Eine Hommage an den Bohemien – Amouages Duftduo Portrayal …

… bezieht sich auf eben diese Strömung, jene subkulturellen Gruppierungen, die Anfang der Zwanzigerjahre ihre Blütezeit hatten. Am Wochenende hatte ich bereits einen Artikel zu den durchaus spannenden Hintergründen geschrieben, die Kreativdirektor Christopher Chong zu seinem neuesten Streich inspirierten, lest hier. „„Portrayal is for the bold“ war das Stichwort oder der „Stichsatz“, der mir so gut gefallen hat: „bold“, dieses hübsche Wörtchen, kann keck heißen oder dreist, frech, steht aber in allererster Linie für mutig, wagemutig, kühn, für Verwegenheit. Das Wichtigste fehlt jetzt noch – die Düfte! Ob diese das Versprechen Chongs halten, kühn und mutig zu sein, olfaktorische Freigeister? Dem gehen wir heute nach.

Der Schöngeist – Portrayal Man

“Amouage Portrayal Man is an olfactive depiction of 1920s bohemian culture. Its woody and leather aroma exudes an air of exquisite audacity. It is about the arrogance and social tension in the world’s cultural discourse. With Vetiver at its heart and top notes of Violet Leaves, Portrayal Man emits a dandy yet masculine impression. Its light spicy facet enriches its woody base of Cade, allowing the fragrance to illustrate an enlightening energy that is unforgettable.“ – Quelle: Ça Fleure Bon, NST

Die Angaben zu beiden Düften seitens Amouage selbst sind recht spärlich, weswegen ich Ça Fleure Bon und Now Smell This zitiere, die wohl irgendeine andere Quelle hatten, eine direkte oder eine Pressemitteilung, die an uns vorbeigegangen ist – seht hier und hier. Holz und Leder stehen demnach im Fokus bei Portrayal Man, als Noten sind Vetiver und Veilchen(blätter) gelistet, darüber hinaus Cade. Cade kommt von Genévrier Cade, Stechwacholder, lateinischer Name Juniperus oxycedrus – und dieser hat es in sich: er verströmt im Gegensatz zu seinem „normalen“ Bruder ledrig-teerige Anklänge. Darf man hier Teeriges erwarten, das vielleicht an Andy Tauers Birkenteerexzesse erinnert? Pierre Negrin ist der Parfumeur – wir kennen ihn unter anderem von Interlude Man (an den ich bei den Ingredienzen schon denken musste), dem Journey-Duo sowie einigen Düften aus der Library Collection von Amouage, darüber hinaus ist er verantwortlich für Calvin Kleins Encounter sowie einige CK One Flanker, diverse Düfte für Ermenegildo Zegna und Ralph Lauren, Tom Fords leider vergriffenen, aber wunderschönen Japon Noir etc..

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Portrayal Man ist mitnichten ein Spalter und zeigt auch keine „krasse Kante“, das hatte ich aber von Amouage und Negrin auch nicht erwartet. Wir haben es hier mit einem Veilchenleder zu tun, eine Gattung, die die letzten Jahre meines Erachtens nach zu einem unterschwelligen Trend geworden ist. Ein Männerveilchen. Eines, das pudert und cremt und erdig tönt auf maskuline und moderne Art und Weise. Das perfekt harmoniert mit den leise rauchigen Noten sowie dem präsenten, aber nicht vordergründig „In your Face“-agierenden, prachtvollen Glattleder mit Teerspur. Die Ledernote ist kraftvoll und Neo-80er, was mir einen Klassiker in den Sinn kommen lässt, an den mich Portrayal Man entfernt erinnert – Diors Fahrenheit. Dennoch – Portrayal Man ist „smoother“, androgyner, dieser Kerl steht zu seiner weiblichen Seite, seiner Sanftheit, er ist kein Raubein, sondern eher ein kosmopoliter Hipster, was sich in den samtig-warmen Facetten des Duftes wiederfinden, die streichelzart meiner Haut und erst recht meiner Nase schmeicheln. Im weiteren Verlauf muss ich an einen zweiten Duft denken, der zumindest tendentiell seiner Aussage, seiner Wirkung auf der Haut nach eine gewisse Ähnlichkeit aufweist – Miller Harris‘ Feuilles de Tabac. Ihr ahnt es schon – Portrayal Man ist ein schöner Immergeher für Männer, der allerdings auch sehr gut von geneigten Damen getragen werden kann.

