Das ganze Sortiment von Parfum d’Empire habe ich mir dieser Tage komplett zusenden lassen als Pröbchen, liebevoll abgefüllt von unseren Damen im Shop. Warum? Weil ich anlässlich meines Jahresrückblicks 2018 einmal wieder über die Marke gestolpert bin und bemerken musste, dass es verdammt ruhig um sie geworden ist. So geht es häufig Häusern, die schon länger am Markt sind, denn normalerweise rückt immer in den Fokus, was neu ist, am besten komplett neu (und nicht nur: ein weiterer Duft von X). Dabei übersieht man oft, welche Perlen „ältere“ Labels vorzuweisen haben. Und manchmal entdeckt man, wenn man eine Marke nach Monaten oder erst recht Jahren erneut testet, neue alte Schätze. So unter anderem bei mir geschehen mit beispielsweise Iris Poudre von Frédéric Malle, der seit seiner „Wiederentdeckung“ meinerseits einen ewigen Platz in meiner All-Time-Favoriten-Liste besitzt, darüber hinaus Piguets Oud und Classic 1920 von BOIS 1920, siehe Jahresrückblick. Passiert Euch das auch öfters mal, die Duftliebe auf den zweiten Blick?
In jedem Fall habe ich neulich nach langer Zeit wieder Eau Suave von Parfum d’Empire getragen, den ich nach wie vor für einen wahnsinnig schönen Rosenchypre halte. Ich habe mich erinnert an all die Düfte der Marke, die ich zum Teil schon seit Jahren nicht mehr geschnuppert habe – und möchte sie mir zusammen mit Euch, für Euch erneut testen. Und bin gespannt: Habe ich sie richtig in Erinnerung? Entdecke ich vielleicht eine neue alte Liebe? Was taugt mein oder auch Harmens „Geschwätz von gestern“ in den alten Rezensionen? Ich bin gespannt – und Ihr hoffentlich auch 😉
Parfum d’Empire – Die Marke
Für diejenigen von Euch, denen Parfum d’Empire (noch?) fremd ist, möchte ich an dieser Stelle ein paar Hintergrundinformationen loswerden, kurz und knackig. Die Marke wurde gegründet von Marc-Antoine Corticchiato. Corticchiato ist Korse, wurde geboren in Marokko, wo er einen Teil seiner Kindheit aufwuchs, lebt aber heute wieder dort, wo seine Familie ihren Sitz hat – auf Korsika. Seine Karriere ist wie so oft eine „bunte“: Ursprünglich wollte er einmal Profireiter werden, entschied sich dann aber für ein Chemiestudium, dass er mit Doktorwürde abschloss. Darauf sattelte er ein weiteres Studium, und zwar an der Kaderschmiede der Parfumeure, an der Versailler ISIPCA, und gründete im Anschluss 2003 sein Label Parfum d’Empire. Sympathisch sieht er aus, findet Ihr auch? Ich kenne ihn nicht persönlich, auf den Messen ist er mir noch nie begegnet.
Sechzehn Düfte umfasst die Linie bisher, sieht man mal von Acqua di Scandola ab, der in Deutschland noch nicht verfügbar ist, sowie von dem Extrait zum „normalen“ Musc Tonkin als auch der Cologne-Variante von Eau de Gloire. Wir werden sie uns alle ansehen, mal mehr, und mal weniger ausführlich 🙂
Ambre Russe – Einer wie keiner …
Einer der ersten Düfte von Parfum d’Empire, vielleicht auch der erste? In jedem Fall ist er von 2003 und ich erinnere mich noch genau daran, dass er damals lange Zeit einen echten Kultstatus hatte in Foren etc.. Ambre Russe tauchte in so gut wie jeder Liste auf, wenn es um die schönsten Ambra-Düfte ging – und so habe ich ihn auch abgespeichert in meinem Hirn. Immer und immer wieder war ich kurz davor, ihn mir zu kaufen, hatte auch mal eine Abfüllung von einer Freundin hier stehen – einzig: ich bin kein solch großer Freund von Ambradüften auf meiner eigenen Haut, das hat dieses Vorhaben immer wieder zerschlagen. Nichtsdestoweniger habe ich ihn als Juwel in Erinnerung – und ihn 2011 hier im Blog so beschrieben (nebenbei bemerkt: damals war auch Winter und bitterkalt, so wie heuer):
„Bereits der Auftakt beschert mir einen halben Schwips, denn alkoholische Noten sind definitiv präsent und zeigen sich in lüsterner Umgebung: Honigsüße drängt sich mir entgegen vor dem Hintergrund brennender Bienenwachskerzen, die rußig vor sich hinflackern. Vorhang auf für den Ambra-Zaren: Kräftige Ambra, dunkel, majestätisch und trocken thront über allem, von Weihrauchschwaden harzig-trocken umhüllt. Mit deren Rauchigkeit eine Symbiose eingehend duftet der Tee hinein, bester russischer Schwarztee, auf einem Tablett feinsten Wildleders serviert. Jenes ruht auf einer weich-würzigen Vanillebasis, die von Gewürzen samt einer sehr sanften (und diesmal nicht schweißigen) Kuminnote vervollkommnet wird.
