… nehme ich heute und morgen für Euch unter die Lupe beziehungsweise die Nase – kurz und knackig sind an der Reihe: Calé Fragranze d’Autore Sottosopra, Comptoir Sud Pacifique Eau de Biarritz, das neue Korres-Water-Duo sowie White Peaches von Shay & Blue. Hört sich nach Frühling an? Yep! Der steht uns auch hofffentlich bald ins Haus – vielleicht seid Ihr ja auch schon so winter- bzw. aschenbecherwettermüde wie ich? Hier hat es vor zwei Tagen noch kurz gehagelt … wäre mal an der Zeit, dass es schlussendlich wärmer wird. Zumindest blühen schon fleißig die ersten Blümchen im hauseigenen Garten – für mich Premiere 🙂 Jetzt schauen wir aber, was uns mit den heutigen Düften so alles blüht!
Kreatives Chaos – Calé Fragranze d’Autore Sottosopra
Bestätigung, Schwindel und unerwartete neue Horizonte. Sottosopra nimmt Sie mit auf einen Weg, auf dem Sie sich auf halber Strecke unerwartet auf dem Kopf wiederfinden und der Sie am Ende zurück zum Ausgangspunkt bringt. Der Raum birgt neue Dynamiken und enthüllt andere und neue Dimensionen. Langsam verschwinden die gewohnten Anhaltspunkte und scheinen frei zu schweben, der Freiheitssinn entfaltet sich immer mehr und lässt Sie einen Überfluss fühlen, der an Schwindel grenzt, um dann neue und wohlige Duftgeometrien zu offenbaren. Die Sehnsucht nach Leichtigkeit und absoluter Unabhängigkeit. Konventionen können sich verändern mit überraschenden und fröhlich störenden Ergebnissen.
„Sie finden sich plötzlich auf dem Kopf wieder und fühlen sich dabei wohl. Beruhigende prickelnde Zitrusnoten und Minze versetzen Sie in einen unbestimmten und unerwarteten Raum, wo Sie sich verirren können und dann einen sicheren Hafen finden, der aus Weihrauch und Hölzern gemacht ist – ungewöhnlich und einladend.“ – Silvio Levi
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Zitrone, Bergamotte, Minze, Pflaume, Erdbeere
Herznote: Jasmin, Maiglöckchen, Maritime Noten
Basisnote: Patchouli, Vetiver, Moschus, Weihrauch, Leder, Ambra, Weißer Moschus
Parfumeur: Arturetto Landi
Sottosopra – mein rudimentäres Italienisch hat mich dabei etwas im Stich gelassen, aber zumindest schon eine Ahnung vermittelt: „Drunter und drüber“, so in etwa lässt sich der Begriff übersetzen, oder auch „Durcheinander“. Wie war das noch bei Nietzsches Zarathustra? „Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ Oder auch: „Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung zu bringen“ – Adorno in seiner Minima Moralia. Chaos ist nicht immer schlecht, ganz im Gegenteil – also nichts wie ab auf die Haut mit dem olfaktorischen Treiben!
Ich fühle mich bei einem Blick auf die Ingredienzen an einen Duft von Miller Harris erinnert, ich meine an ihren Cœur de Fleur – nicht, weil sich die Zutaten gleichen, nein, weil sie auf den ersten Blick tatsächlich willkürlich gewählt erscheinen, wie wild zusammengeworfen. Bei Lyn Harris hatte das den Hintergrund, dass sie besagten Duft wohl während ihrer Schwangerschaft schuf, was man von Silvio Levi, dem Markeneigner von Calé Fragranze d’Autore genauso wenig annehmen kann wie von seinem Parfumeur Landi 😉
Sottosopra ist, das kann ich von vornherein sagen, gar nicht so ein olfaktorisches Chaos, wie man vielleicht annehmen möchte. In allererster Linie haben wir es mit einem zitrisch-holzigen Duft zu tun, der absolut unisex ist, aber einen Tacken mehr in Richtung Männerwelt zeigt. Auf meiner Haut ist ein salziger, zart-rauchiger Vetiver überaus präsent, der mich an einige Düfte denken lässt, die ich liebe – Sycomore von Chanel unter anderem, ferner vielleicht auch The Different Companys Sél de Vetiver (den ich momentan nicht vergleichen kann, weil mir mein Restbestand gekippt ist, heul – Notiz an mich: muss für den Sommer nachgekauft werden, muss). Pfefferminze schluckt meine Haut in Gänze, das gestaltet sich auf dem Teststreifen anders: dort kommt vor allem Minzfrische zum tragen, sacht gesalzen dank des Vetivers und zitrisch-frisch-prickelnd angehaucht. Eine leise Brise weht, maritime Anklänge, die niemals aquatisch tönen, viel eher von grün-aromatischem Treibgut künden – das gestaltet sich auf Haut wie Papier sehr ähnlich. Das Papierchen tendiert im weiteren Verlauf in eine sehr ähnliche Richtung wie meine Haut, offenbart, je länger der Duft sich entwickelt, die gleiche herbe Vetiverlastigkeit. Dafür geht dem Streifen das Leder ab, das subtil über meinen Arm schleicht. Warm geht es nicht zu bei Sottosopra – und die Fruchtnoten erkenne ich, wenn überhaupt, dann nur irgendwo eingebettet in dem restlichen Duftgetümmel, nehme aber weder Pflaume (die ich, wie eingefleischte Leser wissen, sehr gerne mag) noch Beeren wahr. Macht aber nichts – Sottosopra ist trotzdem schön. Ein Ganzjahresduft und Immergeher, der sich bei wärmeren Temperaturen von seiner besten Seite zeigen wird, allen voran im Frühsommer.
