Unser letzter Duft aus der Les-Extravagantes-Kollektion von Parfums de Rosine hört auf den vielversprechenden Namen Vanille Paradoxe. Der vanillige Appendix „paradox“, so sagt uns Freund Duden, hat zweierlei Bedeutungen: Im Bildungssprachlichen steht es für „einen (scheinbar) unauflöslichen Widerspruch in sich enthaltend; widersinnig, widersprüchlich“, im Umgangsprachlichen für „sehr merkwürdig; ganz und gar abwegig, unsinnig“.
Welchen Jargon wir auch immer diesem Duft zugrunde legen, die Vanille dieser Parfums-de-Rosine-Kreation scheint ungewöhnlich zu sein. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, vermag ich ad hoc nicht zu beurteilen. Ab vom Mainstream ist ja meistens nicht schlecht, aber der Grat zwischen „Oho, das habe ich jetzt so noch nicht erlebt. Coole Sache!“ und „Oho, da ist aber einer ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen!“ kann mitunter sehr schmal sein. 😉
Parfums de Rosine – Vanille Paradoxe
Delphine Lebeau-Krowiakj durfte sich nicht nur bei der Kreation des Nicht-08/15-Grünschnäbelchens Éloge du Vert austoben, auch für Vanille Paradoxe wurde die parfumsschaffende Dame verpflichtet. Und ganz im Sinne des Erfinders sind die Ingredienzien dieser andersartigen Vanille, nun ja, außergewöhnlich: Wacholder, Rosmarin, Grapefruit, Rose, Angelika (Engelwurz), Kardamom, Zedernholz, Vanille, Moschus und Ambroxan.
Vanille Paradoxe verströmt eine aromatische Note, die „Bourbon-Rosen“ ausdrückt, Rosen, die gewöhnlich Vanilleplantagen auf der Insel Réunion im Indischen Ozean eingrenzten. Der von Delphine Lebeau kreierte Duft erscheint plötzlich, drückt überbordende Frische aus und bewahrt zugleich den ungezähmten Aspekt der Vanilleschote.
Dieser eher komplexe Duft fesselt sogleich und vermischt frischen Rosmarin und Gin-Wacholder-Noten, untermalt von der Spritzigkeit der Grapefruit. Diese frische Note bringt uns zum Herzen des Dufts. Hier finden wir pikante grüne Angelika und pfeffrig-wilden Kardamom. Dann erscheint eine reine Rose, fleischig, honigsüß und rosa, um das Herz weich zu machen. Die Basisnoten drücken den wahren, süßen und kraftvollen Duft der Vanilleschoten aus. Ambroxan fügt eine Moschusfacette hinzu, verstärkt durch Tabak.
Es ist ein überraschendes Paradoxon, dass die Vanille so dauerhaft und frisch ist. Vanille Paradoxe ist ein Parfum für all jene, die Abenteuern gegenüber aufgeschlossen sind und die wundervolle Entdeckungen lieben!
Crazy Vanillchen
Fürwahr, diese Vanille hat es in sich. Den Auftakt erobern neben der samtig-weichen Protagonistin knarzig-kräuteriger Rosmarin und – Stößchen! – leckerste Ginnoten. Wacholder in seiner schönsten Form, möchte man fast sagen. Endlich ergibt das Leben einen Gin! Halleluja! Bin ich etwa schon am frühen Morgen beschicktert von dieser ungewöhnlichen Kreation, die fast schon wie ein neuartiger Longdrink daherkommt? Nach jahrelanger durch Schwangerschaft und Stillzeit bedingter Abstinenz reicht für mich wahrscheinlich schon dieser olfaktorische Drink für einen gepflegten Schwips. 😉
Harzig, würzig, ja beinahe koniferig duftet es mir in herzlichstem Rosmarinnadelgrün und köstlichstem Wacholdergin entgegen. Grapefruit sorgt im Hintergrund für spritzig-herbe Akzente in leuchtendem Pink. Zart-florale Noten durchfluten Vanille Paradoxe mit strahlender, unaufdringlicher Süße. Kardamom, ach, was soll ich sagen? Dunkelgrüner würziger Kardamom schenkt Vanille Paradoxe zusätzliche Ecken und Kanten und Schärfe. Im Mittelpunkt steht von Anfang an eine wunderschöne und himmlisch leckere Vanille, deren gewürzige Gourmandnoten so harmonisch, so weich, so samtig und luftig sind, das man meinen könnte, man ist in Vanillewunderland.
Der Ausklang wird profaner: Mit Moschus und Ambroxan findet das kostbare Gewürz von der madagassischen Nachbarinsel echte Kumpel. Gemeinsam zaubern sie dessertige Momente, Kuschelpuschel-Wattewölkchen und eben jene dufte Wohlfühlstimmung, für die die drei hinlänglich bekannt sind.
So ungewöhnlich sich Vanille Paradoxe in Auftakt und Herz zeigt, so besänftigt, ja fast schon normal ist der Duft im Ausklang. Aber vielleicht ist genau dieser Kontrast auch ein Teil eben jenes widersprüchlichen Gesamtkunstwerks aus dem Hause Parfums de Rosine, das Vanille Paradoxe auf jeden Fall ist. Eine derartige Kombination ist mir wahrlich noch nie untergekommen und findet sich nicht ohne Grund im Nischenduftbereich und nicht in irgendeiner Drogerie um die Ecke.
Diese Kombination aus Rosmarin, Wacholder, Grapefruit und Vanille, gespickt mit Rose und Angelika, verziert mit Zedernholz und Kardamom, gebettet auf Moschus und Ambroxan, ist einfach herrlich. Herrlich anders, herrlich erfrischend, herrlich stimmig trotz aller vorurteilsbehafteten Unstimmigkeitsprognosen und Stirnrunzelattacken beim ersten Lesen der Duftnoten.
Hoffentlich bleiben diese vier nicht die letzten der Les-Extravagantes-Kollektion, denn insbesondere die letzten beiden von Delphine Lebeau-Krowiakj, Éloge du Vert und Vanille Paradoxe, machen mir richtig Lust auf mehr. 🙂
Damit verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch eine schöne Restwoche.
Liebe Grüße
Stefffi
Schreibe den ersten Kommentar