… und wurde bereits Ende letzten Jahres vorgestellt, hat es allerdings nun passend zur (hoffentlich bald folgenden) warmen Jahreszeit zu uns nach Deutschland geschafft. Das gibt Anlass, ihn sich näher anzusehen, meine Lieben! Wem BOIS 1920 noch kein Begriff ist, der kann sich unter anderem hier einlesen. Der deutsche Vertrieb der Marke wechselte vor einiger Zeit, was einem „Neustart“ gleichkam – das hatte ich zum Anlass genommen, einige Düfte der Marke vorzustellen – wir werden die Vorstellungen der einzelnen Düfte, die noch nicht allesamt im Blog vertreten sind, demnächst einmal fortführen. Meinen Absatz aus obigem Artikel zum Hintergrund von BOIS 1920, der Geschichte der Marke, zitiere ich an dieser Stelle.
BOIS 1920 – Italienische Familientradition
Hinter der Marke BOIS 1920 steht die Familie Galardi. Es begann alles, wie der Name schon sagt, 1920 – und zwar mit Guido Galardi. Bei näherer Betrachtung des Bildes oben deutet sich schon an, in welchem Ort die Marke beheimatet sein könnte – ganz genau: in Florenz. Guido Galardi sammelte also in den Hügeln um Florenz Lavendel, entwickelt Rezepturen für Parfums, ätherische Öle und Duftsachets, eröffnet alsbald sein Ladengeschäft, die Bottega Italiana Spigo. Guido Galardi hat damit Erfolg – nur leider endet sein Traum mit der nächsten Generation: Guidos Sohn Renato hat anders gelagerte Interessen, möchte das Familienunternehmen nicht übernehmen. So findet die Bottega Italiana Spigo nach nur etwas mehr als einem Jahrzehnt ihr vorübergehendes Ende. Das Parfumgen scheint allerdings nicht komplett verschütt gegangen zu sein, es hat nur eine Generation übersprungen: Enzo, der Enkel, begeistert sich wie sein Großvater für Düfte und Parfumherstellung, erweckt den Traum von Guido Galardi wieder zum Leben und zollt ihm mit dem Namen BOIS 1920 Tribut (BOttega Italiana Spigo, Gründungsjahr). Mittlerweile hat Enzo Galardi auch noch einige andere Duftprojekte ins Leben gerufen, einige andere Düfte kreiert (ehrlicherweise bin ich zum Teil nicht durchgestiegen, welche Marken ihm gehören bzw. an welchen er beteiligt ist und/oder „nur“ Parfumeur), so beispielsweise IO.KO 1954, Baldi, Olfattology, Antiqua Firenze, Profumo di Firenze 1954 und Odori (die eingestellt wurden, sehr zu meinem Bedauern! Ich vermisse immer noch mindestens die halbe Kollektion – Gli Odori war ein herb-bitterer Kräuterkracher, Cuoio ein herrlicher Lederduft und Tabacco einer der schönsten Tabakdüfte auf dem Markt). BOIS 1920 hat er vor einiger Zeit verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu widmen – das Unternehmen ist aber nach wie vor in Familienhand.
Ein relativ neues Video zu dem Familienunternehmen gibt es auch, seht hier:
Paranà – Von Birkenwäldern und brasilianischem Karneval …
„Reisereminiszenzen … Paranà, der Duft von Bois 1920 wurde durch persönliche Erlebnisse inspiriert, einzigartige Augenblicke voller Muße, und erzählt von den Weiten Brasiliens und von kanadischen Birkenwäldern.
Jene Birken trägt Paranà im holzigen Herzen, deren markant-männlicher Charakter kongenial kontrastiert wird von der Frische erlesener Früchte. Saftige Hesperiden, säuerlich-herbe Johannisbeeren und exotische Ananas, von Blattwerk umrankt und in Leder gerahmt. In sachten Rauch gehüllt, verleiht Patschuli Paranà mysteriöse Tiefe, während Eichenmoos, Ambra und Moschus den letzten Schliff verleihen. Ein Duft, entstanden aus besonderen Erinnerungen, geschaffen für besondere Momente und Menschen – Paranà.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte, Limette, Kardamom, Schwarze Johannisbeere, Ananas
Herznote: Birke, Rose, Jasmin, Aquatische Noten
Basisnote: Patchouli, Leder, Eichenmoos, Ambra, Weißer Moschus
Die deutsche Beschreibung zu Paranà stammt aus meiner „Feder“, seitens der Marke hält man sich eher bedeckt hinsichtlich der Inspirationen zum Duft. Erinnerungen an Reisen werden zitiert und Brasilien – in Brasilien liegt auch der Bundesstaat Paraná, auf den man sich vielleicht bezieht mit dem Parfum, das allerdings einen andersgearteten Akzent führt. Dennoch – wir haben es bei Paraná mit einem sehr großen Bundesstaat zu tun, der sich im Süden Brasiliens über eine Fläche von knapp 200.000 Quadratkilometern erstreckt bei einer Bevölkerungsdichte von 52 Menschen pro Quadratkilometer. Ist das viel, ist das wenig? Ein bisschen googeln hilft – Deutschland hat eine Bevölkerungsdichte von 226 Einwohnern pro Quadratkilometer, die Schweiz eine von 199 Einwohnern, der am dünnsten besiedelte Kontintent, die Antarktika, liegt bei 0,0001 bis 0,0003 Einwohnern. Die Mongolei kommt auf 1,9 Einwohner pro Quadratkilometer und Monaco, das Land mit der höchsten Bevölkerungsdichte, auf etwas mehr als 18.000 Einwohner. Paraná trägt seinen Namen in Anlehnung an den gleichnamigen Fluss Río Paraná, der sich seinen Weg durch drei Länder bahnt, durch Brasilien, Paraguay und Argentinien, siehe Wiki: „Das Einzugsgebiet des Paraná umfasst bis zum Einfluss in den Rio de la Plata eine Fläche von rund 2,8 Millionen Quadratkilometern. Für den Verlauf des Paraná zusammen mit dem längeren der beiden Quell-Zuflüsse, dem 1360 km langen Rio Grande, wird eine Gesamtlänge von 4880 Kilometern angegeben.“ Damit rangiert der Paraná auf Platz 14 der längsten Flüsse der Welt.
