…das vor nicht allzu langer Zeit seinen Einzug bei uns im Shop gehalten hat. Die Marke Ella K der bei Givaudan tätigen französischen Parfumeurin Sonia Constant wurde 2017 gegründet und hatte letzte Woche im Blog ihren Auftakt – falls Ihr diesen verpasst habt, lest hier. Heute geht es weiter mit zweien der insgesamt acht Düfte umfassenden Kollektion, und zwar mit Poème de Sagano und mit Pluie sur Ha Long.
Im Herzen des Bambuswalds – Poème de Sagano
„Gedicht von Sagano – die Bambusplantage Arashiyama liegt im Nordwesten von Kyoto und verläuft von Ost nach West entlang eines Waldes aus riesigen Bambusbäumen. Die Luft rauscht zart zwischen den Bäumen hindurch, sodass diese sich mit dem Wind bewegen. Sonnenstrahlen erleuchten die Bambusse und hinterlassen in mir eine beeindruckende Erinnerung.
„Um dieses Gefühl der Luft und das Leuchten des Grüns widerzuspiegeln, arbeitete ich an einem Akkord von Matcha-Tee, fein geschnittenen Shiso-Blättern, Nanaminze, Schwarzen Johannisbeerblättern und einem transparenten, blumigen Hauch. Ich übersetzte die Sonnenstrahlen durch eine Kombination von Hesperiden, leuchtender Yuzu und einer Essenz aus Bergamotteöl. Diese hat eine unvergleichliche Qualität, die alle Facetten der Frucht zum Vorschein bringen; von der Schale bis hin zum Saft.“ – Sonia Constant
Der Duft verfliegt langsam und hinterlässt eine lebhafte, sinnliche Basis aus weißen Hölzern und Moschus auf der Haut. Eine geheime Begegnung zwischen Himmel und Erde. Die duftenden organischen Noten von Bambus, Matcha-Tee, Yuzu, Bergamotte und Shisoblättern verschmelzen mit der Brise, die durch die Wälder raschelt, und den Sonnenstrahlen, die durch ihre sanft schwankenden Äste strömen. Die Frische bleibt erhalten, wenn der Tag sich in die Nacht verwandelt.“
Die Ingredienzen: Tee, Bambus, Zitrische Noten, Bergamotte, Grapefruit, Yuzu, Minze, Eukalyptus
Poème de Saganos Inspirationsquelle ist also Arashiyama, der berühmte Bambuswald in der Nähe der einstigen japanischen Hauptstadt Kyōto auf der Insel Honshū. Kyōto kann ohne Zweifel als eine der bedeutendsten Städte wenn nicht die bedeutendste Stadt Japans gesehen werden, was vor allem an der historischen und kulturellen Bedeutung liegt, die der Stadt zukommt. Von 794 bis 1868 war Kyōto Sitz des kaiserlichen Hofes, laut Wiki wurden dort „14 Tempel und Shintō-Schreine […] zusammen mit drei anderen in den benachbarten Städten Uji und Ōtsu 1994 zum UNESCO-Welterbe Historisches Kyōto (Kyōto, Uji und Ōtsu) erklärt“ – berühmt sind vor allem diverse Gebäude aus Kaiserzeiten, Tempel, Schreine, einige Burgen und Burgruinen, der Philosophenweg und besagter Bambuswald von Arashiyama. Interessant ist auch folgender Aspekt, Zitat Wiki:
„Kyōto hat den Stellenwert des kulturellen Zentrums von Japan. Von den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs wurde Kyōto als eine von wenigen Städten bewusst verschont. Dadurch ist es mit seinen 1600 buddhistischen Tempeln, 400 Shintō-Schreinen, Palästen und Gärten eine der besterhaltenen Städte Japans. In der Neuzeit kam eine Reihe von Museen wie das Nationalmuseum Kyōto und das National Museum of Modern Art Kyōto dazu. Eine ganze Reihe der berühmtesten Bauwerke Japans befinden sich in Kyōto, und viele davon wurden 1994 von der UNESCO zum Welterbe erklärt. Dadurch ist Kyōto das beliebteste Touristenziel Japans.“