Ambre Russe ist – wie der Zar – ein Herrscher von Gottes Gnaden: Für mich persönlich der Holy Grail in Sachen Ambra. Ein großartiger Vollblutduft voller Phantasie, der mächtige Bilder zu evozieren vermag. Eigen, sinnlich, warm und charaktervoll und von einer erlesenen Präsenz.“
… vielleicht muss ich ihn doch haben, endlich, endgültig. Frisch aufgesprüht hat er dieselbe Wirkung wie seinerzeit, er ist einfach ein Ambergott. An was erinnert Ambre Russe mich sonst noch, heute, im Jahr 2019? In seiner Opulenz und mit seinen kokett gourmandigen Anklängen an Ambre Narguile von Hermès aus der Hermèssence-Kollektion, wobei er im Vergleich weit weniger gourmandig als vielmehr rauchig-ledrig-teeig ist. Exakt aus den gleichen Gründen fühle ich mich auch an Frapin erinnert – und auch in diesem Vergleich bleibt Ambre Russe der weniger gourmandige, wiederum aus denselben Gründen. Er ist auf eine Art auch düsterer, melancholischer, aber – warm, warmherzig, wundervoll. Einhüllend, beschützend, kraftvoll und markant. Überflüssig zu erwähnen – er steht sowohl Männern als auch Frauen. Für mich hat sich mein damaliger Eindruck bestätigt – mein Lieblings-Amber, der russische, ist immer noch so traumhaft, wie ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht bekommt er mich dieses Mal ja rum 😉
Fougère Bengale – lass den Tiger raus!
Dem bengalischen Fougère hat sich hier im Blog noch keiner angenommen, insofern opfere ich mich getreu dem Motto „One for the Team“, und zwar liebend gerne. Was ein Fougère ist, muss ich eingefleischten Parfumistas nicht erklären, dennoch kurz zur Erinnerung und/oder für diejenigen, die sich gerade in die Materie einarbeiten: Fougère-Düfte sind eine spezielle Duftfamilie, die namentlich auf Houbigants 1882 lancierten Fougère Royale (der königliche Farn) zurückgeht. Charakteristisch ist vor allem Cumarin (natürlich vorkommend in diversen Pflanzen), das vom Parfumeur Paul Parquet damals erstmalig in synthetischer Form in einem Duft eingesetzt wurde und nach frischem Gras, ferner nach Heu duftet. Dazu gesellen sich in der Regel Lavendel, Bergamotte (oder eine verwandte Zitrusfrucht), ferner häufig Geranium und vor allem auch Eichenmoos in der Basis.
Corticchiato bezeichnet Fougère Bengale als „sinnlichen, animalischen“ Tabakduft, ungezügelt und ungezähmt, für „abenteuerlustige Reisende (travellers – ergo im weiteren Sinne auch Lebenskünstler, Menschen, die das Leben in vollen Zügen zu atmen wissen)“, angesiedelt irgendwo zwischen englischem Barbershop und Assam-Tee-Plantagen. Edwardische Dandies dürfen in der Beschreibung selbstredend ebenfalls nicht fehlen – das Resultat: „FOUGÈRE BENGALE revisits the genre with a powerful, honeyed blond tobacco accord, and carries us off to India …“.
Ein weiteres Ergebnis – eine neue Duftliebe. Meine Güte ist der schön! Fougère Bengale funkelt wie ein Diamant, dürfte in diesem Fall aber eher „A man’s best friend“ sein, obschon er von Frauen ebenfalls getragen werden kann. Tee, Schwarztee, für mich auch Pfefferminztee (frisch gebrüht selbstredend) schwirren mir in die Nase genauso wie goldene Honignoten mit einer Spur Tier. Warm-würzig wirkt es darunter, bisweilen gewürzig-dumpf (auf eine positive Weise, überflüssig zu erwähnen), hier vermute oder erahne ich eine Prise Immortelle. Unser Tabak raucht selbstverständlich auch vor sich hin, „blond“ oder vielmehr hell und vanille- oder vielmehr tonkageküsst als auch mit einem Hauch Gingerbread versehen, das Corticchiato angekündigt hatte. Aromen von Heu, süßem, getrocknetem Kräuterheu und trockene, tiefgrüne Krautigkeit, „warm und wild“, ebenfalls wie versprochen und von einer latent unterschwellig vorhandenen pfeffrigen Schärfe, die wiederum genial und harmonisch von kakaopudrigem Patschuli kontrastiert wird.
Goutals Sable und Lutens Borneo 1834 zeugen ein Fougère-Wunschkind? So oder so ähnlich. Fougère Bengale lässt sich schlecht vergleichen, aber das dürfte eine Tendenz aufzeigen. In jedem Fall schafft er spielend das Wunderwerk, ein zugleich klassisch-traditionell anmutender als auch moderner und vor allem auch innovativer Duftzeitgenosse zu sein. Hach …
Corticchiato weckt den Tiger in mir, um beim Namen zu bleiben – ich freue mich jetzt schon darauf, mir die anderen Düfte der Marke hier anzusehen und sehe mich bestätigt darin, dass diese Entscheidung, einmal wieder „Oldies but Goldies“ hervorzukramen eine richtige war, wenn auch nicht notwendigerweise für mein Portemonnaie 😉
In diesem Sinne – ein schönes Wochenende Euch und viele liebe Grüße
Eure Ulrike, schwelgend.
Ich trage diesen Duft nun auch schon seit einigen Jahren und liebe ihn nach wie vor. Ich konnte nichts finden, was diesem Duft auch nur annähernd das Wasser reichen konnte!