… Wurzeln der Marke: Am Anfang war in diesem Falle nicht das Wort, sondern – die Banane. Wirklich? Sowohl L’Artisan Parfumeurs Duftbeschreibung als auch meine Wenigkeit müssen an dieser Stelle etwas länger ausholen und gedanklich an einen Ort reisen, der weltweit bekannt ist …
Extravaganz, Ausgelassenheit, Phantasie und selbstredend Champagner, vermutlich eine ganze Menge des exklusiven Schaumweins – das waren die Attribute, die Dinge, die man mit dem berühmt-berüchtigten Pariser Kabarett Les Folies Bergère in den Siebzigerjahren assoziierte. Rauschende Feste und Bälle, für die keine Kosten gescheut wurden, wenn es um die Ausstattung und Ausstaffierung ging, die Dekorationen des Ambientes als auch des Personals, dessen Kostümierungen. Ein Video mit Aufnahmen habe ich für Euch gefunden, allerdings von Anfang der Sechziger:
Aber nochmal zurück, in den Siebzigern, es ist von den Siebzigerjahren die Rede? Ja, es war wohl erst zu Hippiezeiten, als sich Jean François Laporte als begeisterter Pflanzensammler und Chemiker daran machte, seinen ersten, von der Natur inspirierten Duft zu kreieren, dessen Inspirationsquelle zwar die Bananenfrucht war, das direkte Vorbild allerdings ein Bananenkostüm aus dem Folies Bergère. Dieser Moment weckte bei Laporte die Leidenschaft, ließ in ihm den Wunsch reifen, die Parfumbranche erneut in einen, wie man in der Beschreibung von Bana Banana lesen kann, „vorindustriellen Zustand“ zu versetzen, eine Ära, in der jeder einzelne Bestandteile, jede Ingredienz respektiert, identifiziert und geschätzt wird.
An dieser Stelle muss ich gleich einiges ergänzen, bevor zu viele Fragezeichen bei dem einen oder anderen von Euch auftauchen. Der leider 2011 bereits verstorbene Laporte ist tatsächlich, für diejenigen, die das nicht wissen, der Gründer des Hauses L’Artisan Parfumeur, das mit Sicherheit – abgesehen von jahrhundertealten Traditionshäusern – zu den dienstältesten „neueren“ Nischendufthäusern gezählt werden kann – es wurde 1976 gegründet. Laporte zog später weiter, gründete 1988 Maître Parfumeur et Gantier, die sich somit auch schon sehr lange im Nischenduftmarkt tummeln. L’Artisan Parfumeur gehört heute zu dem spanischen Unternehmen Puig, genauso wie beispielsweise Penhaligon’s und Nina Ricci.
Auf die Folies Bergère muss ich natürlich auch noch zurückkommen. Zuallererst habe ich mich gefragt, wo der Name herkommt – nicht das erste Mal, ich kenne den legendären Club selbstverständlich vom Lesen, dennoch hatte ich noch nie nachgelesen … Bergère ist nämlich der Hirte, vornehmlich der Schaf- oder auch Ziegenhirte, Les Folies heißt übersetzt Verrücktheiten. Folie selbst ist relativ breit von der Wortbedeutung her – es kann für Wahnsinn, für Verrücktheit stehen, für Unbesonnenheit oder Torheit oder eine Manie, darüber hinaus lässt sich das Wörtchen aber wohl auch mit Lustschloss übersetzen. Hier kommen wir dem ganzen schon näher, denn alle Etikettierungen passen zum ursprünglichen Varieté-Theater Les Folies Bergère, benannt nach der benachbarten Rue Bergère (in der das Varieté aber nicht beheimatet ist und auch niemals war). Es steht auch heute noch, dient aber in allererster Linie der Aufführung von Musicals.
