Serge Lutens‘ neue Kreation – ein Milchzahn – Dent de Lait

… beschäftigt uns heute, wirklich und ganz in echt –  Dent de Lait, der Milchzahn und Neuling in der Kollektion von Serge Lutens:

„Etwas ermüdet von dem wochenlangen Herumspielen mit der Zunge, um den Zahn zu lockern, ist der junge Wolf begierig, endlich von Milch zu Blut überzugehen.

Ich habe dich seit langem geliebt und werde dich niemals vergessen.“

Einen Duft Milchzahn zu nennen ist … gewöhnungsbedürftig, ich glaube, darauf können wir uns einigen 😉 Ein Blick auf die Ingredienzen lässt vermuten, dass wir ihn auch Süßzahn nennen könnten getreu der Redewendung, die sich auf Menschen mit einer Vorliebe für Süßigkeiten bezieht: Kopfnote: Mandel; Herznote: Kokosnuss, Cashmeran; Basisnote: Weihrauch.

Dent de Lait
Serge Lutens Dent de Lait – das Bild dazu

Trotzdem muss ich noch kurz auf den Text zu sprechen kommen: Die Lutens-Texte sind häufiger ein bisschen kryptisch, in diesem Fall finde ich ihn allerdings darüber hinaus wenig ansprechend. Mag sein, dass die Poesie an mir vorübergegangen ist, allerdings gefällt er mir wirklich nicht, der Text. Und es liegt nicht an der Übersetzung, die ist ziemlich wortgetreu, ich habe mir die englische als auch die französische Variante angeschaut. Geht es Euch auch so, mögt Ihr den Text, versteht Ihr, was gemeint ist, zweifelsfrei?

Sei es drum, der Duft wird selbstredend trotzdem getestet, denn um den „Juice“ geht es uns ja 😉 … und ich kann Euch jetzt schon sagen: An diesem werden sich die Geister scheiden, definitiv!

Sweet Tooth oder Toothfairy – Naschkatze oder Zahnfee?

Dent de Lait ist kein typischer Lutens, überhaupt gar nicht. Ich wäre noch nicht einmal im Entferntesten darauf gekommen, dass es einer sein könnte. Gut, ziel- und treffsicher erkennt man, erkenne zumindest ich ohnehin nur die (Handschrift der) früheren Werke. Die Ingredienzen führen hier auch auf den Holzweg – man vermutet, wie das Parfum riechen könnte, denkt an Kokosnuss und Mandelaromen, unterschiedliche Mandeldüfte … falsch. Und vielleicht lässt man sich von dem zugegeben hübschen Buben blenden, von dem Bild, dass eben einen Jungen zeigt, einen Jungen in Jeans mit dunkler Hautfarbe vor noch dunklerem Hintergrund. Egal, in welche Richtung Ihr denkt – auch falsch.

Dent de Lait duftet nach … Aldehyden. Nach fruchtig-haarspray-mäßigen Aldehyden, allerdings nicht so, wie man sie aus Klassikern kennt, sondern so, wie wir sie in neueren Düften antreffen. Sie erinnern an … Weichspüler. An Reinigungen, die Geschäfte. Eine Cremigkeit kommt dazu, eine reine. Eine, die ruft, dass sie unschuldig ist. Seifennoten. Veilchenpastillen. Früchte, immer noch, irgendwie abstrakt, nicht frisch, aber grell. Mandelmilchlotion oder nein, besser – Mandelschaumbad. Babycreme und ein Hauch -puder. Und es ist tatsächlich eine Note drin, die metallisch riecht, blutähnlich, immer wieder durchschimmernd.

Was kann man vergleichen? Gar nichts, zumindest nicht wirklich. Die Blutnote gibt es deutlicher und mit ein paar anderen Körpersäften im Gepäck bei État Libre d’Orange in deren Sécrétions Magnifiques. Ich weiß, dass es irgendwann mal bei Blood Concept einen Duft gab, der nach Reinigung duftete. Andrea Maack hat auch ein paar abgedrehte Düfte dabei mit ziemlichen Kanten und metallischen Facetten. In den Series von Comme des Garçons wurden ebenfalls derartige Duftexperimente gestartet.

Es kommt sehr sehr selten vor, dass ich so etwas schreiben muss, aber ich bin bei dem Lutens definitiv raus. Er wird mit der Zeit weicher, weniger direkt, verliert seine Noten, die man als „kontrovers“ bezeichnen könnte, nicht nur in olfaktorischer Hinsicht. Hier bin ich auf einer Linie mit Now Smell This – er könnte im weiteren Verlauf in die Clean-Serie passen. Oder in eine andere solche Linie. Und zwar in die Fraktion der Düfte, die nach Baby duften. Eine Gattung, die mir ohnehin suspekt ist, auch hier bin ich d’accord mit dem Artikel bei Now Smell this. Wer das mag, der könnte vielleicht an Dent de Lait Gefallen finden, vor allem wenn er seine Kopfnote verloren hat.

Dent de Lait – ein Antiparfum?

