… heißt Duft Nummer vier (von insgesamt bisher fünf Düften) von der Italienerin, die heute in Amsterdam lebt und dort nach einer Karriere in der Kunstbuchverlagsbranche ihrer Passion folgend Düfte kreiert. Drei Rezensionen gab es bisher schon im Blog zu Francesca Bianchi – wer sie verpasst hat, hier könnt Ihr sie nachlesen: Hintergrund zu Madame Bianchi und ihrer Kollektion sowie die Rezension zu The Lover’s Tale, die Rezension zu Dark Side sowie die Rezension zu Angel’s Dust.
Ich kann es Euch jetzt schon verraten – erotisch wird es, nicht nur heute, sondern auch am Freitag, und zwar mit den letzten beiden Düften von Bianchi, mit Under My Skin sowie mit Sex and the Sea (wer hätte es gedacht bei dem Namen …). Bisher hat mich die Kollektion durchaus positiv überrascht, mein Liebling unter den ersten drei Düften ist Dark Side. Mal sehen, ob er es bleibt 😉
Das „Tier“ in ihr oder die olfaktorische Aura der Sinnlichkeit – Under My Skin
„This is my personal interpretation of the animalic theme: not loud but whispered, an elegant powdery leathery scent, more human than animalic. The title comes from a conversation with an artist, who told me it is as if the perfume emanates from the skin, rather than being sprayed on: which totally fit the intimate concept of the perfume.“ – Francesca Bianchi
Kopfnote: Grapefruit, Lavendel
Herznote: Schwarzer Pfeffer, Gewürze, Bulgarische Rose, Gewürznelke, Iris, Moschus, Castoreum, Ambra, Leder, Costus
Basisnote: Tonkabohne, Tolubalsam, Perubalsam, Mysore-Sandelholz, Vanille, Baumflechte
Under My Skin ist Bianchis Interpretation des Animalischen, wie sie verlauten lässt. Zwei Jahre dauerte der Entwicklungsprozess des Duftes, der seine Entstehung Bianchis Begeisterung für starke, animalische Düfte zu verdanken hat. Als „Verzauberung“ bezeichnet sie ihre Faszination – und dennoch beschritt sie selbst ganz andere Pfade: Das, was sie so an den Kreationen anderer faszinierte, war dennoch eher für eben diese, für andere gemacht – und nicht das, was sie selbst erschaffen wollte, was sie selbst an sich sah. Sie experimentierte mit Rohstoffen, die schwer duften, opulent, eine ausladende Süße besitzen und/oder „nach Stall“ riechen – um schlussendlich in eine unterschiedliche Richtung zu gehen: ein ledriger und zugleich pudriger Duft mit leisen animalischen Anklängen, ein samtiger und eleganter Entwurf ist Under My Skin laut Bianchi geworden. Im Gespräch mit einem Künstler bemerkte dieser, dass Under My Skin so wirke, als käme er aus der Haut, würde von ihr ausgestrahlt werden – im Gegensatz zu einem aufgesprühten Parfum, das auf den ersten Blick (oder besser: Schnupperer) als solches zu erkennen ist. Das bestätigte Bianchi in ihrer Ausrichtung, ihre Interpretation eines animalischen Duftes eher „menschlich“ duften zu lassen als wirklich tierisch.
Der Duft basiert, so plaudert Bianchi aus dem Nähkästchen, auf einer Kombination von animalischen und ledrigen Noten, die „von Irisbutter gezähmt werden (mit 15 % Ironen)“. Nachdem sie an dem Herz des Duftes gearbeitet hatte, nahm sie sich die Basis vor, die aus Tolu- und Perubalsam sowie diversen Hölzern besteht. Den Auftakt des Duftes, die Kopfnote, war laut ihrer Aussage am Schluss an der Reihe – Grapefruit und Lavendel, insofern bemerkenswert, dass Bianchi nach eigener Aussage früher „Lavendelhasserin“ war, sich aber selbst damit überraschte, wie gut er sich in den Kopf von Under My Skin einfügte, ihm „Helligkeit und Eleganz“ verleiht.
Ich bin, überflüssig zu erwähnen, gespannt. Under My Skin soll also ein animalisch-ledriger Duft sein, eher körperlich als animalisch, mit Irisnoten und Harzen, das liest sich vortrefflich, finde ich als alter Lederliebhaber … Ob er einen Vintage-Charakter hat, retro ist? Könnte sein, bevor ich aber noch weiter herumspekuliere, darf er besser gleich auf die Haut …
… es könnte sein, dass Under My Skin meinen bisherigen Liebling der Bianchi-Kollektion, Dark Side, vom Thron stürzt … ich denke – ja. Ich fühle – ja. Was für ein wahnsinnig toller Duft, meine Lieben! Pfeffer, schwarzer Pfeffer, zudem ein dunkelvioletter, ernsthaft-seriöser, dunkelwürzigkrautiger Lavendel, umherwabernd, permanent sich bewegend und drehend. Grapefruit nehme ich, wie ich gehofft hatte, weniger zitrisch war als vielmehr salzig (genauso wie in einem meiner Lieblings-Vetiverdüfte, Sel de Vétiver von The Different Company), er wirkt hier wie eine leise Ahnung Schweiß.