Florale Liebesgrüße aus dem Seebad – Comptoir Sud Pacifique Eau de Biarritz
„Eine emotionale Reise in ferne Länder. Kleine Fluchten aus dem Alltäglichen. Träume von Wärme und Abenteuer. Die klassische Kollektion Eaux de Voyage wird 2019 um neue Düfte ergänzt … Dieses Eau de Toilette ist eine entzückende Mischung aus Freude und maritimen Noten, die durch die Blüten hervorgehoben werden. Eine verführerische Intensität, kühn, die an sonnige Tage in Biarritz erinnert. Dieser Duft wird durch die Qualität seiner Inhaltsstoffe absolut spritzig und einzigartig.“
Die Ingredienzen:
Kopfnote: Bergamotte, Ylang-Ylang, Rose
Herznote: Maritime Noten, Magnolie, Tonkabohne
Basisnote: Benzoeharz, Sandelholz
Parfumeur: Henri Bergia
Es ist kompliziert – was normalerweise gerne mal den Beziehungsstatus von Menschen in sozialen Medien bezeichnet, kann ich von mir behaupten hinsichtlich meines Kenntnisstandes der unterschiedlichen Linien bzw. Unterkollektion von Comptoir Sud Pacifique. Die Marke ist schon sehr lange am Markt, ich erinnere mich noch daran, dass sie schon als ich selbst in die Nische „gefallen“ bin erhältlich war. Seitdem gab es (mindestens) einen Relaunch in Form eines neuen Packagings, was der optischen und haptischen Wertigkeit der Düfte wirklich gut getan hat. Trotzdem steige ich, was die einzelnen Unterkollektionen angeht, aktuell nicht ganz durch. Ein Blick auf die Seite der Franzosen hilft: vier gibt es. Collection Anthologie, Collection Eaux de Voyage, Collection Jardins Pop und Collection Voyages en Orient heißen sie, die Duftkollektionen, darüber hinaus gibt es selbstredend noch Körperpflegeprodukte, Raumdüfte und dergleichen.
Die Collection Anthologie umfasst lediglich zwei (?) Düfte, beide Klassiker des Hauses. In der Jardins Pop-Collection finden sich bisher vier vornehmlich zitrische Düfte. Die beiden anderen Kollektionen, Voyages en Orient als auch Eaux de Voyage sind beide, wie der Name schon vermuten lässt, Reisen, Reiseerinnerungen gewidmet und/oder olfaktorische Reisen – hier finden sich neuere Kreationen, gerne auch mal mit Oud (Voyages en Orient, war klar), sowie altbekannte und -bewährte Schöpfungen als auch neue Lancierungen (siehe Eaux de Voyage). Jetzt, wo ich schlauer bin, können wir uns tatkräftig dem Neuling widmen 😉
Eau de Biarritz gehört, wie eben schon erwähnt, in die Collection Eaux de Voyage – der Name deutet ja bereits darauf hin. Und weckt Urlaubssehnsüchte, obschon ich noch nie vor Ort war. Ich würde aber gerne mal. Biarritz liegt im französischen Baskenland, genauer an der südwestlichen Küste im Arrondissement Bayonne, kurz vor Spanien. Ich habe es schon seit Jahren vor, dort einmal hinzufahren, lebt dort doch mittlerweile eine alte Bekannte von mir, die ich im Rahmen eines Schüleraustauschs auf der Schule kennengelernt und über die sozialen Medien wiedergefunden habe. Biarritz ist See- und Heilbad vor Bergkulisse, was einen Teil des rauen Charmes ausmacht, den man dem Ort nachsagt. Die Gründungslegende gibt es zusammengefasst bei Wikipedia:
„An der Küste leben einige Basken ärmlich vom Fischfang. Das schöne junge Mädchen Miarritze hat einen Traum: Gott verspricht ihr, die Seele seines Dieners Martin in ihr entlegenes Land zu schicken. Er werde als bunter Vogel erscheinen, der einen Fisch mit goldenen Schuppen im Schnabel trägt, als Zeichen des Reichtums, der den armen Leuten an der Küste geschenkt werde. Die Bewohner finden einige Tage später tatsächlich einen Eisvogel (frz. Martin-pêcheur, „Martinsfischer“). Durch Miarritze veranlasst, bauen sie Schiffe, um auf Walfang zu gehen. Eines Tages strandet ein Schiff, Miarritze nimmt die Seefahrer, die sich Biarrins nennen und aus der Gascogne kommen, auf. Sie wird die Frau des Anführers und daraus entsteht der Name der Stadt Biarritz.“
