Ins alte Ägypten reisen wir heute mit Parfums CIRO …

und zwar mit zwei Düften, mit Ptah und Le Chypre du Nil, beide kreiert von Alexandra Carlin. Wer die ersten beiden Artikel verpasst hat, seht hier: Markenvorstellung inklusive Rezension von Chevalier de la Nuit sowie die Vorstellung des Trios Maskée, L’Heure Romantique und Floveris.

Im Anfang war das Wort – Ptah

„Ptah – ein olfaktorischer Freigeist, kreiert für all jene, die sich nicht von Konventionen einschränken lassen.

Sprache erschafft Welten. Sie bewegt, berührt, verändert, entführt in Geschichten und Geschichte. Ihr Gott ist Ptah, der altägyptische Allgott, der Vater der Götter von dem alles Leben ausgeht. Gleich der geistigen Schöpfung eines Romans, der uns in fremde Sphären entführt, ist die Macht der Worte geblieben. Und unsere Sprache bis heute der Anfang allen Werdens, allen Seins.

Ptah huldigt der Fantasie, die sich in der Kraft des Wortes Bahn bricht – und ist jenen feinsinnigen Schöngeistern gewidmet, die sich leidenschaftlich den Verlockungen eigenständigen Denkens hingeben. Den regen Geist kühlt die zitrische Frische von Bergamotte im Duett mit der herb-holzigen Fruchtigkeit des Ingwers, welche von krautigem Salbei begleitet die Kopfnote bilden. Diese leitet über auf ein rauchigpudriges Herz: Iris und Weihrauch, von dunkelgrün leuchtendem Geranium untermalt, das zarte Anklänge von Rose atmet. Der Kontrast zwischen cremiger Vanille, von Tonka würzig verstärkt, und maskulinem Leder stiftet Ambivalenz, die von der salzig-grasigen Rauchigkeit des Vetiver gekonnt zum Charakteristikum des Duftes erhoben wird.“

Kopfnote: Bergamotte, Salbei, Ingwer, Elemiharz
Herznote: Weihrauch, Geranium, Iris
Basisnote: Vetiver, Tonkabohne, Bourbon-Vanille, Leder

Pava [CC BY-SA 3.0], from Wikimedia Commons
Ptah, „der Bildner“, trägt seinen Namen in Anlehnung an einen altägyptischen Gott, der den meisten von uns vermutlich weniger geläufig ist als die üblichen Verdächtigen wie beispielsweise Osiris oder Re (auch Ra). Wie Wiki erklärt, „brachte es Ptah nie zum obersten Reichsgott und stand deshalb meist in zweiter Reihe hinter den bedeutenden Göttern“. Nichtsdestotrotz hatte er seine Anhänger, die sich größtenteils in Memphis (südlich von Kairo) befanden. Und seine Prieser entwarfen selbstredend auch ein theologisches Gedankengebäude, das ihn zum obersten Schöpfergott und zum Vater, Herrn aller Götter erklärte – jenes „Denkmal memphitischer Theologie ist bis heute einer der wichtigsten theologischen Texte des alten Ägypten zu den Themen Kosmogonie und Theogonie, also der Erschaffung der Welt und der Götter.“

 

https://pixabay.com/en/photos/ramses%20ii/
Nicht Ptah, dafür ebenfalls aus Memphis – die von Joseph Hekekyan Mitte des 19. Jahrhunderts dort entdeckte Kolossalstatue von Ramses II. aus Rosengranit

„Ptah galt als einer der mächtigsten Schöpfergötter. Er hat sich aus sich selbst erschaffen und trug den Beinamen „Vater der Götter, von dem alles Leben ausgeht“. Die ihm zugeordneten Schöpferorgane sind Herz und Zunge. Dem „Schöpfungsmythos von Memphis“ zufolge sprach er die mit dem Herzen gebildeten Gedanken laut aus und erschuf so das Universum, den Kosmos, die Welt. Er führte in Memphis eine Neunheit an, die im übrigen aus der Neunheit von Heliopolis bestand: Schu, Tefnut, Geb, Nut, Osiris, Isis, Seth und Nephthys. Diese Neunheit wurde jedoch nicht durch Atum erschaffen, sondern wie das Universum, allein durch seine Gedanken und sein Wort, mit seinen schöpferischen Organen Herz und Zunge. Danach schuf er auf ebendiese Weise Orte, Götterbilder und Kultstätten sowie die Rechtsordnung. Unter allen anderen Schöpfergöttern trat er deshalb eher als „geistiger“ Schöpfer hervor. Denn der Hauptaspekt des Schöpfungsmythos von Memphis war, dass Ptah allein durch die Macht der Worte, dadurch, dass er die Namen von Mensch und Tier laut aussprach, die Welt erschaffen hat.“

Und weiter:

„Er war im Prinzip eine chthonische Gottheit, also ein Erdgott, was auch immer den Aspekt der Toten- und Fruchtbarkeitsgottheit in sich barg. Als Erdgottheit formte er den Menschen aus Ton mithilfe der Töpferscheibe, was ihn auch zum Schutzgott der Handwerker machte. „

