… und es ist mir ein Anliegen, ihn dieses Jahr noch zu rezensieren – was wäre da nicht besser geeignet als die letzten Vorweihnachtstage, während denen hoffentlich bei Euch allen bereits Ruhe einkehrt?
Herr Kormann ist kein Unbekannter für regelmäßige Blogleser: Er hat schon eine beträchtliche Anzahl an Düften herausgebracht, die, wie ich meine, alle schon im Blog rezensiert wurden – seht hier im Duftverzeichnis. Erik ist Berliner und mit Sicherheit eine unserer Lieblings-Icken, wie man so schön sagt 😉 Er ist Autodidakt, betreibt mit seiner Lebensgefährtin Xenia Trost schon seit Jahren einen Seifenladen – 1001 Seife – und schreibt, mal mehr, mal weniger regelmäßig, das Aromatische Blog. Hier ist unter anderem eine ganze Menge zu seinen Düften, so auch zu Steampunk Aero zu lesen, weshalb ich mich heute einmal mehr dort bediene und zitieren werde.
Dieses Mal hat Eriks neuer Duft länger auf sich warten lassen:
„Es hat eine Weile gedauert. Um ehrlich zu sein, ein Jahr länger als geplant. Aber es gibt für mich zu viele andere, schöne Dinge, für die ich auch immer viel zu wenig Zeit habe, und dazu kamen und kommen jede Menge Unwegbarkeiten, die mir immer wieder den Spaß und den Mut raubten. Doch jetzt ist der zweite Steampunk fertig und natürlich freue ich mich riesig.“
Erik erzählt an anderer Stelle detaillierter über die Umstände und „Dinge“:
„Um ehrlich zu sein, ist die Idee die ursprüngliche Steampunk-Idee. Doch ich musste erst einige andere Dinge erledigen. Zum Beispiel musste ich unbedingt ganz alleine, nur in Begleitung/ der Gesellschaft eines Esels, 230 km durch Südfrankreich wandern. Ich musste erst wieder anfangen Musik zu machen und in einer Bigband Saxophon spielen. Ein neues Klavier war mir wichtiger als ein neuer Duft und die letzten Sturmtage haben mir klargemacht, wie gern ich Windsurfer bin.“
Und dennoch hat Herr Kormann noch Zeit gefunden, seinen Steampunk aero zu verwirklichen, was einiges an Herzblut, Gedanken, Zeit und Geld forderte:
„Um ehrlich zu sein, hatte ich zuerst gar keine Duftvorstellung, sondern nur das Bestreben einen Duft zu machen, der mich an gutes Wetter, Wolken, Wind, Segelfliegen, Windsurfen und die Gelassenheit einer kühlen Brise erinnert. Besonders das Segelfliegen, das hab ich auch gern gemacht, gab hier wohl den Ausschlag. Dazu hatte ich „Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ vor Augen: „Es gibt nichts, was ein deutscher Offizier nicht kann“. Und hoch und pieks mit der Pickelhaube in den Ballon, Luft raus und Absturz, Landung im Irgendwo und Irgendwann. Etwas Schwefel liegt in der Luft, die Sonne brennt heiß und der mutige Ballonfahrer (unser kleiner Steampunker) sucht ein Schattenplätzchen und eine kühle Erfrischung. Pling, da war die Duftidee, jetzt ein Glas selbstgemachten Holunderblütensirup. Lecker fruchtig, spritzig, süß und erfrischend. Bingo, gekauft, fertig, Board und Segel geschnappt, rauf aufˋs Wasser, der Rest fällt mir schon noch ein. Auf jeden Fall Labienoxime und massenhaft Hedion. Speichern im Langzeitgedächtnis nicht vergessen! Manchmal habe ich so viele Ideen gleichzeitig, da komme ich durcheinander. Das Tenorsaxophon muss zu Hanno Braun und wo verflucht ist die Seegrasfinne? […]
Lange habe ich überlegt, ob und wie ich diese Duftidee umsetzen könnte. Da war natürlich die Vorstellung von Holunderblüte, diese leichte Ahnung von Schwefel, Zitrusfrüchten und Muskatnuss, massenhaft Hedione und Moschus, einer unbestimmten Süße und verschiedenen Holznoten, die miteinander harmonieren – auf mein geliebtes Javanol konnte ich allerdings nicht verzichten. Es brauchte Koriander, Magnolan und Vetiverylacetat und natürlich und unbedingt Labienoxime. Jenen Stoff, ohne den es meiner Meinung nach keine richtige Holunderblütensirupnote (schönes, langes Wort) geben kann. […]
Es ist jener leichte, zarte Duft geworden, den ich mir vorgestellt hatte und es ist mir gelungen, das Labienoxime (Kopfnote) so einzusetzen, daß es sich nicht schon vor Benutzung verflüchtigt, oder, noch schlimmer, den ganzen Duft dominiert. Nur wie riecht Labienoxime? Für mich ist das Chemical immer eine Erinnerung an Holunderblütensirup. Diese blumig-fruchtige Mischung aus frischen Blüten, Zitronensäure, Zucker und Wasser. Ich mag den Geschmack und ich schnuppere auch sehr gern daran. Und mehr mag ich aus vielerlei Gründen nicht verraten. Zum einen ist das Wissen um den Inhalt nicht unbedingt wichtig und außerdem habe ich keine Lust auf wohlmeinende Ratschläge von Menschen, die irgendwie zu wissen meinen, die Ergebnisse meiner Arbeit wären Zufall. Im Gegenteil. Steampunk Aero ist ein ziemlich minimalistischer Duft und wieder habe ich ganz bewußt (also mit voller Absicht) auf Riechstoffe verzichtet, die hier und da eine Note verlängern, die einen Rohstoff unterstützen und Übergänge glätten. Ich mag das nicht. Mir geht es um die Erkennbarkeit einzelnen Stoffe und ich finde es schön, wenn sich Kopf, Herz und Basis trennen.