Das war damals, vor Jahrzehnten, noch ganz anders – und hier ist auch der Knackpunkt, weshalb ich nochmals recherchieren musste: seine Hochzeiten hatte Les Folies Bergère vor allem um die Jahrhundertwende bis in die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts, ganz genau so, wie ich das in Erinnerung hatte. Wiki fasst perfekt zusammen:
„Kurz nach Beginn besann sich der Besitzer der neu eröffneten Lokalität auf eine der nationalen Eigenheiten des französischen Varietés: das Bekenntnis zur Erotik. Er kreierte die Varietéform, die für die Zukunft als „typisch französisch“ gelten sollte, das Grand spectacle. Unter dem Eindruck der Jahresrevuen, die sich an einigen Theatern großer Beliebtheit erfreuten, inszenierte er die erste, dem Metier angepasste Revue, die am 30. November 1886 Premiere hatte und die für damalige Begriffe unglaubliche Summe von 10.000 Franc kostete. Die Programme waren angefüllt mit vielen spektakulären Nummern: Kraftmenschen, Löwenbändigern, Groteskenpantomimen, Elefantendressuren, Abnormitätenschauen und Ringkämpfen. Doch auch das vermochte das Publikum nicht dauerhaft und regelmäßig in die Vorstellungen zu locken. Daher organisierte man für die besten Prostituierten der Stadt Freikarten, die sie zum vierzehntäglichen Wandeln durch die Foyerhallen berechtigten. Zwar waren keine offensiven Angebote erlaubt, doch ein aufforderndes Kopfnicken war gestattet. Paul Derval, lange Zeit Direktor der «Folies Bergère», schrieb dazu in seinen Memoiren: „Dieses geniale System bewährte sich einige Jahre hindurch sehr gut. Jeder Pariser wusste, dass die Damen im Promenoir solche von leichter Tugend waren und dass sie die Crème ihrer Profession darstellten … kurz, das Promenoir der Folies Bergère war als der beste Liebesmarkt der Stadt bekannt.“
Die Folgezeit, in etwa von Anfang der 1920er bis Mitte der 1930er Jahre, sollte mit ihren aufwendigen Revuen die Glanzzeit der französischen Varietés werden. Die großen Häuser, wie «Casino de Paris», «Lido», «Moulin Rouge» oder eben «Folies Bergère», erlebten einen enormen Aufschwung durch die Revue.“
Bananenkostüm … sicher, das könnte ein Zufall sein oder vielleicht kamen derlei Kostüme häufiger vor im Folies Bergère, aber … auch hier musste ich nochmals überprüfen, ob mein Gedächtnis mich im Stich lässt oder nicht. Hat es nicht. Im Folies Bergère traten über die Jahre eine ganze Menge sehr bekannter Künstler auf, ich war aber an einer interessiert, an Josephine Baker. La Folie du Jour, salopp übersetzt: der alltägliche Wahnsinn – das war der Titel des Musikstücks, zu dem sie etliche Male in den Zwanzigerjahren im Folies Bergère tanzte, und zwar ausschließlich mit einem Röckchen aus Bananen bekleidet. Der eine oder die andere zieht heute vollkommen berechtigt die Augenbraue hoch – eine schwarze Künstlerin, die ein Bananenröckchen trägt … damit wurde sie allerdings berühmt und auch reich in Frankreich, während sie in ihrem Geburtsland, den Vereinigten Staaten, mit rassistisch bedingten Benachteiligungen zu kämpfen hatte.
In jedem Falle würde es mich nicht wundern, wenn über die Jahre hinweg immer wieder Bananenröckchen in dem Tanztheater zum Einsatz kamen. Genauso wenig kann aber Laporte eigentlich nicht an dem Duft gearbeitet haben, ohne an Josephine Baker gedacht zu haben, oder nicht? In jedem Fall wurde seine Bananen(rock)studie wohl nie veröffentlicht, falls sich die eine oder andere Parfumista jetzt fragt, was für einen monothematischen Bananen-L’Artisan sie verpasst haben könnte.
L‘Artisan Parfumeur präsentieren Bana Banana jetzt als Teil ihrer Kollektion – ein Eau de Parfum, das sich auf eben jene Bananenstudie bezieht, sich von ihr inspiriert sieht und somit eine Hommage an die Wurzeln der Marke als auch ihren Gründer Laporte darstellt. Kreiert hat den Duft eine alte Bekannte – Céline Ellena, Tochter der Parfumeurslegende Jean-Claude Ellena (früherer Hausparfumeur von Hermès, unter anderem …), die ich eigentlich immer noch mehr oder weniger als (Mit?)Inhaberin von/bei The Different Company verortet hätte. Aber gut, sie hatte ja auch einige Zeit pausiert mit dem Düfte kreieren, soweit ich das weiß. „Eine bernsteinfarbene Banane in einer seltenen und großzügigen Barockkomposition“ stellte sie sich bei der Kreation von Bana Banana vor, eine „Mischung aus einem Bouquet von Jasmin und einem Strauß kandierter Bananen“. Woher diese Idee, diese Ingredienzen kommen? Da zitiere ich gerne das von Harmen übersetzte Zitat, das als Teil der Duftbeschreibung von der Marke kommt:
„Ein Bananenduft? Was für eine ungewöhnliche Idee … und doch, faszinierend. Aber wie kann man das machen? Ich schmeckte, roch, kochte und erkundete alle Facetten der Banane, bevor ich Bana Banana kreierte. Getrocknete Bananenscheiben, Bananenbonbons, schwarze konservierte Bananen, grüne Bananen, gesprenkelte und braune Bananen, rohe, gekochte, gebackene … viele alkoholische Zubereitungen und eine sehr unruhige Nase … Ich habe sogar ein ausgezeichnetes amerikanisches Rezept für ein Bananenbrot entdeckt, dessen Duft beim Backen das ganze Haus erfüllte und inzwischen zu einem Grundnahrungsmittel bei Familienessen geworden ist!