Mit dem Schutz der Handwerker kann ich nach meinen letzten Erfahrungen nicht besonders viel anfangen … dennoch – aus der Kraft der Worte zu erschaffen und mit Ton rummatschen hört sich prinzipiell schick an 😉

A well preserved statue of the Egyptian god Ptah in the Turin Museum, Italy https://www.flickr.com/photos/robven/ [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons
… und schick ist auch der Duft, vielleicht gar mein Liebling der Kollektion? Ich bin mir nicht sicher, es ändert sich in der Tat bei jedem Schnuppern, jeder Beschäftigung mit den Düften. Ptah brilliert mit einem herrlichen Ingwer-Auftakt, fruchtig-holzig und „dumpf“ im Sinne von matt leuchtend, von Bergamotte zitrisch-frisch angestrahlt. Aromatisch-grüner Salbei flankiert, Geranium bekräftigt das Grün, das in vielerlei Schattierungen schillert. Es fällt mir schwer, den Duft adäquat zu beschreiben, weil er einer jener Kandidaten ist, die so „dicht“ sind, sich so zu einem großen Ganzen entwickeln auf der Haut, dass einzelne Komponenten und Zutaten herauszupicken mir in diesem Fall nicht richtig gelingen mag. Er wabert auf das schönste über meinen Arm, gleichermaßen frisch und strahlend wie matt leuchtend, ingwerfruchtig und kühl und wärmend zur gleichen Zeit. Er will sich nicht festlegen, lässt sich nicht festnageln – passt gut zu einem solch wortgewandten Vorbild 😉 Iris pudert im Herzen, von Vanille zart geküsst und in kostbaren Harznebel gehüllt. Und dann ist da noch das Leder, das butterweiche Wildleder, das ihn trägt und mich in seiner Ausprägung beispielsweise an L’Artisan Parfumeurs Dzing! erinnert …

Ein intellektueller Schönling, und zwar im allerbesten Sinne – ein durchdachter Understatement-Duft, der sich jeglicher Kategorisierung bewusst entzieht und mit seiner Strahlkraft zu begeistern vermag. Falls die Frage kommt: Ja, Ptah ist für beide Geschlechter tragbar, ich kann ihn mir sowohl an Frauen als auch an Männern sehr gut vorstellen.

Der Ursprung allen Lebens – Le Chypre du Nil

„Ein zeitgemäßes Chypre-Parfum von anmutiger Sinnlichkeit – Le Chypre du Nil

Le Chypre du Nil zelebriert den Überfluss, die schillernde Opulenz und die Farbenpracht des Nildeltas, dessen ganze Fruchtbarkeit in dem Fluss begründet liegt. Herbzitrische Bergamotte und strahlend grünes Wermutkraut bilden den Auftakt, von rosa Pfeffer kokett akzentuiert. Das überbordende Herz bildet ein Bouquet aus raren Damaszener-Rosen und samtiger Iris, von Anklängen getrockneter Früchte deliziös umrahmt. Das chyprierte Naturell des Duftes offenbart samtig anmutende Wildledernoten, von Patschuli kakaopudrig geküsst. Edle Ambra und elegant-weicher Moschus runden den Duft gelungen ab.

In den fernen Bergen Ruandas und Burundis entspringt der Nil, der auf seiner Reise ins Mittelmeer etliche Länder passiert. Sein Weg führt ihn durch Tropen, Savannen und Wüste, majestätisch flutet er dahin, vorbei an einsamen Landstrichen und Pyramiden, an Dörfern und Millionenstädten wie Gizeh und Kairo. Er trägt die Geschichte des afrikanischen Kontinents in sich, erzählt von Kulturen und Menschen, zelebriert das Leben. Seine Ufer locken mit üppigem Grün, mit exotischen Gärten voller tropischer Blüten und Früchte – Oasen der Ruhe, in deren Schatten sich manches Antlitz abzeichnet, dessen ebenmäßige Züge an die zeitlose Schönheit einer mysteriösen Königin erinnert.“

Kopfnote: Bergamotte, Rosa Pfeffer, Elemiharz, Wermut
Herznote: Damaszener Rose, Trockenfrüchte, Iris
Basisnote: Patchouli, Ambra, Wildleder, Weißer Moschus

Le Chypre du Nil, der Name ist selbsterklärend. War von Euch schon mal jemand in Ägypten? Und wenn ja – wo? Ich habe mal vor Jahren mit meiner Mutter eine ziemlich nette Bildungsreise gemacht, die an eine Nilkreuzfahrt geknüpft war. Wie so oft sind bei derlei Studienreisen ein Großteil pensionierte Lehrer oder ähnliche/s anwesend, ein Albtraum für viele Reiseleiter 😉 Unsere Gruppe war toll, allen voran Hermann, der promovierte Germanist und Schulleiter a.D., der mir abends stilvoll Martini spendierte und mit dem ich halbe Nächte auf dem Bootsdeck verbrachte, über Gott und die Welt im Gespräch versunken oder einfach nur die Landschaften betrachtend.