Mir war das nicht bewusst, dass man Kyōto im Krieg „schonte“ – dazu habe ich kurz recherchiert: es scheint wohl in der Tat so gewesen zu sein auf Betreiben von Kunsthistorikern und ähnlichen Geisteswissenschaftlern sowie Japanophilen. Vor allem geht diese Entscheidung allerdings auf Henry L. Stimson, der zweimalig Kriegsminister der USA war, so auch zu Zeiten des Pazifikkrieges, in den die USA Ende 1941 eintraten:
„Auf Drängen Stimsons wurde 1945 die alte japanische Kaiserstadt Kyōto, die er einst selbst besucht hatte und um deren Bedeutung als kulturelles Zentrum Japans er wusste, von der Liste der Ziele für die Atombombenabwürfe gestrichen. Stattdessen wurde Nagasaki in die Liste eingefügt.“
Kommen wir zurück zum Bambuswald, zu Arashiyama, der auch Sagano Chikurin genannt wird – die Erklärung zum Namen unseres Duftes. Es gibt ganz herrliche Aufnahmen, sowohl Fotos als auch Videos, die dessen Schönheit illustrieren, sollte man den Ort noch nicht selbst in Augenschein genommen haben, was auf mich leider auch zutrifft. Hier eine schöne Bildserie auf einem privaten Blog, darüber hinaus ein Video:
Constant verwendet außer Bambus die Trendzutat Matcha-Tee, die einige von Euch vielleicht vom Vorzeigeveganger Hildmann als Superfood kennen, darüber hinaus Minze und Shiso, auch Perilla genannt, das mir bereits wenige Male positiv in Düften aufgefallen ist, es wird leider selten verwendet (Aftelier Shiso, Nomenclature shi_sõ, von Roger & Gallet gibt es ebenfalls einen Duft, darüber hinaus findet sich Shiso in Terre d’Hermès sowie in Baobabs Duftkerze Orange River – da verließen sie ihn schon wieder, mehr fällt mir auf Anhieb nicht ein). Vor allem Afteliers Duft habe ich in überaus positiver Erinnerung und meine, dass darin diese grün-aromatisch-metallische Note der Shiso-Blätter recht prägnant war – wir werden sehen, wie es sich in Poème de Sagano darstellt …
Das allererste, was meine Nase empfängt, sind Zitrusfrüchte, genauer – Yuzu. Eine spritzig-frische, prickelnde Yuzunote – auch hier ein Hesperidenfrüchtchen, das man genau wie Limette etwas häufiger verwenden könnte in Anbetracht der olfaktorischen Omnipräsenz von Bergamotte und Co., hier täte ein bisschen Abwechslung im Allgemeinen wirklich gut. Während ich noch schwelge in der exotisch-zitrischen Ausnahmeerscheinung zeigt sich alsbald das Grün, welches das eigentliche Naturell des Duftes ausmacht: ein minzig-frisches, leise metallisch schillerndes, sattes Mittelgrün, gleichermaßen luftig-kühl wie dämpfig und leise erdig tönend. Eukalyptus und Minze im Doppelpack ergeben, das könnt Ihr Euch vielleicht schon denken, eine ausgeprägt mentholische Frische, die von der säuerlichen Saftigkeit der Grapefruit perfekt austariert wird. Letztere salzt sanft in die gewächshausartige Dämpfigkeit hinein, die kühle, aber dennoch dichte Grünheit des Duftes aufbrechend wie die Strahlen der Sonne, die sich durch das Bambusdickicht ihren Weg bahnen, sacht untermalt von der seidigen, subtil süßen Weichheit von Teenoten.
Poème de Sagano ist seines Charakters nach ein Immergeher für beiderlei Geschlechter, wobei er in den wärmeren Jahreszeiten gewinnt, weil er dann deutlich besser zum Tragen kommt, im wahrsten Sinne des Wortes. Seine grüne Frische dürfte Liebhabern von Minzdüften, von authentischem olfaktorischenm Grün gefallen – ich denke da beispielse an Heeleys Menthe Fraîche, Miller et Bertaux No. 3, Papyrus de Ciane No. 24 von Parfumerie Générale (wobei der deutlich opulenter ist auf eine Art mit seinen chyprierten Anklängen), Guerlains Herba Fresca und ähnliche.