Zur Begrüßung gibt es also den bereits erwähnten Holunderblütensirup (zitronig, fruchtig, blumig und etwas süß). Die Herznote würde ich als zart-blumig beschreiben und in der Basis findet sich eine kühle Holznote. Wichtig war mir, dass der Duft von Kopf bis Basis leicht und flüchtig erscheint. Er sollte etwas Schwebendes haben und nicht wie ein Gewitter über mich hereinbrechen. Ein Bild, was ich oft vor Augen hatte, sind diese kleinen japanischen Glöckchen, an denen unten so ein dünnes Papierfähnchen hängt und wenn der Wind ein bischen stärker pustet, schwingt das Fähnchen und manchmal erklingt ein heller, hoher Ton, der an heißen Sommertagen für ein kühles Kribbeln im Nacken sorgt. Vielleicht so? Auf Stoff hält der Duft locker zwei, drei Tage und wer wissen möchte, warum das so ist, wer sich genauer für den Inhalt interessiert und wer vielleicht einfach nur neugierig ist, der kann gerne zu mir Kontakt aufnehmen. Auf jeden Fall wird es den Steampunk Aero nur in sehr begrenzter Stückzahl geben und wie es weitergeht werde ich bis zum Jahresende entscheiden. Bis dahin werde ich hoffentlich viel Windsurfen gehen können, Saxofon in der Bigband spielen und einige schöne Bücher lesen. Ohne diese Hobbys gäbe es auch keine Düfte von mir.“
Hier klingt bereits an, was Erik später noch im Blog veröffentlicht hat – dass Steampunk Aero der letzte Duft von ihm sein wird. Eine Entscheidung, die ich persönlich sehr sehr schade, aber nachvollziehbar finde vor dem Hintergrund, den Erik genauer erklärt:
„Die Entscheidung, kein weiteres Parfum zu produzieren, wurde mir letzte Woche ganz plötzlich abgenommen/ bzw. sehr leicht gemacht. Wirtschaftlichkeit geht vor (was ich verstehe und trotzdem traurig finde). Mir persönlich liegt mehr am Artenreichtum, weil er Abwechslung bietet und Vielfalt garantiert. Doch für große Firmen sind solche kleinen Projekte wie die meinen nicht lukrativ und je nach aktueller Firmenpolitik werden sie durchaus auch als Wachstumshemmnis betrachtet. Vor diesem Hintergrund bin ich natürlich froh und stolz, daß es überhaupt möglich war die vielen Düfte – No.7/JULI, No.8/AUGUST, No.9/SEPTEMBER, No.11/NOVEMBER und No.12/DEZEMBER, Eau de Fröhliche Mops/Kater/Rabe und den Steampunk (Taucher) – umzusetzen und auszumischen. Allein ein letztes Projekt hätte ich mir noch gewünscht. Zumal der Aero mich über eine sehr lange Zeit beschäftigt hat und ich den Duft sehr mag. Aber Geld regiert die Welt und wenn ich an die Preissteigerungen der letzten Jahre denke – unzählige ätherische Öle verdoppelten sich im Preis (Kardamom z.B. von unter 200 auf jetzt über 600, und so geht es fröhlich weiter) -, dann ist das Hobby kaum noch finanzierbar. Und weil man inzwischen auch in Ländern wie China und Indien auf Umweltschutz achtet und Qualitätsstandards einführt/ durchsetzt – was auch gut ist! – sind viele Rohstoffe/chemicals nicht mehr billig zu bekommen. Und, was viele auch nicht wissen, der BASF-Chemieunfall vom 31. Oktober 2017 in Ludwigshafen hat preistechnisch so richtig reingehauen. Der Großbrand hatte gravierende Auswirkungen auf alle Citral und Isoprenol basierenden Riechstoffe/ Geschmacksstoffe. Aber warum auch immer … auf jeden Fall habe ich keine Lust, die völlig durchgeknallten Preis für Kleinstmengen zu zahlen, die gern hier und da berechnet werden. […]
Die bisherigen Düfte haben hoffentlich Bestand, können mit etwas Glück weiterhin zu fairen Preisen ausgemischt werden, und der Steampunk aero (Montgolfiere) bleibt vorerst, in sehr kleinen Mengen und in unregelmäßigen Abständen, der letzte Duft von mir. Er wird sich noch ein ganz kleines bisschen verändern, die holzige Note in der Basis/ Vetiver wird betont, und er bekommt nun doch einen oder zwei Lichtschutzfilter verpasst. Denn stellt man so einen Duft für einige Zeit direkt ans Tageslicht, wird man sehr schnell merken, dass er nach spätestens 14 Tagen richtig in die Knie geht.