Nein, nicht Kumin, nicht teenagergefüllte Turnhallenumkleide nach dem Sportunterricht. Nebenbei bemerkt – auch das gibt es oder besser gab: The Different Companys Rose Poivrée roch früher so und war sehr sexy, wurde aber meines Erachtens nach mittlerweile etwas entschärft, leider; Rubj das EdT der unglücklicherweise letztes Jahr verstorbenen Vero Kern hat durch seine Kumin-Note ebenfalls eine sehr schwitzige Komponente. Witzige Episode am Rande, wenn ich ohnehin abschweife: Ich trage Rubj selten, aber sehr gerne. Einen Bekannten habe ich damit auf einer relativ kleinen Party einst komplett ins Aus geschossen, weil er nicht nur einmal, sondern mehrfach auf meinen Duft zu Sprechen gekommen ist, den Rest des Abends neben mir saß und nur noch sonderlich-senil-selig schnupperte, ohne überhaupt noch anwesend zu sein geistig. Darüber hinaus war eine Freundin von mir einmal sehr verzückt von Rubj, als ich sie aus ihrem Bekleidungsgeschäft zum Mittagessen abholte. Sie lobte ausdrücklich meinen Duft, um auf meine Nachfrage, ob er ihr wirklich gefalle, er hätte ordentlich Kumin drin, das häufig etwas transpirierend riechen würde, zuzugeben, dass sie mein Parfum zwar wahnsinnig schön fände, mir aber ein Deo empfehlen wollte für den heutigen Tag, da ich offensichtlich schon ein wenig geschwitzt hätte … 😉 😉
Zurück zu der schwitzigen Komponente in Under My Skin – die ist anders. Und ich verstehe vollkommen, was Bianchis Bekannter, der Künstler, meinte – je länger Under My Skin auf der Haut ist, desto mehr verschmilzt er mit ihr, desto weniger ist er als Parfum als solches wahrzunehmen. Einfach nur Haut nach einem gelebten Tag inklusive ja, ein bisschen Transpirieren, und darüber hinaus Leben, Ausgehen, was weiß ich. Das Under My Skin mehr Aura als „Huhuu, Ich bin ein Parfum“-Duft ist, ist bemerkenswert. Denn er ist in der Tat ein animalischer Duft, obschon Bianchi auch hier den Nagel auf den Kopf getroffen hat mit ihrer eigenen Aussage, dass Under My Skin eher „körperlich“ als „tierisch/animalisch“ sei. Welcher animalische Duft verhält sich so auf der Haut, wuchert nicht mit seinen Pfründen und trumpft auf, kracht mit dem Hinterteil durch den Tisch? Wenige, sehr wenige. Und dennoch – Under My Skin ist so einer. Er ist eine Wuchtbrumme, keine Frage. Und prägnant ist er so oder so ebenfalls. Aber er schreit eben nicht „Hallo“, er ist kein Schild, das seinen Träger als ebensolchen deklariert.
Salz auf der Haut, Pfeffer und Wärme, majestätisch-ledrige Momente, Sinnlichkeit, Sinnlichkeit, Sinnlichkeit … Ach Du meine Güte, Under My Skin ist so sexy. So erotisch. Er ist hautwarm dank der Harze – nicht orientalisch warm oder gar heiß, sondern wirkt tatsächlich hautwarm, würzig, feinwürzig, lecker, gleichermaßen einen Tacken Süße als auch Herbheit ausstrahlend. Lavendel wirkt hier streckenweise wie ein Weißblüher, so sinnlich und opulent blühend zeigt er sich. Iris pudert, ist aber gleichzeitig auch dunkelgrün schillernd wie eine mysteriöse Dschungelkönigin der Flora, während irgendetwas staubt, trocken staubt … und mir das Gefühl vermittelt, das jederzeit ein unbekanntes Wesen auftauchen könnte, ob nun aus dem imaginierten Dschungel oder sonstwoher. Milchig-balsamisches Sandelholz und die durch Pfeffer verstärkte, dumpf-würzige Schärfe von Gewürznelke sind die Hauptdarsteller der Basis, die Under My Skin vervollkommnen.