Jean Laporte bemerkte einmal, dass die Jasminblüte nach Banane roch, und er hatte die beiden in einem großen Krug eingeweicht, um zu sehen, ob die eine den Duft der anderen verstärken würde. Ich schrieb drei verschiedene Formeln auf: Eine weiße Banane, eine grüne Banane und schließlich eine bernsteinfarbene Banane, der ich einige Jasminblüten hinzufügte. Die bernsteinfarbene Banane blieb geheimnisvoll und faszinierend. Eine delikate Balance zwischen den Facetten der grünen Banane und einem cremigen, köstlichen und besonders fleischigen Geschmack …
Ich stellte mir diese Komposition als eine Stickerei aus magischen, hellen Stichen vor; die Rohstoffe wurden zu einem Muster zusammengefügt, aus dem ein „Duftkostüm“ entsteht, faszinierend und schillernd. Sommersprossen aus Pfeffer und Amber veredeln das Herz dieses barocken Parfums, indem sie ihre Aura in Hell-Dunkel zeigen, in der die ungewöhnliche Hauptzutat Banane souverän glänzen kann. Der Jasmin schafft eine sanfte Verbindung zwischen dem Balsamischen und dem Geschmack der Frucht. Veilchenblüten, leicht bitter, mit Muskatnuss überzogen, roh und beißend, erzeugen den Eindruck der Bananenschale. Iris und Tonkabohne, mit imposanten Texturen, beleben die unwiderstehlich sensible Spur des Duftes.“ – Céline Ellena
Ob Céline Ellena jetzt noch Bananen essen kann? Wieder? Ich mag Bananen sehr, aber ich schätze, dass ich nach einer solch intensiven Recherche für einige Zeit Nase, Mund und Magen voll hätte von dieser goldgelben Frucht 😉
Und wie riecht er nun, der Duft, Bana Banana? Ich war sehr gespannt, denn Bananen in Düften sind eine wirkliche Seltenheit, selbst wenn man sie als schmückendes Beiwerk irgendwo an den Rand dazustellt oder in einem tropenfruchtigen Stillleben versenkt.
… spannend. Und ziemlich perfekt. Keine quietschige Tropical-Island-Frucht aus dem Chemielabor, nein, ganz und gar nicht, ganz im Gegenteil! Lest Euch nochmals die Beschreibung von Céline Ellena durch, wenn Ihr testet. Bana Banana ist vielleicht nicht für jeden und nicht in jedem seiner duftenden Stadien als „Bananenduft“ erkennbar – das, was Ellena schreibt, ist aber komplett nachvollziehbar im eigentlichen Wortsinne. Man kann „mitlaufen“, sich den Duft erarbeiten, obschon das keine „Arbeit“ ist im eigentlichen Wortsinne, sondern ein Vergnügen. Bana Banana illustriert wahnsinnig gut, wie Parfumeure vorgehen, wenn sie etwas, eine Note darstellen wollen, die sich nicht destillieren lässt. Und die man „zusammensetzen“ muss aus anderem, der man sich annähern muss.
Es stimmt, die Geschichte mit dem Jasmin. Ist mir persönlich nie aufgefallen, ich hatte aber in der Vergangenheit nicht besonders häufig blühenden Jasmin um mich herum, was ich gerade im neuen Garten geändert habe. Der Jasmin zeichnet die Cremigkeit nach, die eine reife, nicht überreife Bananenfrucht auszeichnet, ihre Sattheit und ihre Süße, von Tonka verstärkt, die im Zusammenspiel mit pudrig-samtiger Iris die feine Mehligkeit suggerieren, im Abgang dann auch fast schon Anklänge getrockneter oder gekochter Bananen heraufbeschwörend. Und Veilchen zaubert mit erdig-herb-metallischen Noten die schützende Schale herbei, grün-gelb mit vereinzelten braunen Pünktchen …
Bana Banana erinnert mich persönlich an die Hell-Dunkel-Malerei, Chiaroscuro oder auch Clair-obscur genannt, einem Gestaltungsmittel, dem sich unter anderem da Vinci, Rembrandt, Caravaggio und Vermeer (ganz genau: das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge ist ein prominentes Beispiel dafür) bedienten. Starke hell-Dunkel-Kontraste sehe ich bei Bana Banana auch, das obige Foto, das ich für Euch ausgewählt habe, kommt meiner Vorstellung noch am nächsten. Wer einen In your Face-Fruchtduft sucht, der wird enttäuscht werden, das kann ich schon vorab anmerken. Bana Banana ist ein ungewöhnliches, feminines Duftgemälde, das sich gekonnt einer Kategorisierung entzieht – ist das der Beginn des neuen Florientalen, vielleicht? Bana Banana ist würzig, fruchtig, floral, kräftig, aber gleichermaßen sanft und zurückhaltend, eigentlich Understatement. Er ist kein echter Fruchtduft, aber auch kein „normales“ Blümelein. Was ist er denn nun?
Toll ist er. Und es hilft nichts – Ihr solltet ihn testen. Selbst wenn Ihr ihn nicht mögen solltet oder er nichts für Euch ist – alleine schon die Art und Weise, wie sich Céline Ellena dem Thema Banane genähert hat ist extrem interessant.
Viele herzliche Grüße
Eure Ulrike, die jetzt Lust auf Bananenbrot oder wenigstens eine gekochte Honigbanane beim Inder hat 😉
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