Und das aromatische Blog? Vorerst bleibt es, weil ich keine Zeit habe alles umzustricken. Doch wer den einen oder anderen Text später noch lesen will, der sollte ihn sich lieber kopieren. Irgendwann lasse ich das ganze Teil ungerührt über den Jordan gehen (oder über eine andere Klippe springen). Langfristig bleibt nur, was mir selber wichtig ist. So wichtig wie das Saxofon und das Windsurfen, die Stand up Paddelei und das Swingtanzen, der Bücherstapel neben dem Sessel und das Klavier. Lauter schöne Dinge und beinahe hätte ich meinen Esel Henry vergessen. Zumal Esel, besonders auf der Stirn/ zwischen den Ohren, sehr gut schnuppern. Lauter schöne Dinge, die mir auch viel Freude machen. Und jetzt wird mir der Tee kalt. Also kurz und schmerzlos.“
Lieber Erik, ich denke das kann ich stellvertretend für unser Team sagen: Wir hoffen, dass Du Deine Entscheidung irgendwann überdenkst bzw. nochmals veränderst. Es ist absolut verständlich, was Du schreibst – aber wir schätzen Deine Düfte und Dich sehr und hoffen deshalb, dass es irgendwie doch noch weitergeht beziehungsweise das nicht das Ende vom olfaktorischen Lied ist!
Nun aber zurück zu Steampunk aero – große Worte sind nicht Herr Kormanns Sache, so sagt er immer wieder über sich selbst. Und dennoch sind ihm noch ein paar Sachen eingefallen zu seinem Neuling:
„Man nehme auf jeden Fall Bergamottöl und dazu unbedingt Ethyllinaool. Ethyllinalool rundet die Sache ab. Geniales Zeug. Mandarine! Ein gutes, süßes Mandarinenöl. Und jetzt auf keinen Fall was Würziges vergessen! Ich hab mich nach einigen Versuchen für Koriander entschieden. Ich liebe Korianderöl. Ingwer hat es nicht so gebracht, ginge aber auch. Und weil die Mischung aus Frucht und Zitrus so wichtig für die Kopfnote ist, habe ich Magnolan gewählt. Magnolan ist fruchtig, leicht blumig, erinnert mich immer sehr an Lychees, hat eine prima Grapefruitnote (durchaus leicht rosig) und wirkt etwas wässrig. Das alles wollte ich haben! Keine Hemmungen, rein damit. Dazu Hedione. Geht immer. Jetzt Achtung und Vorsicht: Hexenol cis-3. Damit kann man sich alles versaun. Aber es verlängert Grünnoten ganz wunderbar. Rantasten!
