… ist heute erneut unser Thema, und zwar mit dem zweiten Duft des Amouage-Duos Imitation. Die Dame ist noch übrig, nachdem wir uns den Herren bereits gestern angesehen haben. Für die, die erst heute „einsteigen“: Beide Düfte sehen sich inspiriert von den Kindheitserinnerungen von Christopher Chong, dem Amouage-Creative Director. Mit sechs Jahren kam er von Hongkong nach New York, was für ihn einem Kulturschock gleichkam. Das New York der Siebzigerjahre ist für ihn multikulturell und multiethnisch, ein „brodelndes“ Fleckchen Erde, gleichermaßen dreckig, rau wie auch glamourös, schön. Und prägte ihn, machte ihn zu einem weltoffenen Menschen.
Imitation Woman
„An olfactive imitation of New York City’s multiculturalism in the 1970s this floral aldehyde fragrance is a tribute to an iconic era.“
Die Ingredienzen: Kopfnote: Rose, Ylang Ylang, Orangenblüte, Jasmin; Herznote: Schwarze Johannisbeere, Aldehyde, Süßholz (Lakritze); Basisnote: Weihrauch, Sandelholz, Patschuli
Der Parfumeur: Pierre Negrin (Firmenich)
Imitation Woman – Chong dachte an Bianca Jagger und Jerry Hall, und was die beiden ins Studio 54 tragen würden, welche Kleidung, welchen Duft … Die gestern verlinkten Artikel von Candyperfumeboy sind diesbezüglich recht aufschlussreich, weil sich Chong recht ausführlich zu den Hintergründen des Duftduos geäußert hat. Er hatte bei der Kreation von Imitation Woman die Damendüfte der Siebzigerjahre im Kopf, deren olfaktorischen Stil – viele Aldehyde, opulente Bouquets und Pudrigkeit. Und dann hat Monsieur Chong natürlich auch noch jene perfekten Frauen im Kopf, die die Nächte durchfeierten und am Morgen immer noch perfekt oder zumindest gut aussahen. Partytiere, glamouröse, sinnliche, wie er selbst sagt. Und pickte sich Johannisbeeren heraus, schwarze, die sexy sind und gleichermaßen etwas von weiblicher Transpiration haben – etwas schweißiges. Ich verstehe, was er meint – jene Herbheit, die säuerliche. Mal sehen, ob wir neben all dem Tanz in Imitation auch ein paar schwitzende Leiber wahrnehmen, denn Imitation Woman, das kann ich vorweg schon sagen, ist der auffälligere, der raumgreifendere Duft des Duos.
Yep. Party, Baby – und zwar mit langgezogenem „i“ am Ende! Imitation Woman ist … experimentell? Modern in jedem Fall und – auf eine seltsame Weise gleichzeitig gefällig und das genaue Gegenteil davon. Imitation Woman ist ein Chamäleon, ein Duft, der ganz unterschiedliche Duftrichtungen und -gattungen, -familien miteinander verschmelzen lässt und etwas Neues daraus schafft. Imitation Woman ist genauso glitzernd und blinkend wie die Lichter in dem Club, in den es uns verschlagen hat, insofern muss ich ehrlich sagen, dass man den Duft meines Erachtens nach nicht immer, nicht ständig tragen kann – er könnte einem auf die Nerven gehen, auf Dauer. Aber möchte man solch ein Kaliber jeden Tag tragen? Nein. Passt Imitation Woman zu jeder Gelegenheit? Ebenfalls nein.
Imitation Woman ist ein bunter Reigen aus in der Tat bisweilen etwas „schwitzig“ anmutender schwarzer Johannisbeere, die Sexyness ausstrahlt. Jene wird verstärkt von zwei Aspekten – einerseits von den Blüten, von dem cremigen Jasmin und andererseits von den harzig-rauchig-holzigen Anklängen aus der Basis, die im Zusammenspiel irgendwo animalische Komponenten entstehen lassen. Das kracht ganz schön rein – Imitation Woman ist nicht subtil. Deshalb auch „sexy“ – und nicht erotisch. Das Motto ist „In your Face“, wir haben es hier mit einer aggressiven Art Weiblichkeit zu tun und ich komme nicht umhin, an Grace Jones zu denken. Dem einen oder der anderen wird Imitation Woman Angst machen, da bin ich mir sicher 😉
Dazu gesellen sich: „Fette“ Aldehyde, die an Haarspray und knallige Früchte erinnern. Körperpuder, mit pinkfarbener Quaste großzügig aufgetragen. Noten von Lakritze und Kakao, die fast schon zum Naschen einladen, wäre da nicht die Rose, die einem umgehend metallisch in die Nase pickst und das Tier, dass man hinter jeder Ecke vermutet, dessen Anwesenheit einem ständig bewusst ist …
Ich bin ehrlich und stehe hier ein wenig auf dem Schlauch: Wer ist die Zielgruppe? Frauen, klar. Mutige, selbstbewusste Frauen. Frauen, die wissen, wer sie sind und was sie wollen, auch klar. Aber – retro ist Imitation Woman nicht, er ist kein Vintage-Duft. Aber er atmet, das ist vollkommen korrekt, jenen Geist der Siebziger, der Achtziger, Zeiten, in denen Parfums noch Parfums waren und man nicht nach „frischer Dusche“ roch. Imitation Woman ist animalischer als es viele Frauen heute mögen. Er ist für den allgemeinen Geschmack (so es denn einen gibt) zu blumig, vor allem aber auch zu aldehydig, und zudem einfach zu unerzogen, um ein adretter Chanel-Adept zu sein (wo Aldehyde ja wieder ok sind). Grace Jones ist zwar noch knackig (und wie), aber auch nicht mehr die Jüngste – Lady Gaga? In die Richtung wird es wohl gehen, man oder besser frau muss schon bis zu einem gewissen Grad unkonventionell sein, um Imitation Woman zu rocken, zumindest aber unkonventionelle FRAUENDüfte lieben 🙂
In diesem Sinne – ein schönes Rest-Wochenende meine Lieben!
Viele herzliche Grüße
Eure Ulrike
Hey liebe Ulrike,
danke für deine schöne Wochenend-Lektüre. Uuh, dieser Duft klingt seehr spannend, da macht das Lesen ja schon eine riesen Freude. „Ganz nach dem Motto „In your Face“ :D“
Also, ich denke, den muss ich definitiv testen und auf mich wirken lassen.
Liebe Grüße und einen kuscheligen Sonntag!
Kathrin
Freut mich, dass Dir der Artikel gefallen hat – gib doch bitte mal Feedback, wenn Du magst und ihn getestet hast, ich bin neugierig!
Liebe Grüße
Ulrike