Der Nil gilt als größter Fluss der Erde, wobei man sich mitunter noch darüber streitet, ob ihn der Amazonas nicht doch auf den zweiten Platz verbannt – beide Flüsse sind, je nach Messung, um die 7000km lang. Eigentlich unvorstellbar, oder? Ich bin in jedem Fall nicht die komplette Länge abgefahren, logisch – der Nil erstreckt sich ja nicht nur in Ägypten, sondern durchquert diverse benachbarte Länder – Wiki fasst wie immer perfekt zusammen:

„Der Nil entspringt in den Bergen von Ruanda und Burundi, durchfließt dann Tansania, Uganda, den Südsudan und den Sudan, bevor er in Ägypten in das Mittelmeer mündet. Das meiste Wasser erhält er aus den wechselfeuchten Tropen Ostafrikas und zu einem geringeren Teil aus den immerfeuchten Tropen Zentralafrikas. Als einziger Fluss der Erde durchquert er dann vollständig einen der beiden subtropischen Trockengürtel, der hier zudem die zweitgrößte Wüste der Erde, die Sahara, hervorgebracht hat. Die besonderen Eigenheiten des Flusses ließen an seinen Ufern eine der frühesten Hochkulturen entstehen. Auch heute noch ist der Nil für Ägypten von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung.“

Ohne Nil nichts los – die Landstriche wären Wüsten geblieben und hätten sich niemals zu derlei kulturellen Höhenflügen aufschwingen können beziehungsweise diesen Grund bieten, im eigentlichen Wortsinne von Boden. Ganz klar – der Fluss brachte fruchtbare Ufer und spendierte nebenbei auch Baumaterial, Ton. Beim Schreiben der CIRO-Texte wurde mir schon bewusst, dass ich keinerlei genaue Ahnung habe, wie viele Einwohner Ägypten eigentlich damals hatte – das konnte ich nicht so stehen lassen, dafür bin ich zu neugierig. Bezogen auf die sogenannte prädynastische Zeit (beginnend 4000 v. Chr, ca. 1000 Jahre lang) ist die Einwohnerzahlt strittig.  Zur Zeit des Alten Reiches (ca. 2700 v. Chr. beginnend, etwa 500 Jahre lang) und des Neuen Reiches (1550 v. Chr. beginnend, ebenfalls ca. 500 Jahre – dazwischen kommt noch ein Mittelreich und wir haben es bis Ende des neuen Reiches mit 20 Herrscherdynastien zu tun) betrug die Anzahl der Bevölkerung je nach Forschermeinung ein paar Millionen Menschen. Wen es näher interessiert – hier gibt es eine Doktorarbeit zum Thema, klick.

Heißluftballons über Luxor

Und Kairo – was für eine Stadt! Schier unendlich groß, facettenreich, geschichtsträchtig, pulsierend, so voller Leben …

Le Chypre du Nil ist – ein Vollblutchypre, keine Frage. Aber ein überaus zeitgemäßer, moderner – ich schicke es gleich vorweg: Wer mit Düften wie Juliette has a Guns Lady Vengeance etwas anfangen kann, mit Parfum d’Empires Eau Suave (der zugegebenermaßen mehr Vintage-Charakter hat, aber eben auch ein wunderschöner Rosenchypre ist), ist hier sicher genau richtig. Im Fokus steht jene samtige, tiefrote Damaszenerrose, die fruchtig tönt, von leisen Noten gelben Steinobsts (Aprikose? Pfirsich), das meiner Meinung nach nur halb getrocknet ist, umgeben. Iris pudert sanft, während Patschuli Tiefe einhaucht (Rosen und Patschuli harmonieren immer und immer wieder perfekt, man kennt es ja). Unsere Blütenschönheit weiß sich zu kleiden – sie zeigt sich in einem weichen Lederkleid, elgant, erlesen und ja, erotisch, eingerahmt von watteweichem Weichzeichner-Moschus als auch balsamisch-würziger, wärmender Ambra.

Le Chypre du Nil schafft den Spagat perfekt, jene Herausforderung, die die Kreation eines Chypres heutzutage an einen Parfumeur stellt. Es ist in der Tat nicht so einfach – die Duftfamilie des Chypre ist altehrwürdig, es zählen etliche Klassiker dazu, aber aber … für viele Frauen sind klassische Chypres zu wuchtig, zu „old school“, zu gestrig (gutes Beispiel: Clinique Aromatics Elixir). Ich zähle mich dezidiert nicht dazu, ich liebe Chypres und auch etliche der Ikonen, ob nun älteren Datums oder nicht, so auch das Aromatics Elixir. Ich bin aber nicht der Maßstab 😉 Le Chypre du Nil schafft es, jene Gattung in die Jetztzeit zu transportieren, der Duft ist eine schöne und moderne Interpretation dieser wundervollen Duftgattung, die sowohl Chypre-Fans als auch -zögerern gefallen wird. Nur weiblich müssen sie sein, denn Le Chypre du Nil ist definitiv ein Damenduft.

Und, wie sieht es aus, meine Lieben, kennt Ihr Parfums CIRO schon, habt Ihr die Düfte bereits getestet? Welches ist Euer Favorit?

Herzlichst

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

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