie ist extrem durch Buschbrände gefährdet. Nach einem solchen Schadensfeuer wächst jedoch innerhalb weniger Jahre die gleiche Pflanzengesellschaft wieder heran (ein Beispiel aus der Türkei und aus Sardinien). Wird die Macchie zu oft abgebrannt, kann sie nicht mehr vollständig regenerieren. Durch häufigen Brand gekennzeichnete Macchienvegetation fällt durch das Zurücktreten der sklerophyllen immergrünen Baum- und Straucharten, vor allem zu Gunsten der Zistrosen (Cistus spp.) auf.“
Zistrose – daraus wird Labdanum gewonnen, und zwar unter anderem, in dem man es aus den abgeschnittenen Ziegenhaaren herauslöst, nachdem deren „Besitzer“ vorher die dornigen Büsche durchstreiften.
Aber kommen wir zurück zu Helicriss – den Namen hat der Duft von Helichrysum, der Immortelle oder auch Italienischen Strohblume. Hier zuckt sicherlich der eine oder die andere von Euch, denn Immortelle hat einen sehr eigenen Duft, der ihr auch den Namen Currykraut einbrachte. Trocken-Würzig, „deftig“, an Heu erinnernd und mitunter auch von einer Preise Honig begleitet – das mag man oder man mag es nicht, dazwischen gibt es nicht viel. Zumal sich die Immortelle meistens auch schlecht ignorieren lässt, so eindrucksvoll wie sie sich präsentiert.
Helicriss ist zweifelsohne ein Immortelle-Duft, keine Frage. Allerdings bettet er diese wundervoll ein: Zart zitrisch-frisch angestrahlt offeriert er die kraftvolle Blume umrankt von ebenso prägnantem Rosmarin und gehüllt in balsamisch-harzige Weihrauchschwaden. Patschuli verleiht subtil Körper, während Tonka die sachte Süße des Duftes subtil verstärkt.
Ich persönlich mag Immortelle, weil ich die Einzigartigkeit ihres Duftes schätze, ihre Besonderheit. Dennoch kann ich Düfte mit sehr starken Immortelle-Noten auf meiner Haut auch nicht wirklich ertragen, die „Hardcore“-Varianten fallen deshalb aus. Eine solche ist, mich hat es nicht überrascht, Helicriss aber auch nicht, und das ist perfekt. Wir haben es erneut mit einem sehr feinen, sehr ausgewogen komponierten Duft zu tun, der, und das widerspricht sich normalerweise im Zusammenhang mit Immortelle, Understatement pflegt. Sicherlich – sie ist existent und auch präsent, zeigt all ihre Facetten, tönt aber hintergründig und leise, was den Duft auch für Zögerliche jeden Geschlechts tragbar machen dürfte. Den Charakter jener Macchienlandschaften sehe ich in jedem Fall perfekt eingefangen – und zwar im Sommer unter dem strahlendblauen Himmel, eine leise Brise, die in der Luft liegt … Hach!
Von der Sonne verwöhnt – Lilylang
„Sunny Musk – Sunny – Radiating – Exotic: It reminds me of the holidays on the island La Réunion where I discovered Ylang-Ylang, the perfect sunny flower. I crafted a fragrance that is a sunheated blend of skin and sand. Lilylang has a glowing character which doesn’t hide its more cosy and musky side. If Lilylang were a colour it would be yellow.“
Die Ingredienzen: Tuberose, Jasmin, Moschus, Rosa Pfeffer, Limette, Ylang-Ylang, Mandarine, Bergamotte
Lilylang verwirrt auf den ersten Blick ein wenig – Lily und Ylang, ein Port[e]manteau- oder auch Kofferwort … aber wo ist die Lilie geblieben? Ylang selbst ist nämlich auch keine, die Pflanze gehört zu den Magnolienartigen. Über andere Weißblüher können wir uns allerdings nicht beklagen, mit Tuberose und Jasmin sind schon die zwei Königinnen vertreten. Ihr ahnt es sicher schon – Lilylang ist ein tropisch-florales Sunnygirl, ein femininer Sommerduft, der Urlaubssehnsüchte weckt, weil er uns olfaktorisch in ferne Länder entführt. Ylang assoziieren ohnehin viele mit Sommer, Sonne, Strand und Sand, weil diverse Sonnenschutzmittel nach Ylang oder Tiaré duften. Unsere weißen Blüten in Lilylang geben sich verlockend und verführerisch, opulent blühend und von einer berauschenden, aber nicht übertriebenen Weißblühersüße, die ausgesprochen cremig und verhalten pudrig daherkommt. Ein paar Zitrusfrüchtchen schaffen (er)frische(nde) Akzente, während Moschus watteweich untermalt wie die Hängematte, die man gerne unter sich hätte, am reinweißen Strand direkt am türkisblauen Meer …
Wer sich für Düfte wie Keiko Mecheris Isles Loîntaines begeistert oder einige viele Düfte von Comptoir Sud Pacifique (z.B. Aloha Tiaré), für Jil Sanders Klassiker Sun, Tom Fords Jasmine Musk, MPGs Fleurs des Comores oder überhaupt an Ylang- oder Tiaré-Düften, die ja oft dieser floralen Südseefraktion angehören, der dürfte hiermit seine helle Freude haben.
Dieser Tage geht es weiter mit den Vanilleschoten – bis dahin alles Liebe und frohes Schwitzen,
Eure Ulrike
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