Bis ins 19. Jahrhundert lebten in Biarritz kaum mehr als zweihundert Menschen, und das überwiegend vom Fisch-, mitunter auch Walfang (bis man die dort lebenden Wale ausgerottet hatte – haben sie dort früher geschafft als man eventuell denkt, bereits im 17. Jahrhundert war es das dort gewesen mit dem Walfang). Dann allerdings urlaubte Eugénie de Montijo, besser bekannt als Kaiserin Eugénie dort, ihres Zeichens Ehefrau von Napoléon III. (ja, genau, dem Napoleon) und letzte Monarchin Frankreichs. Zwei Monate war sie wohl vor Ort – das reichte ihrem Gemahl, um ihr dort ein „Häuschen“ zu bauen, das die beiden fortan als Sommerresidenz nutzten. Ein Kaiser oder besser: Blaublüter kommt selten allein – der Umstand, dass die beiden dort in schöner Regelmäßigkeit Mußestunden verbrachten, reichte aus, um anderen Adel aus Resteuropa anzulocken und es tummelten sich dort bald diverse Könige, englische Lords sowie portugiesische als auch spanische Adlige, auch Kaiserin Elisabeth, besser bekannt als Sisi, suchte dort Entspannung und Erholung. Die mondänen Zeiten von Biarritz hielten an bis in die Sechzigerjahre, unter anderem war der Ort in den Zwanzigern auch eine der Hauptstädte des Charlestons. Später etablierte er sich als einer der Hotspots für Surfer, wobei heute laut Wiki und anderen auch viel Kongresstourismus dort betrieben wird.
Auf diesem Bild seht Ihr auch das zurückhaltend-unprätentiöse Feriendomizil von Napoleon und seiner Eugenie – das Palais de L’Impératrice, den Palast der Herrscherin. Heute ist dort ein Hotel untergebracht, das Hôtel du Palais. Eine weitere architektonische als auch historische Perle ist die Villa Belza oder auch Beltza, über die man bei Wiki Folgendes lesen kann:
„Das Gebäude ist ein Werk des Architekten Alphonse Bertrand, der es von 1880 bis 1895 für Ange du Fresnay erbaute, zu Ehren seiner Gattin Marie-Belza (geb. Dubreuil). Das Gebäude krönt den Felsen rocher du Cachaous. Nachdem es in den Goldenen Zwanzigern ein Cabaret und ein russisches Restaurant für einen Schwager von Igor Stravinsky beherbergte, wurde es mit der Zeit zum „letzten Zufluchtsort der unverbesserlichen Lebemänner“. In den Salons der Villa Belza tanzte man Charleston bis zum Morgengrauen. Heute ist die Villa Belza mehr oder minder gelungen restauriert und hat dadurch viel von ihrem Charme verloren, und es ist ein Hotel in der Villa untergebracht.“
Ich habe leider nur dieses Bild für Euch gefunden, bei Google gibt es etliche mehr – ein beeindruckendes „Haus“. Und in Anbetracht der Geschichte fragt man sich, wer sich da schon wild auf den Füßen rumgetanzt hat 😉
Auch wenn das Baskenland (beide Teile, der französische als auch der spanische) eine vielgestaltige Flora und Fauna vorweisen kann, orientieren sich die Ingredienzen von Comptoir Sud Pacifiques Eau de Biarritz sicherlich eher an dem Geist, der das ehemals so mondäne Seebad umweht, an seiner lebhaften Vergangenheit, den vermutlich exzessiven Festen, bei denen viel (Charleston) getanzt wurde … Eau de Biarritz ist ein moderner, zeitgemäßer Damenduft, und dennoch atmet er eine Art Vintagecharme mit seinem pudrig-floralen Wesen. Ein zartes Bouquet jugendlich anmutender Blüten, dahingehaucht von einem pastelligen Aquarellpinselstrich, dem eine gewisse fruchtige sowie leise maritime Frische innewohnt. Cremig-pudrig umhüllt das Biarritzwasser mein Handgelenk, verströmt eine sachte Süße, die nie zuviel wird. Feminin, ja, sinnlich auch, aber nicht vordergründig, nicht „In your Face“ und deshalb meines Erachtens nach ganz entzückend.
Ein Vergleich mit anderen Düften fällt schwer. Eau de Biarritz ist zwar nicht vollkommen außergewöhnlich, er erfindet, man sieht es an den Ingredienzen, das Rad nicht komplett neu. Und dennoch ist er kein Dutzend-Duft. Er dürfte jenen Frauen gut gefallen, die zarte Blüten mögen, gerne auch mit besagten cremigen und/oder pudrigen Anklängen. Wer Keiko Mecheris Mihime mag oder Hanae, die Düfte von Narciso Rodriguez, der dürfte mit Eau de Biarritz sehr gut aufgehoben sein.
Morgen geht es weiter mit Korres und Shay & Blue – bis dahin alles Liebe und einen schönen, hoffentlich einigermaßen sonnigen Tag wünscht Euch
Eure Ulrike
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