Überflüssig zu erwähnen, dass Fauna und Flora in der Nähe eines Flusses von solchen Ausmaßen wächst und gedeiht, insofern vermute ich, dass sich die Inspirationen zu Paranà einerseits aus einigen Ausflügen in die Natur als auch andererseits aus dem trubeligen brasilianischen Leben in den Städten, der Lebenslust und vielleicht aus dem brasilianischen Karneval speisen. Und dann ist da noch der Verdacht, dass der Duft eventuell auch mit persönlichen Begegnungen mit Menschen zu tun hat, mit jemandem, den man liebgewonnen hat? Fragen über Fragen … 😉
Wichtig zu Paranà ist in jedem Fall, dass der Duft streng genommen kein Neuling ist – der Duft war jahrelang ein „Mitglied“ der Olfattology-Kollektion, wie oben bereits erwähnt ebenfalls eine Marke des Galardi-Clans. Dort war der Duft ein Bestseller, genauer – der Bestseller. Im Rahmen der Umstrukturierungen innerhalb der Familie und ihrer Marken übernahm man den olfaktorischen Liebling dann in die BOIS 1920-Kollektion.
Zwecks der Duftnoten, der Ingredienzen, herrscht Uneinigkeit im Netz, das sei vorab bemerkt. Das liegt unter anderem daran, dass sich alleine bereits die von der Firma für den Duft angegebenen Zutaten unterscheiden, blickt man auf Olfattologys Paranà als auch auf den von BOIS 1920 – dabei ist nichts bekannt darüber, dass man das Parfum bzw. dessen Rezeptur verändert hätte/hat. Ich schiebe das darauf, dass die Ingredienzen ohnehin als Orientierung zu verstehen sind – es versteht sich von selbst, dass beispielsweise Ananas oder ähnliches selbstredend nicht destilliert wird, sondern durch ein synthetisches Molekül evoziert, das eben den Eindruck von Ananas und beispielsweise grünen oder gelben Früchten erweckt. Ein Aspekt, der oftmals unterschätzt wird und zu einer Überbewertung der deklarierten Ingredienzen führen kann – so entstehen dann Diskussionen wie „Aber da ist doch keine Physalis angegeben, sondern nur Mango“ …
Kommen wir schlussendlich zum Wichtigsten, zum „Juice“ im wohlbekannten BOIS-Flakon, diesmal in schlicht-edler transparenter Hülle. Paranà lässt Früchtchen tanzen in der Kopfnote, genauer gesagt schwarze Johannisbeeren und Ananas, strahlend hell erleuchtet von herb-zitrischen Hesperidenfrüchtchen, in jedem Fall Bergamotte, eventuell auch ein paar Zitrönchen. Lebendig, dynamisch und sportlich wirkt dieser Auftakt, unisex und in jedem Fall modern, zeitgemäß, deshalb auch jung. Und er erinnert an einen anderen Duft, der sich mittlerweile fast als Urahn einer ganzen Familie etabliert hat – an Creeds Aventus. Exotisch-zitrische Frische, gepaart mit ein paar Blümchen und Rauch, wenn man genauer hinsieht auch ein Fitzelchen Leder – das macht Aventus aus, das findet sich auch in Paranà. Paranà allerdings zeigt sich etwas subtiler, meines Erachtens nach sowohl auf dem Teststreifen als auch auf meiner Haut ein Quentchen cremig-floraler und darüber hinaus auch rauchiger, holziger, birk(enteer)iger, offenbart des Weiteren eine Art grüne Cremigkeit oder auch cremige Grünheit, die dem Creed-Bestseller abgeht.
Wer Aventus nicht mag, wird sicherlich an Paranà auch keinen Gefallen finden – das trifft aber ehrlicherweise auf die wenigsten Menschen zu. Mir persönlich ist Aventus etwas zu direkt, zu offensiv, obschon ich diese Art Duftrichtung an Männern durchaus adäquat und adrett finde. Ich präferiere hier sehr deutlich den wesentlich dunkleren und rauchigen Bruder Héroïque von Rancé 1795 sowie den für meine Nase etwas lichteren, komplexeren Paranà.
Wie seht Ihr das, Aventus-Freunde hier? Welche Frau (außer mir) trägt ihn oder eines seiner duftenden Geschwisterchen? Und, wenn ja, welches?
Einen wundervollen, hoffentlich sonnigen Tag wünscht Euch
Eure Ulrike
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