So. An diesem Punkte angekommen, war das Grundgerüst der Idee fertig. Jetzt noch Labienoxime und die Sache sollte nach Holunderblütensirup duften und zugelich eine zarte Schwefelnote machen (das gibt sich aber schnell). Aber ohne Schwefel kein Steampunk – find ich total logisch. Einmal schütteln, schnuppern, Hammer, ich werd verrückt. Ein Spritzer mehr Bergamotte und man könnte sich einigen. Für die Mitte und untenrum viel Moschus, alles was es gibt und greifbar war. Ethylenbrassilat, Galaxolide und Muscenone. Fehlte nur noch was Holziges und da denke ich natürlich zuerst immer gleich an Javanol. Kurz überlegt, ob ich den Rest weglasse und nur Javanol nehme, aber nein, ich darf nicht nur an mich denken. Also ein Tröpfchen Javanol, Polysantol, Vetiverylacetat und Timbersilk. […]
Vergessen Sie den ganzen Kram der Inhaltsstoffe. Sprühen Sie sich einfach einen Sommertag aufs Handgelenk, mischen Sie sich aus Zitrone, Zucker, Wasser und Holunderblüten eine Erfrischung, klemmen Sie sich eine Katze unter den Arm, nehmen Sie ein gutes Buch und packen Sie etwas Obst (läßt sich durch Eis und oder Schokolade ersetzen, bzw. abrunden) auf einen Teller und legen Sie sich in die Hollywoodschaukel. Blickrichtung himmelwärts und wenn der Wind aus den Wolkenschafen mal Luftschiffe oder Ballons geformt hat, und sie den Tag gut rumgebracht haben, dann wissen Sie was gemeint war – Steampunk aero.“
Ich gebe zu, Windsurfen stand noch nie auf meiner Agenda, aber immer, wenn ich Eriks Bilder so sehe, die er in schöner Regelmäßigkeit auf Facebook postet, wird ein wenig Sehnsucht bei mir geweckt – vielleicht wäre es doch was für mich? Zumindest sieht es toll aus und ist sicherlich ein perfekter Ausgleich, den ich hin und wieder ebenfalls recht gut gebrauchen könnte … Surft wer von Euch? Und auch mal in heimischen Gefilden?
Um Steampunk aeros Inspiration zu verstehen, nachvollziehen zu können, muss ich, glaube ich, dennoch nicht aktiv werden – zumal das von Erik inszenierte letzte Bild mit Buch, Katze und Holunderblütenlimo im sommerlichen Garten für mich vollkommen ausreicht, um mich stimmungstechnisch auf den Duft einzustellen 😉
Erik hat oben schon etliches zum Duft gesagt, der Herstellung, ich habe ihn dazu ausreichend zitiert, deshalb möchte ich mich bei Steampunk aero ganz darauf konzentrieren, wie er sich mir präsentiert, wie ich ihn wahrnehme … und muss sagen, dass Erik nicht zu viel versprochen hat! Bereits auf den ersten duftenden Metern zeigt sich die angekündigte Holunderblütennote, vielmehr Holunderblütensirup-mit-Mineralwasser-Note (samt Schwefelakzent), die äußerst adrett auf meiner Haut vor sich hin prickelt. Mit geschlossenen Augen lasse ich den Steampunk aero auf mich wirken … und sehe Gräser vor meinem inneren Auge, die sich leise und leicht im Wind bewegen, nehme ozonige Noten wahr, die eben diese sachte Sommerbrise symbolisieren. Eine Ahnung von Wasser, nahem, ist vorhanden – nicht notwendigerweise Meer, es reicht auch ein (Bade?)See, ein Fluss, eingerahmt in leuchtendes, verhalten krautig-kräuteriges Grün, in verschiedenen Farbnuancen und -schattierungen schimmernd und hin und wieder zarte, kleine Blümelein zeigend. Subtil salzt es irgendwo im Hintergrund, darüber hinaus nehme ich minzige Anklänge war, die eine zurückhaltende Süße offerieren, welche perfekt mit dem Unterholz harmonieren, dem eher „weicheren“ und ebenfalls subtil süßen. Und dann ist da noch das mit den Zitrusfrüchten: Auf meiner Haut wirken diese eher wie ein Hesperidenstillleben, zeigen sich nicht einzeln und deutlich wahrnehmbar, vor allem aber keine allzu reifen Früchtchen. Ein paar saftige Mandarinenschnitzchen ja, darüber hinaus Zitrisch-Herbes, das sich wunderbar mit der Holunderblütensirupnote verträgt …
Steampunk aero ist ein echter Guter-Laune-Duft, der Eriks Vorgaben, seine Vorstellungen perfekt erfüllt. Er passt für mich ideal in die wärmeren Jahreszeiten, ist nicht auf ein Geschlecht oder einen Anlass festgelegt und ist meines Erachtens nach eine perfekte und überaus natürlich wirkende Cologne-Alternative für diejenigen, die auf der Suche nach einem frisch-fruchtig-floralen Seelenschmeichler sind. Darüber hinaus – Holunderblüte gibt es extrem selten in Düften, wer Eriks „Bild“ seines Duftes mag und, so wie ich, Holunderblütenlimo und Schäfchenwolken … der kann mit Steampunk aero gar nicht fehlgehen!
Chapeau, lieber Erik – für mich ist es ein Volltreffer, vielen Dank dafür!
Mit den allerliebsten Grüßen an Euch alle,
Uli, von Sommer, Sonne und Holunderblütenlimo mit Katz‘ und Buch im Schatten träumend
Schreibe den ersten Kommentar