Im Netz überschlägt man sich vor positivem Feedback hinsichtlich dieses Duftes – vollkommen zu Recht – lest beispielsweise diesen Thread bei Fragrantica, diese Rezension bei Ça Fleure Bon, diese hier bei Takeonethingoff oder diese schwelgerische Review bei Plumgirl. Ich habe, wie so oft, erst nachdem ich diesen Artikel geschrieben habe, überhaupt erst einmal nachgeschaut, was andere so denken und zu Papier beziehungsweise ins Netz bringen gelesen, sehe mich aber bestätigt. Und kann mich sehr gut mit Plumgirl identifzieren, vielmehr mit den Assoziationen, die Under My Skin ausgelöst hat. Es ist die Rede von einem schlafenden Tier, von einer schlafenden Raubkatze – sehr treffend, wie ich finde, denn Under My Skin ist graziös, elegant, auf eine Art gleichermaßen dezent wie prägnant, für sich einnehmend, dominant … und ich denke an Baudelaires Gedicht Die Katze aus seinen Fleurs du Mal, den Blumen des Bösen, zitiert aus der Deutschen Gedichtebibliothek:
In meinem Hirn, als wär’s ihr eigner Raum,
Schleicht auf und nieder auf der weichen Tatze
Geschmeidig sanft die schöne, stolze Katze.
Und ihrer Stimme Ton vernimmt man kaum,
So zart und heimlich ist ihr leis Miauen.
Und ob sie zärtlich, ob sie grollend rief,
Stets ist der Klang verhalten, reich und tief
Und Zauber weckend und geheimes Grauen.
Die Stimme, die wie schwere Perlen sank
In meines Wesens dunkle Gründe nieder,
Erfüllt mich wie der Klang der alten Lieder,
Berauscht mich wie ein heisser Liebestrank.
Sie schläfert ein die grausamsten Verbrechen,
Verzückung ruht in ihr. Kein Wort tut not,
Doch alle Töne stehn ihr zu Gebot
Und alle Sprachen, die die Menschen sprechen.
Auf meiner Seele Saitenspiel liess nie
Ein andrer Bogen so voll Glut und Leben
Die feinsten Saiten schwingen und erbeben,
Kein anderer so königlich wie sie,
Wie deine Stimme, rätselvolles Wesen,
Seltsame Katze, engelgleiches Tier,
Denn alles, Welt und Himmel ruht in ihr,
Voll Harmonie, holdselig und erlesen.
Und ihrem weichen Fell, das braun und fahl,
Entsteigt ein Hauch, so süss die Sinne labend,
Dass ich davon durchduftet bin am Abend,
Berührt ich’s streichelnd nur ein einzig Mal.
Von je des Orts vertrauter Geist gewesen,
Herrscht sie und richtet und beseelt zugleich
Ein jedes Ding in ihrem weiten Reich;
Ein Feenkind vielleicht, ein göttlich Wesen.
Und wenn mein Blick, magnetisch hingelenkt
Zu jener Katze, die beherrscht mein Sinnen,
Sich wieder wendet, fügsam, ohn Entrinnen
Und still in ihren Anblick sich versenkt,
Dann seh‘ ich staunend und im Tiefsten schauernd,
Dass ihre Augensterne feurig fahl,
Leuchtfeuern gleich und lebendem Opal,
Mich unverwandt betrachten, still und lauernd.
Ziemlich exakt diesen Eindruck hinterlässt Under My Skin bei mir, genau solche Gefühle löst er aus. Überflüssig zu erwähnen – ich muss ihn haben, muss, muss, muss. Ist mir einmal wieder gut gelungen, mich selbst beim Schreiben anzufixen. Sollte jemand von Euch ein Pröbchen bestellen und mir die Schuld geben – ich war zuerst dran und habe die volle Flasche gerade geordert bei unseren Damen …
Ich nehme an, dass auch diese Randnotiz unnötig ist – Under My Skin ist kein Damenduft im eigentlichen Sinne, er kann auch von den Herren der Schöpfung getragen werden.
… mittlerweile habe ich fast ein bisschen Angst vor dem letzten Artikel im Bunde, der am Freitag folgt – Sex and the Sea.
Bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
P.S.: Ach ja, ich wollte noch zitieren, und zwar aus dem Fragrantica-Thread. FilthyLiar schreibt dort: „Under My Skin is the most extraordinary and delicious scent I’ve ever had the pleasure of sniffing. […] I want to lick and chew my own wrist off entirely. It’s that wonderful. […] Under My Skin is a thick luscious oil painting. I simply could not love this sweet-and-salty perfume any more. It smells like sex and dirty knickers and empty cake tins and vintage leather jackets and sweat and happiness.“ Oder thebeck, der Threadstarter, genauso head over heels in love: „It’s that good! […] Don’t think of Under My Skin as a perfume. It’s more akin to optimizing your PH balance and renewing your skin. People will think you smell good, but won’t ask what your wearing because it doesn’t smell like typical perfume. Apply lightly and just let it just become a part of you. Weird statement – but you’ll understand once you sample it. A chance to let it all go and smell like your alter ego. Maybe a visual will help. These leather seats rubbed with the best floral scented powder and a wee bit of human scent left behind after a couple of fast laps around the race track. Of course the driver would be that person you lust after, or just fantasize about during those private moments.“
Neugierig, meine Lieben? Ich wäre wirklich brennend gespannt auf Euer Feedback zum Duft!
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