Die Bucht des Drachen – Pluie sur Ha Long
„Regen über Halong. Im Norden Vietnams, die Erinnerung an das langsame Schaukeln und meine Hand, die sich im Wasser bewegt. Die grünen, blumigen Gerüche des Monsuns in der Ferne. Ich übersetzte das Thema des Wassers in der Bucht mit einem Lotus-, Magnolien- und Alpenveilchenakkord und den Regen in einen scharfen, Akkord aus Rhabarber und roten Beeren. Ich reflektierte die schwere, feuchte Luft durch grüne, pflanzliche Noten, die durch Akigalawood verstärkt wurden.“ – Sonia Constant
Die Sinnlichkeit des tropischen Regens. Die hohe Luftfeuchtigkeit in der Halong-Bucht. Kristallklares Wasser mit lebhaften Akzenten von roten Beeren und Rhabarber. In der Ferne, in Ufernähe, ragt der Monsun am Horizont hervor, verkörpert durch den grünen Duft von Neroli, während die blumigen Noten von Magnolie aus dem warmen Land aufsteigen. Eine Wolke aus Moschus und weißem Moos umgibt den Horizont.“
Die Ingredienzen: Nymphaea (Seerose), Lotosblüte, Alpenveilchen, Rote Beeren, Rhabarber, Neroli, Magnolie, Moschus, Moos
Pluie sur Ha Long, Regen über Halong – mit diesem Duft zitiert Constant wieder einen ziemlich einmaligen Ort, die Halong-Bucht oder auch Vịnh Hạ Long, die vielleicht der sehenswerteste Ort Vietnams ist. Im Norden von Vietnam gelegen in der Provinz Tonkin erstreckt sich das Gebiet über circa 1500 Quadratkilometer Küstenstreifen, der sich auf einem (leider langsam sinkenden) Kalksteinplateau befindet. Offiziellen Angaben zufolge findet man dort 1969 Kalkfelsen, die zum Teil mehrere Hundert Meter hoch aus dem Wasser ragen und Felsen als auch (zumeist unbewohnte) Inseln bilden. Halong ist, wie zu erwarten war, UNESCO-Weltkulturerbe. Der Name der Bucht geht auf die mythologische Entstehungsgeschichte zurück, Wiki fasst zusammen:
„Der Name Vịnh Hạ Long (Hán Nôm: 泳下龍) bedeutet „Bucht des untertauchenden Drachen“ im Gegensatz zu Thang Long (aufsteigender Drache, dem alten Namen von Hanoi). Der Legende nach entstand die Bucht durch einen Drachen, der nahe am Meer in den Bergen lebte. Als er zur Küste lief, zog er mit seinem Schwanz tiefe Furchen in das Land, das vom Meer überflutet wurde, nachdem der Drache ins Wasser abgetaucht war.“
Ich konnte es nicht länger erwarten, Pluie sur Ha Long ist bereits auf meiner Haut gelandet – und gefällt mir ausnehmend gut. In allererster Linie haben wir es hier mit einem rhabarbergeküssten Bouquet „wässriger“ Blüten zu tun, wie ich es gerne nenne, wenn die Rede von Lotos, Seerose, ferner auch Magnolie oder Freesie die Rede ist. Jenen Blüten, die immer auf eine Weise duften, als würde man sie direkt durch’s Wasser riechen. Als würden sie auf der Oberfläche eines Sees schwimmen. Nicht taubenetzt, auch nicht aquatisch oder maritim, aber „wässrig“, wässrig eben. Frisch, floral, von einer sanft-seidigen Süße, in Falle von Pluie sur Ha Long in Kombination mit einer zarten Cremigkeit und kombiniert mit der eigen- wie einzigartigen herb-säuerlichen Fruchtigkeit meines melancholischen Lieblingsgemüses Rhabarber. Rote Beeren? Weder auf meiner Haut noch auf dem Teststreifen kann ich sie eindeutig identifizieren. Sicherlich, im Kielwasser des Rhabarber könnten ein paar Johannisbeeren mitschwimmen, aber ich kann ehrlicherweise keine Beere deutlich erkennen. Macht mir überhaupt nichts aus, denn mir gefällt der Regen über Halong auch ohne überaus gut. Rhabarber und Magnolie auf einem taubenetzten Moosbett – ein femininer Understatement-Duft, sehr sehr schön.
Halbzeit – die ersten vier Düfte der Ella K-Kollektion haben wir jetzt schon zusammen angesehen, die anderen folgen die restliche Woche. Ich bin bisher äußerst angetan von dem Stil Constants, ihrem feinen olfaktorischen Pinselstrich, und hoffe, dass das so weitergeht.
Bis dahin alles Liebe und viele Grüße
Eure Ulrike
Pluie sur Ha Long wird sicher einer meiner Lieblingssommerdüfte werden. „Maritime“ Düfte sind absolut nicht meins, aber es ist genauso, wie Du schreibst: Der Duft ist auch für mich nicht aquatisch, sondern ja – „wässrig“ eben. Ich weiß genau, was Du meinst! Mich erinnert Pluie sur Ha Long sehr an eine viel edlere und weniger laute Version von L´ímpératrice und auch etwas an Acqua di Gio, Annayakes Natsumi und entfernt an Moorea. Alles Düfte, die ich im Sommer sehr gerne trage.
Beeren rieche ich auch nicht, aber sehr deutlich den Rhabarber. Und auch wenn ich Rhabarber nicht so sehr mag, wirkt er in diesem Duft so frisch-fruchtig-saftig, dass man sofort Lust darauf bekommt.
Huhuu liebe Birgit,
Dein neuer Sommerliebing? Kann ich gut verstehen, eine exzellente Wahl 🙂 Die Ähnlichkeit beziehungsweise Assoziation/en hinsichtlich der von Dir genannten Düfte sind für mich auch nachvollziehbar – nur an Natsumi kann ich mich momentan gar nicht entsinnen, muss ich wohl demnächst mal wieder testen, wenn ich ihn sehe 🙂 … was stehen denn für sonstige/andere Sommerlieblinge neben Pluie sur Ha Long?
Viele herzliche Grüße
Uli