… lesen und schnuppern wir die Tage – zumindest im übertragenen Sinn. Alle für einen, einer für alle oder besser: eine für alle, denn ich habe das Vergnügen, mir für Euch die Düfte dieser Marke unter die Nase zu klemmen, die endlich auch bei uns im Shop erhältlich ist – Imaginary Authors:
„Imaginary Authors is born from the concept of scent as art and art as provocation. Like a good book, these scents are meant to inspire you. In these bottles are layered narratives that are sure to generate stirring conversation, fragrances that might be capable of changing the course of your own personal story. The hope is that they not only invigorate and intoxicate, but also take you to new places.
Each Imaginary Authors fragrance follows a compelling storyline peppered with intriguing twists. These are scents to curl up with, to share with friends, to take with you wherever you go, and to return to again and again for a uniquely transcendent experience.“
Das Konzept ist – Duft als Kunst, Kunst als Provokation. Aber keine Angst, ich kann Euch jetzt schon verraten – die Düfte sind allesamt tragbar, sehr sogar. Sie sollen Erzählungen sein und zu Erzählungen anregen, kommunizieren mit Träger und Umfeld und zur Kommunikation anregen, ganz dem Ziele einer einzigartigen (und sogar transzendenten) Erfahrung verpflichtet.
Josh Meyer ist der Mann hinter Imaginary Authors – und er hat eine interessante Hintergrundgeschichte zu bieten, die er in verschiedenen Interviews erzählt. Sein Weg zum Duft, zu einer eigenen Marke war kein geradliniger und auch so nicht geplant – wer nachlesen möchte, dem seien folgende Artikel ans Herz gelegt:
- Olfactiv – Interview Teil I und Teil II
- Ça Fleure Bon – Kurzprofil von Josh Meyer
- Art & Hustle Magazine – Inside the Mind: Josh Meyer
- The Good Smellas Blog – Interview mit Josh Meyer
Josh Meyer ist auch mit Saskias Art and Olfaction Institute „verbandelt“, will sagen: sie kennen sich, Meyer ist ebenfalls Juror bei den Art and Olfaction Awards dieses Jahr. So findet sich auch ein kleines Frage-Antwort-„Spiel“ mit ihm auf der Seite – lest hier.
Kommen wir nochmals zurück Meyers Provokationen … Alle Düfte beziehen sich auf literarische Werke und deren Schöpfer, auf Autoren und Literaten, die allesamt … erfunden sind, ganz genau. Daher kommt auch der Name der Marke, Imaginary Authors. Harmen als „alter“ Literaturwissenschaftler würde Euch sicherlich noch ein bisschen was zum Thema Pseudonymisierung in der Literatur und ähnlichem erzählen können, allerdings bin ich viel zu neugierig, um mich hier noch in theoretischen Exkursen zu verlien – ran an den Duft, meine Lieben!
Der Weltenretter in Neon und Minze – Saint Julep
„On the outskirts of Clarksdale, Mississippi, at the end of a secluded dirt road sat a small ramshackle church. It was not a place of worship but rather where many went to seek refuge during impoverished times. Legend has it the structure was transported to the wild mint field by hand, hoisted on the shoulders of two dozen men. The outside remained simple and nondescript but the interior was aglow with pilfered neon signs, Christmas lights, and a jukebox donated by the sheriff’s son. It was a distinctly secular place where locals who knew where to find it could share moonshine, socialize, and dance their troubles away. They called their ramshackle juke joint Saint Julep and the oral histories compiled within paint a picture of that magical place where “the smiles was always free and salvation had the distinct smell of sweet mint.”“
Manche lesen ja so in der Bibel und orakeln dann danach – Buch auf, Finger rein auf einer xbeliebigen Seite und die Losung des Tages ist gesetzt. Daran musste ich denken – genauso wie an diese Buchstabenwimmelbilder, woraus der Hobbyfreud etwas abzuleiten gedenkt, je nach dem, welches Wort man darin als erstes erblickt hat, „Love“, „Sadness“, was auch immer. Mein allererster Blick auf die Beschreibung von Saint Julep fiel auf die Worte „and dance their troubles away“ – und tanzten ihre Sorgen hinfort. Von einer kleinen Kirche erzählt der Text, die in einem Feld wilder Minze irgendwann von starken Händen errichtet wurde und am Ende einer dreckigen Straße steht. Außen unscheinbar und innen vom Licht der Neonschilder leuchtend, dient sie weniger der Gottesanbetung als vielmehr als Zufluchtsort, an dem aus einer alten Jukebox Lieder tönen … Saint Julep.
“Tomorrow I will fight but tonight I recline into a sweet dream of muddled mint and ice.” – Milton Nevers
Morgen werde ich kämpfen, aber heute ziehe ich mich zurück in einen süßen Traum von Minze und Eis … so oder so ähnlich spricht der nicht existente Milton Nevers – und ich bin hell entzückt. Ich mache mit. Morgen, morgen, morgen können wir Wichtiges tun, Zwingendes, aber lass uns lieber träumen, jetzt.
Das Szenario, dass Meyer seinen fiktiven Erzähler beschreiben lässt, erinnert mich an die seltsamen, die einzigartigen Bilder des Fotografen Gregory Crewdson. Ich kann ihn, seine Bilder nicht abbilden, googelt ihn mal (hier sein Instagram-Account, hier der Link zu der Webseite zu dem mehrfach preisgekrönten Film über ihn) – er inszeniert amerikanische Landschaften, Kleinstädte, deren Einsamkeit. Sein Werk ist auf eigenartige Weise gestellt, künstlich, surrealistisch anmutend, melancholisch, bisweilen aber auch von magischen Momenten gestreift … Ganz bestimmt findet sich bei Crewdson solch eine schmuddelige kleine Kirche am Ende einer ebensolchen Straße, aus deren Türspalt ein Lichtstrahl dringt, der Wärme suggeriert, der so scheint, als sei diese Kirche der letzte Platz auf der Welt, an dem man ankommen kann und darf …
„WHEN TO WEAR: When the weight of the world seems too much to bear, a prayer to Saint Julep will not only soothe, it will give you the aplomb to keep marching forward.“
Saint Julep ist ein Heiliger, dem man (sich) getrost (an)vertrauen kann – und vermittelt gleich ein erstes Gefühl für die Linie: Besonders und unkonventionell, aber dennoch tragbar präsentiert sich der Duft, weniger „roh“ als beispielsweise D.S. & Durga, fragiler als die Düfte von Andy Tauer, weniger opulent als Anatale Lebreton. Komplex, aber dennoch minimalistisch und definitiv sehr modern, keinerlei Retro- oder Vintagecharakter. Ein Quentchen Nerdigkeit und jede Menge Hipstertum – mir gefällt’s.
Pfefferminze, soweit das Auge reicht. Eine, die in der Nase kitzelt und prickelt, und zwischendurch den Blick in Richtung ein paar anderer Kräuter lenkt. Frisch, aromatisch-grün und dennoch … ist da dieses seltsame Gegengewicht … Mandarine, eine saftige, süße und leuchtend orangefarbene Mandarine, viele kleine, frisch geschälte Schnitze, die getragen werden von einer warmen, fast schon balsamisch anmutenden Basis. Whisky. Und zwar mit Hölzern. Ein alter Holzteller? Es passt in diese kleine Kirche mitten im Nirgendwo. Und ja, Saint Julep ersetzt so manches Stoßgebet, hüllt ein, macht auf eine sonderbare Weise … glücklich.
Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht … Ihr auch?
Viele liebe Grüße
Eure Ulrike
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