Intim werden mit Atelier Oblique: Closer …

… ist der vorletzte Duft der soeben bei uns im Shop gelandeten Marke aus der Hauptstadt. Letzten Mittwoch hatte ich mich ihrem Hintergrund gewidmet, genauer: dem Mann, der sie ersann, Mario Lombardo, seines Zeichens einer der einflussreichsten Gestalter unserer Zeit. Am Donnerstag habe ich mir dann für Euch die ersten beiden Düfte des soeben lancierten Quartetts angeschaut und sie mir erschnuppert – Marble Sea und White Light. Heute ist nun Closer an der Reihe.

[Randnotiz: Neid. Lancierung mit Privatkonzert von Scott Matthew? Neid.]

Nah dran – Closer

Closer widmet sich einer Ingredienz, die uns allen bekannt und, ich muss es leider sagen, dem einen oder anderen mittlerweile aufgrund ihrer Omnipräsenz etwas fad geworden ist – dem Oud:

„Oud gilt als eines der wertvollsten Geschenke der Natur. Ein aromatisches Harz, das mit seinen subtilen Noten nur für die kostbarsten und geheimnisvollsten Parfümkompositionen verwendet wird. Closer feiert den Oudduft aus einer neuen und überraschend frischen Perspektive. Dieser Duft ist wortwörtlich nah, dem Oud entsprechend sexy, tief und holzig, aber zugleich frisch, frei und schwebend.

Der holzigen, animalischen, balsamischen und auch honigartigen Anmutung des Ouds wird eine frische Kopfnote aus Schwarzer Johannisbeere, Grapefruit, Zitrone und saftiger Feige kontrastierend entgegengesetzt, was dem Duft eine betörende Frische und Leichtigkeit verleiht. Rose, Veilchen, Vetiver und ein Lederakkord unterstreichen das Oud in den Herz- und Basisnoten eindrucksvoll und malerisch. Eine exklusive und kostbare Komposition.“

 

Ich persönlich bin nach wie vor für einen schönen Oud zu begeistern, regelmäßige Leser/innen werden es wissen – dennoch hätte ich mir hier eventuell eine andere Ingredienz gewünscht, eine, die nicht bereits auf dem Zenit ihres Erfolgs angekommen ist. Visionär ist das nicht – und etwas Visionäres hätte besser zu Mario Lombardos Werken und Wirken gepasst. Vielleicht aber verbindet ihn etwas Persönliches mit der Ingredienz, eine Erfahrung, eine Erinnerung? Vielleicht aber gefällt sie ihm aber auch „einfach nur“ – und das ist mitunter der beste Grund, um einen Duft zu kreieren oder vielmehr kreieren zu lassen.

Umgesetzt hat Closer Karine Vinchon-Spehner, was mich genauso aufhorchen lässt wie einige der gelisteten Ingredienzen, die allesamt nicht typisch für einen Oudduft sind. Und Vinchon-Spehner ist ein Name, den man im Gedächtnis behalten sollte. Sie ist (bisher?) noch etwas unter dem Radar geflogen, um es einmal so zu formulieren, hat aber in den letzten Jahren einige sehr bemerkenswerte Düfte geschaffen wie beispielsweise zwei hervorragende Fougère-Kompositionen, Opus III und Memoir Man, beide für Amouage, diverses im Team mit einigen anderen für Terry de Gunzburg (ich liebe Lumière d’Épices), den wunderschönen und vollkommen unerwarteten Interlude Woman für Amouage (Kaffee, Honig, Kiwis und Weihrauch – muss ich noch mehr sagen? Ja? Die Rezension dazu findet sich hier) sowie L’Artisan Parfumeurs Vetiverherz, Cœur de Vétiver Sacré.

Insofern bin ich extrem neugierig … und werde nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil. Closer ist wahnsinnig schön – und darüber hinaus äußerst schwierig zu kategorisieren. Closer gleicht einem Spiel von Licht und Schatten, er ist gleichermaßen licht wie düster, edgy und ebenso vertraut, nah … da sind wir schon beim Stichwort, beim Namen, Closer …

Closer lässt mich an das gleichnamige Album denken, jenes epische Meisterwerk der Band Joy Division. Nur zwei Alben produzierten die Briten, beide sind in so gut wie allen erdenklichen Best-Of- sowie X Albums-You-Must-Here-Before-You-Die-Listen enthalten, gelten als Meilensteine. Und sind auch in meinem Regal vertreten, immerwährende Lieblinge. Nachdem Lombardo Scott Matthew mag und seinen Duft Marble Sea wohl ursprünglich The Eternal taufte (ein Song des Albums Closer) versteige ich mich hier an dieser Stelle mit der Behauptung, dass Lombardo Joy Division kennt und liebt. An Zufall mag ich hier nicht glauben. Und frage mich an dieser Stelle, ob White Light seinen Namen wegen White Light/White Heat von Velvet Underground trägt (was wahrscheinlicher ist als George Michael oder The Corrs).

Joy Division passt ausnehmend gut zu Closer, dem Duft. Melancholisch ist er, vertraut, auf eine Art und Weise intim, gleichzeitig aber auch distanziert, fremd, verlockend, um nicht zu sagen – geheimnisvoll.

Der Auftakt ist minzig-frisch und kühl-fruchtig (hier spielt das Röslein mit hinein), zitrisch-prickelnd, brodelnd fast – denn in Bewegung sind nicht nur die säuerlichen Johannisbeeren im Zusammenspiel mit den Hesperidenfrüchtchen, sondern auch das Oud, das sich bereits aus den Untiefen des Duftes den Weg nach oben bahnt. Kokett schillern Feigen, fruchtfleischig und von dunkelgrünem Blattwerk umrankt, die Symbolik derselben muss an dieser Stelle sicherlich nicht weiter erläutert werden … In erdige, moosdurchwirkte Pudrigkeit gebettet setzt unser Protagonist, das Oud, einen Kontrapunkt – ledrig, animalisch und verhalten medizinisch zeigt es sich, ehrfurchtgebietend. Und ist perfekt in Szene gesetzt – es erinnert mich von seiner Aussage her an Le Labos Oud 27, an Nishanes Afrika-Olifant sowie einige der Schmankerl von Maison Francis Kurkdjian als auch by Kilian (die Arabian Nights-Kollektion).

Die Sillage ist top, die Haltbarkeit auch – keine Frage, Madame Vinchon-Spehner hat sich einmal mehr selbst übertroffen: Einen innovativen, extrem besonderen Oudduft hat sie geschaffen mit Closer, der für mich mein bisheriger Favorit der Atelier Oblique-Kollektion ist. Und das auch (fast) ganz ohne Joy-Division-Reminiszenzen.

Am Mittwoch folgt der letzte Duft, Saint – bis dahin alles Liebe und einen guten Start in die Woche

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

2 Kommentare

  1. Christel
    24. April 2018
    Antworten

    Ach ja, als ich den Namen ‚Closer‘ gelesen habe, war meine erste Reaktion ‚Joy Division – wie schön‘, um dann zu überlegen, ob nicht doch nur näher gemeint sein könnte. Vielen Dank an Dich für den Hinweis auf ‚Joy Divison‘ – kennt also doch noch jemand. Und hat mich auf den Duft neugierig gemacht.

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