Allerdings kann man die Kiste auch anders sehen, das Pferd andersrum aufzäunen: Man könnte Serge Lutens unterstellen, dass er mit seinen Antiparfums schon seit Jahren den Saubertrend, die Hinwendung zu glattgebügelten, artifiziellen und möglichst unauffälligen Düften konterkariert. Und mit dem Milchzahn, dessen Beschreibung in diesem Zusammenhang vielleicht weniger kryptisch anmutend, in der Tat ebenfalls etwas unterminieren wollte: Vielleicht die Liebe des Kindes zur Mutter (und umgekehrt), die leider nicht jeder bedingungslos erfahren durfte und darf. Oder die Beschütztheit der Kindheit, die sich nicht für jeden so gestaltet, selbst wenn sie es ist, sich aus Kinderperspektive oft nicht so anfühlt. Könnte auch sein, dass Serge Lutens hier darauf anspielt, dass Kinder eben doch nicht soo unschuldig sind, sondern von Natur aus ganz schöne Egoisten, weil gesteuert von ausschließlich eigennützigen Trieben. Und deshalb manchmal grausam sein können.

Ich kann nicht anders und muss an Lars von Trier denken. Mit Sicherheit objektiv betrachtet ein guter, vielleicht ein sehr guter Regisseur. Aber einer, der ein Frauenproblem hat. Und einer, der seine Filme nicht nur mit seinen persönlichen Problemen überfrachtet, sondern mittlerweile in so gut wie jedem Werk seine Intellektualität und Belesenheit dermaßen gelehrig rüberbringen und reinpressen muss in Bezug auf den Betrachter, dass ich schon seit geraumer Zeit die Lust an seinen Filmen verloren habe. Melancholia mochte ich trotzdem ganz gerne. Passt zum Herbst, wenn Ihr mal nichts anderes vorhabt:

Dennoch – der Milchzahn und ich werden keine Freunde. Aber er hat welche da draußen, so zum Beispiel hier, siehe The Scented Salamander aka Mimifroufrou. Es hilft nichts, Ihr werdet selbst entscheiden müssen, Euch selbst ein Bild machen, selbst testen 😉

Ein schönes Wochenende und viele liebe Grüße

Eure Ulrike

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Ulrike Knöll Verfasst von:

Meine Liebe gilt seit jeher dem Ästhetischen: Mir geht das Herz auf bei jeglichen Dingen, die durch Form, Funktionalität, Design und Herzblut zu überzeugen wissen. Und wenn dann noch ein Quäntchen Historie dazu kommt, ist es meist ganz um mich geschehen … Ich bin der Nischenparfümerie mit Haut und Haaren verfallen und immer auf der Suche nach dem – oder vielmehr: einem – neuen heiligen Gral. Diese Suche sowie mein ganzes Interesse und meine Begeisterung möchte ich gerne mit Euch teilen!

3 Kommentare

  1. 10. November 2017
    Antworten

    Ich finde gar nicht, dass der Duft so ein Spalter ist. 🙂 Die Aldehyde zu Beginn werden fast unmittelbar von meiner Haut gefressen, stören (mich) also nicht weiter. Dann kommt die metallische Mandeligkeit, die ich gar nicht so sehr mit Blut assoziieren und die auch bei Pegasus von Parfums de Marly schätze, und dann wirds halt cleeeeeaaaan und auch ein bisschen gourmandig. Das muss man mögen. Kein großer Wurf an Innovation, aber von mir gibts einen Daumen nach oben. 🙂

  2. Birgit
    27. November 2017
    Antworten

    Dent de lait wollte ich natürlich auch auch reiner Neugierde probieren. Aufgeschreckt durch den „Blutakkord“ rechnete ich mit dem Schlimmsten. (D.h. für mich Ähnlichkeiten mit Sécrétions Magnifiques.)
    Der Anfang ist schrill – grell, laut, aber überhaupt nicht „körperlich“ oder gar „eklig“. Reiniger, Weichspüler, Haarspary, Schaumbad, das passt auch für meine Nase. Aber nach kurzer Zeit beruhigt sich das Ganze und wird blumig. Ich habe keine Ahnung wie das mit dieser Zutatenliste möglich ist, aber für mich ist Dent de lait ein leicht seifiger Hautcremeduft.
    Also meine Stimme bekommt der Duft auch – und wenn man die Werbetexte einfach ignoriert und sich keine Gedanken über Sinn (bzw. Unsinn) macht klingt „Dent de lait“ richtig gut- jedenfalls auf französisch.

  3. Ulrike Knöll
    27. November 2017
    Antworten

    Hihihii – ja, in einer anderen Sprache hören sich viele seltsame, profane oder wie auch immer geartete Worte oft total klangvoll an 😉

    Da sieht man jetzt aber wieder einmal, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind – schön, dass Du Deine mit uns geteilt hast! Dann hat der Zahn ja doch seine Freunde gefunden, so ist es eben doch immer, es geht nichts über einen Test auf der eigenen Haut 🙂

    Viele liebe Grüße

    Uli

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