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Die Sirene – Portrayal Woman

At the heart of Portrayal Woman is a smoky yet sweet mélange created by the fusion of Craven, a Tobacco with a dusting of Vanilla. Brought together with Jasmine at its top and Elemis at its base, it recreates 1920’s liberation. The floral fragrance is for the poised and playfully refined woman who dares to defy. It is heartened with an undertone of the sensuality of Tuberose that together radiates a sultry trail of seductive sillage..” – Quelle: Ça Fleure Bon

Jasmin, Feige und Elemiharz in Kombination mit Tabak und Vanille, untermalt von einer sachten Tuberose – für Amouage einmal mehr eine erstaunlich überschaubare Anzahl an Ingredienzen. Ein Blütenduft wird uns angekündigt, ein Floraler, gewidmet jenen Frauen, die selbstsicher sind und „playful“, ausgelassen oder auch keck, und auch mal Contra geben, sich widersetzen, nicht mit dem Strom schwimmen, wie ich das freier übersetze. Und wer hat ihn kreiert, den Duft? Eine alte Bekannte, die sich in den letzten Jahren viel zu rar gemacht hat, wie ich finde, und wie Negrin bei Firmenich arbeitet – Annick Menardo. Parfumistas klingeln hier die Ohren, gell? Für alle anderen – Menardo hat einige Duftikonen sowohl des Mainstream- als auch des Nischenduftsektors geschaffen. Ich sage nur – Hypnotic Poison für Dior, Body Kouros für Yves Saint Laurent, Bois d’Armenie für Guerlain, Black für Bulgari (Gummi! Gummi!!), Lolita Lempicka (den Signature) als auch (ich mag ihn leider überhaupt gar nicht, kann aber seine Innovativität schätzen) Boss Bottled. Für Yves Rocher hat sie eine ganze Menge gemacht (und einige der Düfte sind wirklich einen Schnupperer wert), darüber hinaus Gaultiers Kokorico, diverse (andere) Düfte für Lolita Lempicka, Diesel Fuel for Life, Diors Bois d’Argent (Collection Privé), Palazzo für Fendi, Céline Pour Homme und so weiter und so fort.

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Für mich hat sie für Bulgaris Black einen ganz dicken Stein im Brett genauso wie für Bois d’Armenie und last, but not least – Le Labos Patchouli 24.

Portrayal Woman wird nicht jedem oder vielmehr jeder gefallen, ich persönlich finde ihn richtig toll. Er ist auf eine Art ein typisches „Weibi“, ein sinnlich-erotischer Damenduft mit ordentlich (Nektar- bzw. Honig)Süße und einem riesigen (Jasmin)Bouquet, auf der anderen Seite aber alles andere als „nett“ (im Sinne von: die kleine Schwester von langweilig). Wir haben es mit einem äußerst opulenten Jasmin zu tun, einem riesigen Meer, in voller Blüte stehend. Keinerlei indolische Facetten, dafür viel Cremigkeit, die von einer leisen Honigsüße geprägt ist. Diese harmoniert exzellent mit den vanillegeküssten (Pfeifen)Tabakschwaden, die den Jasmin umwabern. Die Vanille- und Honignoten des (mitunter herb-bitter-grünen, weil auch unangezündet-frisch vorhandenen) Tabaks lassen mich entfernt an Klassiker wie Tom Fords Tobacco Vanille denken – und zum Jasmin, der in Portrayal Woman eine außerordentliche Strahlkraft besitzt, fällt mir ein weiterer Duft ein, der ebenso leuchtet – Kurkdjians Signature für Elie Saab, ergo der erste Duft, das Eau de Parfum, ferner auch Terry de Gunzburgs Lumière d’Épices. Wer die Düfte kennt, sollte sie gedanklich verschmelzen lassen – und landet dann unweigerlich bei Portrayal Woman.

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Eine intellektuelle Schöne, die zu verführen weiß – Portrayal Woman ist ein Prachtweib, elegant und zugleich wollüstig, sanft und selbstbewusst. Für mich ist er definitiv eine Überlegung wert, er geht bei mir in den Dauertest 🙂

Einen schönen Feiertag noch Ihr Lieben und viele herzliche Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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