Nach unserem olfaktorischen Bergfest letzte Woche mit dem dritten der fünf Olfactive-Expressions-Düfte von Rosendo Mateu, widmen wir uns heute seiner Olfactive Expressions No. 4. Rufen wir uns noch einmal die vergangenen Duftkreationen in Erinnerung: Gestartet ist die Reise durch Mateus Olfaktouniversum mit der Nº 1 (Ach! Echt jetzt?), einem mediterranen und erfrischenden Zitrusduft, dicht gefolgt von der Nº 2 (Überraschung!), einem wunderschönen Lederdüftchen, welcher direkt zu unserer Nº 3 (Na, wer hätte das gedacht?) führte, einem brillianten Irisduft, der mich die letzte Woche schon zu allerlei Anlässen epidermal begleiten durfte. Gut, die „Anlässe“ meines Alltags sind weniger glamourös als das Wort vermuten lässt: Kindergarten, Spielplatz, Einkaufen, aber auch eine Familienfeier war dabei und das ist doch gewiss ein Anlass, der eines solchen Begriffs gebührt.
Olfactive Expressions – Nº 4
Und heute also unsere Nº 4. Was bleibt noch übrig nach Zitrus, Leder und Iris? Ein Kandidat, der schon seit Jahren die Parfumswelt unsicher macht, ist das Adlerholz. So verwundert es wenig, dass eben solches auch in der Kollektion von Rosendo Mateu nicht fehlen darf. Das kostspielige Räucherholz mit dem auf den ersten Blick eher unappetitlich anmutenden Pilzbefall kommt hoffentlich nicht in Kombination mit Rose in die Kreation. Nein, Rosendo Mateu hat meine Wünsche erhört und eine andere Zusammenstellung für seine Nº 4 gewählt.
Die Nummer 4 von Rosendo Mateu ist eine zarte und zauberhafte Version eines nicht in der Natur existierenden Ouds. Eine Oud-Inspiration, aber ohne Oud. Diese Oud-Fantasie besteht aus einer Kombination aus Muskatnuss, Nüssen, Safran, Zimt und einem Hauch von Hölzern, Sandelholz und Guajakholz. Orientalische Intensität spendet Labdanum, Benzoeharz und Vanille zusammen mit ambrierten Noten. Ein sinnliches, kraftvolles Parfum mit einem Duft, der unmissverständlich von Oud inspiriert wurde.
Oud ohne Oud, sagt der Pressetext. In den offiziellen Duftnoten findet sich das Adlerholz aber dann doch wieder. Hier der Beweis: Bergamotte, Neroli, Zimt, Muskatnuss, Safran, Jasmin, Nuss, Iris, Adlerholz (Oud), Patchouli, Sandelholz, Guajakholz, Vetiver, Labdanum (Zistrose), Benzoeharz, Vanille, Ambra, Tonkabohne und Moschus. Rosendo Mateu hat sich hier nicht lumpen lassen und eine prächtige Auswahl an Ingredienzien zusammengestellt. Einen frischen Auftakt scheint er zu lieben, denn auch die Nº 1 und die Nº 3 starteten mit Bergamotte. Auch Neroli ist wohl eine Lieblingszutat des spanischen Parfumeurs.
Mir lassen insbesondere Zimt und Safran das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auf das Nüsschen freue ich mich schon und bin gespannt, ob es eher in die Hasel- oder Mandelrichtung geht … Eine schöne geröstete Haselnussnote könnte zu den Gewürzen auch hervorragend passen. Tja, und meine Freundin, die Iris, ist auch mit von der Partie. Toll! Vom weiteren Hölzer- und Gewürzarrangement lasse ich mich überraschen. Es könnte üppig und lecker werden!
Nach einem sehr kurzen und erfrischend-würzigen Auftakt bahnt sich sogleich der Protagonist den Weg: Donnernd und krachend, lodernd und brodelnd steigt das Adlerholz aus den Tiefen der Duftkreation hervor wie der Phönix aus der Asche. Hier ist erst mal kein Platz für jemand anderen. Mit seinen intensiven medizinischen Räuchernoten bestimmt das Oud die Nº 4. Bestimmt? Nein, es beherrscht sie. Nach den bisher eher transparenten Düften der Olfactive-Expressions-Kollektion setzt Rosendo Mateu hier gleich zu Beginn ein Zeichen.
Tja, was bleibt nach einem derartigen Vulkanausbruch einer Duftnote? Erstmal wenig. Oder ganz viel. Das kommt auf die Betrachtung an. 😉 Das Adlerholz behält auch im weiteren Duftverlauf das Zepter in der Hand. Nach und nach beruhigt sich das im Auftakt doch recht aufgebrachte Räucherholz und wird ein wenig milder, sanfter. Umschmeichelt da etwa die Iris das glühende Oud? Dieser cremige und geschmeidige Unterton kommt mit bekannt vor. Auch Jasmin und Neroli könnten bei der Besänftigung des lodernden Tyrannens beteiligt sein. Eine dezente Süße vermeine ich wahrzunehmen, ebenso wie eine unterschwellige, aber nicht näher definierbare florale Note.
Die Adlerholzschen Allmachtsphantasien haben langsam ein Ende. In Gesellschaft duftet es sich halt doch besser als alleine. Eine balsamische Wärme breitet sich im nach wie vor Oud-dominierten Duftgeschehen aus. Labdanum und Benzoeharz könnten hierfür verantwortlich sein. Auch Ambra könnte ihre Finger im Spiel haben. Ihr lest es selbst: Viel könnte, könnte. Die Nº 4 zeigt sich als so komplex, dass eine Veränderung des dominanten Ouds zwar wahrgenommen, aber nur sehr schwer mit einzelnen Duftnoten in Verbindung und damit in erklärende Worte gefasst werden kann.
Doch im Ausklang entspannt sich auch das Adlerholz und lässt nun ganz klar Ambra und Moschus sowie den Aromen von Vanille und Tonkabohne den Vortritt. So erlischt die räucherige Nº 4 ganz allmählich. Zurück bleiben die wohlige Wärme der ambrierten Glut, balsamische Duft der Harze und die gourmandigen Akzente der Gewürze. Ein wahrlich harmonischer Ausklang für einen tollen Duft.
Rosendo Mateu – Großes Dufthandwerk
Wenn Rosendo Mateu in dieser Nº 4 tatsächlich kein Oud eingesetzt hat, dann hat er in diesem authentischen und faszinierenden Adlerholzduft fürwahr sein Können gezeigt. Wie auch immer er diese tollen Oudnoten geschaffen hat, sie sind umwerfend. Die Nº 4 ist ein ganz anderes Kaliber als die letzten drei Duftkreationen dieser Kollektion, kräftig, präsent, aber dennoch ohne weiteres tragbar. Für den Büroalltag würde ich wahrscheinlich eher einen seiner anderen Kreationen empfehlen (außer man sitzt alleine), denn Adlerholz mag nicht jedermanns Geschmack sein. Ist ja auch nicht jeder ein Nischendüftler. Aber wer Parfums mag, die Aussagekraft und Charakter, aber dennoch Eleganz und Transparenz ausstrahlen, der sollte die Olfactive Expressions No. 4 von Rosendo Mateu unbedingt testen.
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